Protokoll der Sitzung vom 16.03.2017

Da gab es keine Absprache mit dem damaligen Innenministerium, Herr Lürbke? – Diese Frage gehört doch genauso gestellt, Herr Biesenbach, wie die Fragen, die Sie zu Recht gestellt haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

War das ein ganz normales Versetzungsverfahren: „Hier haben wir einen verdienten Polizeibeamten aus einer Kreispolizeibehörde, der in eine Landesoberbehörde versetzt wird“, wobei klar ist, dass er dort niemals arbeiten wird und auch schon in der alten Kreispolizeibehörde nicht gearbeitet hat? Wer macht denn solche Deals? Das läuft über die Personalabteilungen von zwei Behörden. Ist das business as usual?

Ich habe an den ganzen Abläufen sehr große Zweifel. Da gibt es viele Fragezeichen, ob es hier nicht auch – wie gesagt, das wird das Verfahren zeigen – politische Absprachen jenseits von Recht und Gesetz gab oder innerhalb eines Rechtsrahmens, die aber politisch gesteuert wurden – wie auch immer.

Das gilt es aufzuklären und nach vorne aus der Causa Wendt zu lernen. Es ist schon gesagt worden, dass eine Praxis Wendt künftig verhindert werden muss. Dafür braucht es klare Absprachen. Pauschale Freistellungen darf es nicht mehr geben.

Gewerkschaftsarbeit ist eine gesellschaftspolitisch wichtige Arbeit. Auch wir stellen uns einer Rechtsgrundlage nicht in den Weg, in der wir hier anlassbezogene Tatbestände definieren, für die es dann auch Freistellungen gibt.

Aus dem, was in der Causa Wendt aus dem Ruder gelaufen ist, gilt es aber, nach vorne zu lernen. Deswegen ist das Thema für mich mit der heutigen Debatte nicht beendet. Was da aus dem Ruder gelaufen ist und welche Verantwortlichkeiten da im Spiel sind, muss aufgeklärt werden. Deswegen ist es richtig, dass hier ein unabhängiges, weisungsfreies Verfahren gewählt wurde. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Herrmann.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, was Sie uns bisher hier vorgelegt haben, ist und bleibt ein Skandal. Soll es wirklich wahr sein, dass es in Ihrem Ministerium möglich ist, jahrelang Geld für eine Arbeit zu bekommen, die man nie leistet? Gibt es nicht wenigstens eine Anwesenheitskontrolle?

Herr Stotko hat es eben angesprochen: 28,5 Stunden Arbeit jede Woche wurden nicht geleistet. Das ist nicht aufgefallen. Herr Stotko, ich gebe Ihnen recht: Es nicht die Aufgabe des Ministers, die Anwesenheit zu kontrollieren. Aber es ist die Verantwortung des Ministers, dass niemand anderes das macht!

Fazit des bisher Bekannten: Der aktuelle Stand der Absprachen mit Herrn Wendt ist nicht in der Personalakte dokumentiert. Man hat sogar Pensionäre angesprochen und widersprüchliche Aussagen bekommen. Mündliche Absprachen wurden nicht dokumentiert. Kurz: Das Ministerium weiß selbst nicht, was mit Herrn Wendt vereinbart wurde.

Der Minister hatte keine Ahnung. Das haben wir schon öfter gehört; das ist nichts Neues. Aber erschreckend ist, dass das Ganze anscheinend bisher niemanden interessiert hat. Gehaltszahlungen ohne Arbeitsleistung haben niemanden interessiert. Fehlende Anwesenheit am Arbeitsplatz hat niemanden in den Behörden interessiert. Falls doch einmal jemand in den letzten Jahren in die Personalakte geguckt hat – was ja theoretisch möglich ist –: Da stand nichts. Das hat aber auch niemanden interessiert.

Ich denke, dass das so nicht geht. Ich höre hier auch immer wieder den Hinweis auf die Zeit, in der jemand anderes Verantwortung hatte. Ob das Herr Behrens war, Herr Dr. Wolf war oder jetzt Herr Minister Jäger ist: Wenn man ein Ministerium übernimmt, dann muss man gucken, ob alles in Ordnung ist. Das scheint aber hier nicht passiert zu sein.

Meine Damen und Herren, bei dem Gebot der Schriftlichkeit handelt es sich um ein für die moderne Verwaltung wesentliches Prinzip. Es soll die Unpersönlichkeit und Kontrollierbarkeit der Amtsführung der Mitarbeiter und Führungskräfte gewährleisten. Das Gebot der Schriftlichkeit ist deshalb ein sinnvolles Element jeder Bürokratie.

Ich habe vor einem Jahr in einer Kleinen Anfrage gefragt, in welcher Art und Weise öffentliche Stellen in Nordrhein-Westfalen ihre Geschäftsverteilungs- und Aktenpläne allgemein zugänglich machen. Das ist nämlich seit dem Jahr 2001 eine Pflicht, die sich aus dem Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen ergibt.

Die durchgängige Antwort für die Dienststellen des Ministeriums für Inneres und Kommunales und alle Polizeibehörden lautet: Der Aktenplan wird derzeit überarbeitet. – Aus dem Beamtendeutsch übersetzt, heißt das wohl: Da haben wir nichts.

Herr Jäger, fühlen Sie sich auch jetzt nicht dafür zuständig, dass sich Ihre Behörde nicht an das Gesetz hält? Brauchen wir vielleicht eine Organisationsaufsicht für Ihr Ministerium?

Ich glaube das bisher über „Nichtwissen“ Gesagte nicht. Bezahlung von Personen, die so im Licht der

Öffentlichkeit stehen, dabei keine Anwesenheit am Arbeitsplatz – das funktioniert doch nur, wenn jemand von ganz oben seine Hand darüber hält. Oder es herrscht wirklich das totale Chaos im Ministerium. Die weitere Aufklärung dazu werden wir ganz genau beobachten.

Noch ein Satz zum „System Wendt“: Ich denke, es ist klar, dass es hier kein Weiter-so geben kann. Die Aussagen von Herrn Wendt in Talkshows und Pressemeldungen müssen alle in einem neuen Licht betrachtet werden und haben für mich zunächst einmal den Stempel „unglaubwürdig“. Das von Herrn Wendt veröffentlichte Buch mit dem Titel „Deutschland in Gefahr: Wie ein schwacher Staat unsere Sicherheit aufs Spiel setzt“ ist durchaus nützlich für die Innenminister, um weitere Überwachungsgesetze durchzudrücken. Auch hier gilt: unglaubwürdig.

Es ist daher ein guter Schritt, dass sich der NRWLandesvorstand der DPolG erst einmal von dem „System Wendt“ losgesagt hat, damit hier in Nordrhein-Westfalen wieder ordentliche Gewerkschaftsarbeit gemacht werden kann. Das unterstützen wir. Damit möchte ich auch schließen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Herrmann. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit kommen wir zur Abstimmung.

Erstens stimmen über den Antrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/14387 ab. Die antragstellende Fraktion der Piraten hat direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt also dem Inhalt des Antrags zu? – Die Fraktion der Piraten und Herr Schwerd, fraktionslos. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne und Herr Stüttgen, fraktionslos. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung von CDU und FDP ist der Antrag der Fraktion der Piraten mit breiter Mehrheit abgelehnt.

Zweitens entscheiden wir über den Entschließungsantrag der Fraktion der Piraten Drucksache 16/14509. Wer stimmt dieser Entschließung zu? – Die Fraktion der Piraten und Herr Schwerd, fraktionslos. Wer stimmt dagegen? – SPD, Grüne, CDU und Herr Stüttgen. Wer enthält sich? – Es enthält sich die FDP. Damit ist auch dieser Entschließungsantrag mit breiter Mehrheit des Hohen Hauses abgelehnt.

Damit haben wir beide Anträge entsprechend beschieden und kommen zu:

2 Unbesetzte Stellen können nicht unterrichten,

für Sicherheit sorgen oder Steuerbescheide erstellen – Missmanagement und Intransparenz der Landesregierung bei der Besetzung von offenen Stellen im Landesdienst müssen ein Ende haben!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/14399

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Kollege spricht für die CDU-Fraktion Herr Dr. Optendrenk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Papier ist geduldig. Auf Papier kann man viel aufschreiben, zum Beispiel politische Programmsätze. Man kann Sätze aufschreiben, die Ziele formulieren, ohne dass man sie zunächst einmal umsetzen muss.

Die Wahrheit ist aber: Die Bürger sind meistens nicht so geduldig, wie das Papier, auf das Programmsätze geschrieben werden. Die Bürgerinnen und Bürger wollen auch sehen, dass ein politisches Programm umgesetzt wird. Dazu hatte diese Landesregierung jetzt sieben Jahre Zeit.

Aber was ist die Bilanz beim Thema „Stellen“? Was ist die Bilanz beim Thema der Besetzung von Stellen, um politische Ziele umzusetzen? Wer Tausende neue Lehrerstellen ankündigt, muss sie auch besetzen. Denn unbesetzte Lehrerstellen können nicht unterrichten. Unbesetzte Polizistenstellen können keine Einbrüche verhindern. Unbesetzte Stellen in Finanzämtern können auch keine Steuer-CDs auswerten.

(Norwich Rüße [GRÜNE]: Aber gestrichene Stellen noch weniger! – Heiterkeit von Stefan Zimkeit [SPD])

Das hat auch die damalige Oppositionsführerin und heutige Ministerpräsidentin im Jahr 2009 so formuliert – ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren – und an die damalige Schulministerin von der CDU/FDP-Landesregierung gerichtet:

„Sie haben sofort verkündet: NRW ist spitze. – Die Zahlen für das Jahr 2009 sehen auf den ersten Blick auch ganz gut aus. Das Problem ist nur: Das sind die Sollzahlen. Das sind sozusagen Wunschzahlen und Haushaltsansätze. Wir haben im Schuletat gelernt: Sollzahlen sind oft Fantasiezahlen. Deshalb schauen wir besser auf die Zahlen aus dem Jahr 2006. Das sind nämlich Ist-Zahlen. Das sind Daten und Fakten.“

Wir nehmen die heutige Landesregierung, die von SPD und Grünen getragen wird, auch wenn die Regierungsbank gerade im Plenum leider nicht besetzt ist,

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

beim Wort dessen, was die damalige Oppositionsführerin und heutige Ministerpräsidentin gesagt hat. Wir messen Sie an Ihren eigenen Maßstäben. Denn diese Zahlen sind Ist-Zahlen.

Auch wenn die Ministerpräsidentin und alle ihre Minister offensichtlich gerade anderes zu tun haben,

(Ralf Witzel [FDP]: Hier ist kein Minister vor Ort! – Stefan Zimkeit [SPD]: Von eurer Frak- tion waren gestern Abend zwei Abgeordnete da! Klappe halten! – Gegenruf von Ralf Witzel [FDP])

ist es so, dass diese Ist-Zahlen von ihr als die Wahrheit sowie als Zahlen, Daten und Fakten beschrieben worden sind.

Die jetzt vorliegenden Ist-Zahlen stammen aus einer Vorlage des Finanzministers von Nordrhein-Westfalen vom 7. März 2017. Zu der Entstehungsgeschichte und dem Zahlendesaster werde ich nachher noch etwas sagen. Aber klar ist: Ende 2016 waren in der gesamten Landesverwaltung fast 10.000 Stellen unbesetzt. Davon sind Ende 2016 allein im Schulbereich über 4.300 Stellen unbesetzt gewesen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Ellerbrock?

Das ist freundlich. – Bitte, Herr Kollege.

Ich schaue gerade auf die Ministerbank. Jetzt kommt ein Minister dazu.

(Minister Thomas Kutschaty: Ich war die ganze Zeit hier!)

Ich wollte nur wissen, an wen Sie die Rede richten. Das war mir nicht ganz klar.

Herr Kollege Ellerbrock, ich danke Ihnen deshalb für die Zwischenfrage, weil damit deutlich wird, wie ernst diese Regierung das Parlament nimmt.