Protokoll der Sitzung vom 16.02.2017

Frau Gebauer, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Beer?

Danke schön, Frau Kollegin. – Wenn Sie fragen, wie Heterogenität vor Ort zu gestalten ist, möchte ich wissen: Sind Sie mit mir einer Meinung, dass die Frage pädagogischer Konzepte auch in den Blick zu nehmen ist, zum Beispiel über jahrgangsübergreifendes Lernen, weil genau dann entsprechende pädagogische Angebote, Vielfalt, Sprachenangebote zu realisieren sind? So arbeiten schon Schulen an Teilstandorten. Das ist die pädagogische und konzeptionelle Reaktion auch darauf, Teilstandorte qualitativ gut zu führen.

Pädagogische Konzepte sind in einem solchen Zusammenhang immer zu berücksichtigen. Das ist überhaupt keine Frage.

Wir haben unseren Antrag ganz breit angelegt und gesagt: Wir geben die Hausaufgabe an das Ministerium. – Frau Schmitt-Promny, ich muss Ihnen sagen: Es gibt Zigtausende von Mitarbeitern im Ministerium.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Zigtausende?)

Die müssen schließlich auch etwas zu tun haben. Es ist deren Aufgabe,

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Ach, so ist der Blick auf den Haushalt! Oh, oh, oh!)

Konzepte zu erarbeiten, und nicht unsere Aufgabe. Sie sind an der Regierung. Ich gebe Ihnen aber recht: Pädagogische Konzepte gehören mit hinein. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Vielen Dank, Frau Gebauer. – Nun spricht für die Piratenfraktion Frau Pieper.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ein wenig überrascht. Wir haben über diesen Antrag schon

sehr ausführlich im Ausschuss gesprochen. Die Diskussion läuft hier in eine völlig andere Richtung. Im Ausschuss war das alles sehr verträglich. Ich weiß überhaupt nicht, warum jetzt so eine Schärfe in die Debatte kommt.

(Simone Brand [PIRATEN]: Weil es im Ple- num ist!)

Das Anliegen dieses Antrags ist durchaus richtig. Es ist ein ganz wichtiges Thema, das uns die nächsten Jahre immer wieder beschäftigen wird.

Die Frage ist für mich: Was bringt uns solch ein Konzept? Welche Halbwertzeit hat es? Die Schulentwicklung der letzten zwei Jahre in NRW hat niemand voraussehen können. Deshalb bin ich immer sehr vorsichtig. Wohin entwickelt sich das? Wie geht es mit der Zuwanderung weiter? Insofern kann ein Konzept möglicherweise eher hindern als helfen. Wir müssen sehr genau hinschauen.

Es wäre wünschenswert gewesen – das hat sich heute gezeigt –, wenn wir die Zeit gehabt hätten, den Antrag im Rahmen einer großen Anhörung zu diskutieren. Aber einfach zu sagen, die Landesregierung solle ein Konzept erarbeiten, das halte ich für sehr schwierig.

Viele Aspekte sind angesprochen worden: der demografische Wandel – das müssen wir im Auge behalten – und die Notwendigkeit der regionalen Schulentwicklung. Wir haben ganz unterschiedliche Situationen in NRW. Es wird darum gehen, die regionale Schulentwicklung weiter zu unterstützen und Spielräume zu ermöglichen. Das ist auch unser Ansinnen. Wie ich bereits sagte: Hinsichtlich der Intention des Antrages bin ich bei Ihnen. Wir haben in diesem Zusammenhang über die Notwendigkeit der regionalen Schulentwicklung und über pädagogische Konzepte gesprochen.

Ich möchte noch einige andere Schwierigkeiten aufzeigen. Zur Problematik der Teilstandorte: Herr Weiß hatte gerade gesagt, die Teilstandorte seien eine gute Lösung. Schaut man sich das einmal vor Ort an, stellt man fest: Nein, sie sind es leider nicht. Sie sind eine riesige Belastung vor allen Dingen für die Kolleginnen und Kollegen. Während man die Leitungszeit für die Schulleitungen erhöht hat, hat es für die Kollegen keinerlei Entlastung gegeben. Spricht man mit den Menschen vor Ort, hört man: Es ist kein schönes Arbeitsklima, von einem Standort zum anderen zu fahren. – Ein Teilstandort ersetzt niemals eine Schule. Das kann nur eine Notlösung sein. Man muss überlegen, was man dauerhaft tun kann.

Wir haben über Klassenfrequenzrichtwerte gesprochen. So begrüßenswert ich das finde, was die Landesregierung macht, ist die Situation an einigen Stellen jedoch geradezu fatal. Wenn 32 Kinder in einer Klasse sitzen, dann gehört das auch in die Diskussion hinein. Denn es sind gerade Schulen betroffen,

die unter den aktuellen Umständen ganz besonders belastet sind. Gerade an diesen Schulen sind die Klassen so groß. Ich möchte auch sagen, dass wir immer noch auf den Sozialindex warten.

Zum Thema „Sekundarschule“: Ja, man kann über Zweizügigkeit reden. Ich kenne aber auch eine Diskussion, in der es darum geht, jetzt schon aus Sekundarschulen Gesamtschulen zu machen.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Genau!)

Es geht in völlig unterschiedliche Richtungen. Man muss also genau hingucken, was in der jeweiligen Kommune vor Ort gefragt ist, um da Möglichkeiten zu bieten.

Zweizügigkeit wird – es ist gerade gesagt worden – irgendwann schwierig, auch vom Angebot her, was man an Wahlpflichtfächern usw. machen kann. Da muss man aufpassen. Wenn wir keine gymnasialen Standards mehr haben, müssen wir ganz vorsichtig sein; denn dann haben wir nur ein neues Wort für die Hauptschulen. Es möchte, glaube ich, niemand, dass wir eine Sekundarschule haben, an der nur anstatt „Hauptschule“ dann „Sekundarschule“ steht.

Wir müssen uns, glaube ich, all diese Parameter in der Zukunft sehr genau anschauen und sehr zeitnah reagieren. Ich glaube, dass an dieser Stelle tatsächlich ein Konzept erforderlich ist. Ich weiß aber nicht, wie es aussehen muss, um tatsächlich hilfreich zu sein. Wenn wir uns darauf einigen könnten, den Regionen und den Kommunen möglichst viel Spielraum zu geben, dann sind wir, glaube ich, auf einem richtigen Weg. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Pieper. – Und nun spricht für die Landesregierung Frau Ministerin Löhrmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Gebauer, habe ich das richtig gehört? Ich frage zur Sicherheit noch einmal nach: Tausende Mitarbeiter im Schulministerium?

(Zuruf von Yvonne Gebauer [FDP])

Damit liegen Sie aber weiter entfernt, als wenn Sie davon sprechen, dass die Landtagswahl in zwei oder in drei Monaten stattfindet. Das will ich bei der Gelegenheit machen.

Im Haushaltsplan – viele mögen es nicht glauben – steht es genau: Das Schulministerium hat etwas über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für 6.000 Schulen, für 180.000 Beschäftigte, für 2,5 Millionen Schülerinnen und Schüler. Wenn ich das vor Unternehmern erzähle, sind die ganz schön beeindruckt und

sagen: Das ist doch eine ganz schön komplexe Aufgabe, die man da zu steuern und zu begleiten hat. – Das nur dazu, das will ich hier einmal vorwegstellen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Ministerin, es gibt eine Zwischenfrage von Herr Ellerbrock. Lassen Sie die zu?

Aber klar. Er hatte ja gestern Geburtstag.

Das habe ich mir gedacht. – Nebenbei herzlichen Glückwunsch nachträglich, Herr Ellerbrock, von mir jedenfalls.

Danke. – Frau Ministerin, Sie haben eben die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerien mit 300 beziffert. Das glaube ich Ihnen ja gerne. Aber wenn ich die Organisationsstruktur des Landes richtig deute, dann gibt es doch in den Bezirksregierungen, die ja als alleinige Vertreter der Landesregierung vor Ort definiert sind, durchaus zusätzlich noch andere Zahlen. Deswegen ist doch die Anzahl …

Aber Frau Gebauer hat doch vom Schulministerium gesprochen, nicht von den nachgeordneten Behörden bzw. den Bezirksregierungen. Sie nehmen es doch sonst so genau.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Ja, eben!)

Dann habe ich die Erlaubnis, es hier auch genau zu nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN – Holger Ellerbrock [FDP]: Eben, deswegen … – Ich kenne mich in der Verwaltung ein bisschen aus. Aber auch die Schulaufsicht insgesamt … (Christof Rasche [FDP]: Die Frage war noch gar nicht zu Ende gestellt!)

Entschuldigung, Herr Ellerbrock. Bitte.

Herr Ellerbrock, dann müssen Sie sich noch einmal einklinken, bitte. Wir müssen hier ja alles ganz korrekt machen.

Ich finde ja Ihr Engagement sehr schön. Allerdings sollte man natürlich auch feststellen, dass Frau Gebauer im Rahmen einer etwas überblickartigen Darstellung gesagt hat: das Ministerium inklusive der nachgeordneten Behörden. – So war das zu verstehen.

(Beifall von der FDP – Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Jetzt ist natürlich die Frage, Frau Ministerin, ob Sie das so zur Kenntnis nehmen wollen.

Das nehme ich gerne zur Kenntnis und erlaube mir trotzdem den zarten Hinweis darauf, dass das – obwohl es auch die Schulaufsicht betrifft – im Geschäftsbereich des Innenministeriums liegt. Und das wissen Sie ganz genau, Herr Ellerbrock. Also, Sie haben Ihren Geburtstag wunderbar gefeiert, und ich komme zurück zur Frage der Fortführungsgrößen.

Ich will aber auch noch eine andere Sache richtigstellen, lieber Herr Kaiser. Sie haben die Zahl der unbesetzten Stellen – das haben wir ja gestern diskutiert – angesprochen. Nur noch mal zum Vergleich: Zum Stichtag 1. Januar 2009 – ich betone: in 2009, zu Ihrer Verantwortung – waren 3.800 Lehrerstellen unbesetzt bei weniger Gesamtstellen! Der Stichtag führt zu einem falschen Bild der wirklichen Besetzungssituation. Auch das sage ich noch einmal für das Protokoll. Es ist sicher gut, wenn es im gestrigen und im heutigen Protokoll steht. Im Schulausschuss habe ich Ihnen die aktuelle Besetzungssituation transparent gemacht.

Ich will gern an den Beitrag von Frau Pieper anknüpfen. Denn auch ich bin etwas überrascht über die Debatte. Im Ausschuss haben wir in der Tat sehr sachbezogen diskutiert und festgestellt, dass es bestimmte Punkte gibt, über die man wird sprechen müssen.

Dabei geht es zum Beispiel um die Frage: Wie sichern wir in der Fläche ein wohnortnahes umfassendes Schulangebot? Dazu haben wir im Schulkonsens und in den Schulgesetzen, lieber Herr Kaiser, bestimmte Parameter festgelegt. Wir waren uns darüber einig, dass es sinnvoll ist, darüber insgesamt zu sprechen. Wenn ich jetzt einen Parameter verändere, hat das Auswirkungen auf ganz viele andere Dinge. Deswegen ist es aus meiner Sicht falsch, jetzt isoliert eine solche Entscheidung zu treffen, ehe man eine Gesamtevaluation der Entwicklung über sechs Jahre – so lange gibt es die neuen Sekundarschulen – durchgeführt hat. Diese Zeit sollten wir uns nehmen.