Protokoll der Sitzung vom 16.03.2017

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Stüttgen. – Nun hat sich der fraktionslose Kollege Schwerd gemeldet.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Eines vorab: Betriebliche Mitbestimmung ist ein in über 100 Jahren erkämpftes Recht von Arbeitern und Angestellten. Sie berücksichtigt das Interesse der Beschäftigten, die Geschicke ihres Unternehmens auf Augenhöhe mit zu lenken.

Zu diesem Zweck gibt es Betriebsräte. Deren Freistellung ab einer bestimmten Größe des Unterneh

mens ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Mitbestimmung. Dafür haben sich die Betriebsräte dann auch ihrer Mitbestimmungsaufgabe im Unternehmen zu widmen. Bei der öffentlichen Verwaltung ist es der Personalrat, der diese Funktion wahrnimmt.

Im Falle Wendt aber geht es gerade nicht um betriebliche Mitbestimmung. Wendt ist gerade nicht für Personalratsarbeit freigestellt. Man zahlt ihm seit vielen Jahren ein Gehalt dafür, einer Funktionärsarbeit in seinem Gewerkschaftsverband nachzugehen.

Die Bezahlung eines Bundesvorsitzenden stellt die direkte Subvention eines Verbandes dar. Die DPolG ist dafür bekannt, aggressiv Mitglieder von anderen Gewerkschaften abzuwerben. Das lässt sie sich pro Jahr 80.000 € an Erfolgsprämien kosten. Sind das also unsere Steuern, die dafür eingesetzt werden?

Wendt hat sich in den vergangenen Jahren als innenpolitischer Scharfmacher hervorgetan. Bei jeder Gelegenheit forderte er eine Ausweitung der Überwachung und neue Gesetze. Er forderte zum Beispiel Gummigeschosse für die Polizei, Zäune an der deutschen Grenze und die Aufhebung von Privatsphäre im Internet. Mit seinen Worten: Ermittler sollen spähen, so viel es geht. – Selbst das verfassungsmäßige Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und der Polizei wollte er aufheben. Das Ganze bekommt jetzt ein besonderes Geschmäckle, wenn wir erfahren, dass er all diese Forderungen mit Steuergeldern hat erheben dürfen, und zwar mit Unterstützung durch das Innenministerium.

Ich muss wohl nicht sagen, was ich davon halte, dass Wendt als oberster DPolG-Polizist es mit der Wahrheit nicht so genau nahm, als er „report München“ über den Ursprung seines Gehaltes belügen wollte. Dass er jetzt in den bezahlten Ruhestand gehen soll, finde ich persönlich unerträglich. Nicht zu vergessen: Von der besagten Versicherung erhält er als Aufsichtsrat immer noch 50.000 € im Jahr obendrauf.

Innenminister Jäger erklärte im Innenausschuss, er habe von all dem nichts gewusst und er sähe auch keine Schuld bei sich. Man finde in der Personalakte einfach keine Vereinbarung über eine Freistellung. Mir scheint, der Herr Minister hat nach sieben Jahren Ministeramt überhaupt keine Ahnung, was in seinem Arbeitsbereich los ist. Das ist fahrlässig. Ein solches Versagen passiert ja jetzt nicht zum ersten Mal. Und wieder einmal ist der Innenminister nicht bereit, dafür politische Verantwortung zu übernehmen.

Mich erinnert das an Bart Simpson, der mit seinem ständigen „Ich habe nichts gemacht“ vor dem Scherbenhaufen steht. Wer aber nichts weiß und nichts macht, der ist in seinem Job falsch. Man vergesse bitte nicht, dass Wendt als Aufsichtsrat jedes Mal in den Geschäftsberichten der Versicherung benannt wird. Es ist wenig überzeugend, dass man das nicht gewusst haben will.

Lieber Herr Innenminister, ich erwarte, dass Sie den zu Unrecht ausgezahlten Sold in voller Höhe nebst Zinsen zurückfordern. Alles andere wäre unredlich und eine Missachtung des Steuerzahlers. Diese Praxis muss auch generell sofort beendet werden.

Im Übrigen sollten Sie, Herr Minister, die politische Verantwortung für die zahlreichen Desaster in Ihrem Verantwortungsbereich übernehmen und zurücktreten. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von Oliver Bayer [PIRATEN])

Vielen Dank, Herr Kollege Schwerd. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jäger.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist durchaus nachvollziehbar, dass 59 Tage vor der nächsten Landtagswahl die eine oder andere Diskussion hier im Hause unentspannt geführt wird – von dem einen unentspannter als von dem anderen, was nicht zuletzt mit den aktuellen Umfragewerten zu tun hat. Aber, Herr Biesenbach, das ist keine Rechtfertigung dafür, Spekulationen, Unwahrheiten, Halbwahrheiten oder Erfindungen in den Raum zu stellen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von der SPD: So ist es!)

Meine Mitarbeiter haben gerade noch recherchiert: Beim LZPD ist es üblich, dass Urkunden im Rahmen von Dienstjubiläen – 25 Jahre und 40 Jahre – und im Rahmen von Beförderungen einmal im Monat vom Behördenleiter ausgehändigt werden. Die von Ihnen behauptete Feier zum Anlass der 40-jährigen Dienstverwendung von Herrn Wendt – die besondere Feier von Herrn Wendt – hat nie stattgefunden. Ich bitte darum, eine solche Behauptung nicht mehr zu wiederholen und schon gar nicht zu behaupten, dass ich daran teilgenommen hätte.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- rufe von der SPD: Unglaublich! Unerhört!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben jetzt neben diesen in den Raum gestellten Spekulationen das getan, was man in einer solchen Situation tun muss, nämlich ein geordnetes, ein rechtlich gesichertes Verwaltungsermittlungsverfahren eingeleitet. Wir haben zwei Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter damit beauftragt – die in diesem Fall weisungsfrei gestellt worden sind –, insbesondere das aufzuarbeiten, was nicht Inhalt der Personalakte ist, die wir von der personalführenden Behörde im Ministerium beigezogen und ausgewertet haben. Danach hat es in der Vergangenheit ganz offensichtlich eine informelle Absprache, eine Übereinkunft, ein Agreement gegeben, dass Herr Wendt faktisch keinen Dienst tun musste.

Aus dieser Personalakte und den ersten Gesprächen geht hervor, dass es in der Zeit, in der Herr Wendt im Polizeipräsidium Duisburg verwendet wurde, zwischen ihm und der damaligen Behördenleitung zu erheblichen Konflikten gekommen ist – bis hin zu gegenseitig eingeleiteten Disziplinarverfahren. Es liegt der Hinweis auf dem Tisch, dass dies auch im Zusammenhang mit seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit gestanden hat.

Herr Wendt ist 2006 in das Polizeipräsidium nach Mönchengladbach versetzt worden. Derartige Konflikte sind danach aus der Personalakte nicht mehr ersichtlich. Um es deutlich zu sagen: Wir haben sehr konkrete Hinweise, dass Herr Wendt in der Zeit ab 2006 – ich habe das eingangs schon gesagt – in der Polizeibehörde Mönchengladbar überwiegend keinen Dienst mehr getan hat. Dies wurde dann im Jahr 2010 fortgesetzt, als er zum LZPD versetzt wurde und nur einen Monat später befördert worden ist.

Herr Lürbke, dass Sie das Interesse haben, den Zeitraum zwischen 2006 und 2010 in Ihrer Darstellung völlig auszublenden, kann ich nachvollziehen. Aber Herr Lürbke, ich glaube, das Ergebnis dieses Verwaltungsermittlungsverfahrens zu betrachten, wird sehr spannend sein: Wann und wo hat wer – welche Person – den Behördenleitern die Freiheit gegeben, es gebilligt oder die Anweisung gegeben, Herrn Wendt überwiegend oder nahezu vollständig von seinem Dienst freizustellen, Herr Lürbke?

(Zuruf: Genau!)

Da könnte möglicherweise auch die Zeit zwischen 2006 und 2010 deutlich in den Fokus rücken.

Ich möchte, unabhängig von der Frage, wer diese Freistellung wann wo und aus welcher Motivation heraus veranlasst hat, noch mal auf das Verhalten von Herrn Wendt eingehen:

Die Begründung seinerzeit, dass die DPolG durch das schlechte Abschneiden bei Personalratswahlen keine ausreichende Freistellung für Personalratstätigkeit – wohlgemerkt – gewonnen habe und deshalb eine Freistellung von ihm als Person gewünscht gewesen sei, um seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit nachzukommen, und dass diese Gewerkschaft ihn nicht als Vorsitzenden bezahlen könne, weil sie so klein sei, ist ad absurdum geführt, wenn man sich einmal die Nebeneinkünfte von Herrn Wendt anschaut.

Wenn Herr Wendt, wie es in anderen Gewerkschaften üblich ist, derartige Nebeneinkünfte durch Aufsichtsratstätigkeiten in entsprechenden Stiftungen den Gewerkschaften zugeführt hätte, hätte diese Gewerkschaft ihn ganz locker im Rahmen der Besoldung eines Polizeihauptkommissars bezahlen können.

Hier hat sich etwas verselbständigt. Hier ist etwas ausgenutzt worden, was jahrzehntelange Verwaltungspraxis in Nordrhein-Westfalen war und im Jahr 2014 durch mein Haus noch mal definiert worden ist, dass nämlich gewerkschaftliche Tätigkeit im dienstlich vertretbaren Maße – also wenn es der Dienst zulässt – eingeräumt werden kann. Dies ist bei Herrn Wendt deutlich überzogen und ausgenutzt worden, um nicht zu sagen, es ist zum Schaden aller Gewerkschaften in einem Maße genutzt worden, die man schlichtweg nicht mehr als sozialverträglich bezeichnen kann.

Andere Bundesländer haben andere Regelungen. Ich habe in den letzten Tagen viel mit meinen Kollegen in den anderen Bundesländern zu diesem Thema in Kontakt gestanden. Der Fall Wendt zeigt, dass gewerkschaftliche Arbeit im Zusammenhang mit einer Diensttätigkeit klar und deutlich definiert werden muss, damit da keine Grauzonen, keine Interpretationsspielräume bleiben.

Deshalb bin ich sehr dankbar – das ziehe ich als positives Fazit aus der Diskussion heute, aber auch aus der in der letzten Woche im Innenausschuss –, dass wir gemeinsam die Absicht haben, hier klare rechtliche Regelungen zu treffen, auch im Interesse der Betroffenen.

Nach meiner Vorstellung könnten in der nächsten Wahlperiode solche Regelungen so aussehen, dass den ehrenamtlichen Vorsitzenden der Landespolizeigewerkschaften oder anderer Gewerkschaften wie jedem anderen Beamten auch zum Zwecke der Teilnahme an Tagungen und Kongressen Sonderurlaub oder Freistellungsurlaub eingeräumt werden kann. Und wenn wir selbst diese Menschen in Anspruch nehmen – zum Beispiel im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren, weil wir ihre Expertise bei Anhörungen brauchen; im Übrigen sind wir gesetzlich verpflichtet, die Bundesverbände im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren anzuhören –, müssen wir anlassbezogen zu klaren Festlegungen kommen, wann und in welchem Umfang dies während des Dienstes geschehen darf.

Das wäre mein Vorschlag, damit in der nächsten Wahlperiode eine klare, deutliche Rechtsdefinition vorliegt und keine Grauzone mehr besteht. Eines ist jedenfalls klar: Einen Fall wie die Causa Wendt darf und wird es in Nordrhein-Westfalen nicht mehr geben. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. – Bitte bleiben Sie noch einen Moment hier! Es liegt eine Kurzintervention des Kollegen Biesenbach von der CDU-Fraktion vor. Bitte schön.

Herr Minister, ich kann mich nicht erinnern, von einer „besonderen Feier“ für Herrn Wendt gesprochen zu haben. Das nur zu Ihrem rhetorischen Geschick, nach dem Motto: Ich schieb‘ mal einen unter.

Mich interessiert aber – darauf sind Sie nicht eingegangen –: Wenn der Behördenleiter doch dabei war, hat der sich denn nicht gewundert? Haben Sie mal mit ihm gesprochen? Haben Sie mal versucht, die Reaktion von Herrn Mathies herauszufinden? Das interessiert uns: die Fakten, nicht Ihre rhetorische Geschicklichkeit.

Bitte schön, Herr Minister.

Herr Biesenbach, ich bin nicht der Einzige in diesem Plenarsaal, der deutlich vernommen hat, dass Sie in den Raum gestellt haben, es hätte eine besondere Feier für Herrn Wendt gegeben, an der ich möglicherweise sogar persönlich teilgenommen habe.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Um es deutlich zu sagen: Wenn Sie diesen Eindruck nicht haben erwecken wollen, nehme ich Ihre Entschuldigung gerne an. – Das ist das Erste.

Zweitens. Herr Biesenbach, ich habe das jetzt zweimal erläutert: im Innenausschuss und hier. Es bringt überhaupt nichts, irgendwelchen Spekulationen nachzugehen oder irgendetwas in den Raum zu stellen, sondern wir haben klare, rechtlich definierte Verfahren. Das gilt sowohl für das Verwaltungsermittlungsverfahren als auch für das Disziplinarverfahren gegen Herrn Wendt. Dort werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr sorgfältig insbesondere versuchen, die Widersprüche zwischen öffentlichen Stellungnahmen von Herrn Wendt, öffentlichen Stellungnahmen oder Gesprächen mit Behördenleitern und der tatsächlichen Aktenlage laut Personalakte aufzudecken.

Deshalb, Herr Biesenbach, müssen Sie schon erdulden, dass ich in einem solchen Verfahren nicht persönlich mit irgendwelchen Beteiligten spreche, sondern das bleibt einem rechtsstaatlichen Verfahren überlassen. Und das ist auch gut so.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion hat sich jetzt noch der Kollege Körfges gemeldet. Kollege Körfges, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf feststellen, dass sich – und das überrascht wenig angesichts der Tatsache, dass womöglich gemeinsame Not verbindet – die Argumentation der Linken und der CDU heute in manchen Punkten verblüffend ähnelt. Darüber hinaus lässt sich eine wechselseitige Bezugnahme auf strafrechtliche Vorermittlungen – die sind offensichtlich irgendwie untereinander ausgetauscht worden – ableiten.

Die Aufführung, die der Kollege Biesenbach hier vorhin abgeliefert hat, erinnert irgendwie an die Einleitung eines Inquisitionsprozesses. Denn das, was Sie, verehrter Herr Kollege, da unterstellt haben, ist entweder der Tatsache geschuldet, dass Sie sich Ihre feststehende Meinung nicht durch Fakten verwirren lassen wollen, oder aber es ist der plumpe, wahltaktisch faktenfreie Versuch, mit Spekulationen Dinge zu konstruieren, die sich allein aus den Zeitabläufen beim besten Willen nicht ableiten lassen.

Lieber Herr Kollege Biesenbach, ich erwarte von dem eingeleiteten Verfahren tatsächlich eine Klärung, und zwar insbesondere im Hinblick auf einen hier mehrfach angesprochenen Zeitraum, der eine Reihe von wesentlichen Ereignissen umfasst. Ich darf vier Ereignisse nennen, die bezogen auf den Herrn Wendt sicherlich eine Rolle spielen werden: zwei Versetzungen, eine Wahl und eine Beförderung.

Wir haben hier eben vernommen, dass es an einer Stelle offensichtlich gewisse Schwierigkeiten im Verhältnis zum unmittelbaren Vorgesetzten beim PP Duisburg gegeben hat; daraufhin ist dann versetzt worden. Dies fällt in eine Zeit, in welcher der Kollege Wolf Innenminister war.

Die zweite wichtige Nummer war dann die Versetzung zum LZPD, die genau im gleichen Zeitraum stattgefunden hat.

Und dann kommt eine Nummer, die ich wirklich bemerkenswert finde, nämlich eine Beförderung. Die muss ja irgendjemand veranlasst haben.