Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

(Beifall von der FDP)

Hier in Nordrhein-Westfalen stellt sich einerseits die grüne Landesvorsitzende, Frau Neubauer, hin und sagt vergangenen Dienstag zur „WZ“: Ich fordere Barbara Hendricks und Bundeskanzlerin Merkel dazu auf, einen Exportstopp für Brennelemente nach Tihange und Doel zu verhängen.

(Zurufe: Hört, hört, hört!)

Hört, hört! Warum finden wir das, Herr Kollege Markert nicht in Ihrem Eilantrag von heute? Komisch! Das verwundert.

Anderseits spricht Umweltminister Remmel gegenüber dem Deutschlandfunk davon, dass es gut begründete Rechtsauffassungen gebe, wonach die Lieferung von Brennelementen ins Ausland sehr wohl verboten werden könne, wenn die Sicherheit der Anlagen nicht ausreichend nachgewiesen sei, und wirft der Bundesumweltministerin vor, sie werde mit ihrer Kritik an dem Atomkraftwerk unglaubwürdig. Recht hat der Minister.

(Hans Christian Markert [GRÜNE]: Dann stimmt doch zu!)

Er sagt weiter – Zitat –: Das ist insofern widersinnig, ein Stück schizophren. Da wäre schon die Erwartung, dass die Bundesregierung hier konsequent ist. – Ja, meine Damen und Herren, wenn dem so ist, wie der Minister das sagt, warum steht das dann nicht in Ihrem Eilantrag?

(Beifall von der FDP und der CDU)

Sie werfen der Bundesregierung Inkonsequenz vor. Sie sind es aber selber an dieser Stelle. Sie sind inkonsequent bei diesem Antrag.

Aber Sie sind auch generell bei dem Thema „Brennelemente“ inkonsequent. Seit Juli 2013, also seit fast vier Jahren, lagern im Forschungszentrum Jülich die abgebrannten Brennelemente aus dem AVRVersuchsreaktor illegal, weil die Aufbewahrungsgenehmigung ausgelaufen ist und nicht verlängert werden konnte, weil das Lager den Sicherheitsanforderungen nicht mehr entspricht. Und die Atomaufsicht in Person von Wirtschaftsminister Duin stellt sich hin und sagt, er könne nur zur Räumung auffordern, den Rest müsste man in Jülich machen, ihm seien die Hände gebunden.

Meine Damen und Herren, das ist doch der eigentliche Skandal: Seit Regierungsübernahme haben Sie nichts, nichts unternommen und den Karren sehenden Auges vor die Wand fahren lassen. Sie können das hier nicht einfach kritisieren und sagen, Sie könn

ten nichts tun; denn schließlich ist das Land Miteigentümer und deshalb im Aufsichtsrat für diese Entscheidung in Jülich selbst mit verantwortlich. Das ist scheinheilig. Das macht Ihre Politik aus. Und das können wir so nicht mittragen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Rohwedder.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Erneut stehen wir Piraten einem Showantrag zur Nuklearpolitik gegenüber. Wir sind, wie bekannt, die einzige Fraktion hier im Landtag, die uneingeschränkt gegen die Nutzung von Nukleartechnik zur Stromerzeugung steht.

Ein Showantrag wie Ende letzten Jahres und wie im Jahr zuvor, und wieder ein völlig unzureichender Antrag! Und das ist kaum der Hast eines Eilantrages geschuldet. Wieso eigentlich Eilantrag – Herr Brockes hat das ja auch schon gefragt –, wo doch die Versorgung nicht nur der belgischen Reaktoren durch Transporte aus und durch NRW seit Jahren, vielleicht Jahrzehnten läuft – mit Material, das in Nordrhein-Westfalen verarbeitet wird?

Ich muss dasselbe fragen wie beim letzten Mal: Wie steht es denn mit der Versorgung dieser belgischen Reaktoren mit Brennelementen? Warum wird nicht die sofortige und endgültige Stilllegung der Brennelementefabrik in Lingen gefordert und betrieben? Das ist immerhin im Inland, wenn auch nicht im selben Bundesland. Wie steht es denn mit der Versorgung der Brennelementefabrik in Lingen durch Urenco mit angereichertem Uran aus Gronau oder Almelo? Warum wird nicht die sofortige und endgültige Abwicklung der Urenco, die sofortige und endgültige Stilllegung der Urananreichungsanlagen in Gronau und Almelo gefordert und betrieben? Wie steht es denn mit der Versorgung der Urananreicherungsanlagen mit Uran-Hexafluorid zum Beispiel aus Frankreich? Warum wird nicht die im Koalitionsvertrag versprochene Einstellung der Transporte gefordert und betrieben – sofort und endgültig? Bundesland, sonstiges Inland, Ausland – alles dabei!

Aktuell startete am Montag um 19 Uhr ein Uranzug in Hamburg mit Yellowcake, Uranerzkonzentrat, vermutlich aus Namibia, auf jeden Fall per Schiff gekommen. Der Zug fuhr dann über Wilhelmsburg, Maschen, Buchholz, Bremen hinein nach NordrheinWestfalen, Münster, Hagen, dann weiter nach Köln. Da war er gestern früh um 4 Uhr. Dann fuhr er weiter nach Koblenz über Bonn, also wieder hinaus aus Nordrhein-Westfalen, nach Trier und dann über die Grenze nach Frankreich zur Uranfabrik in Malvési.

Da hätten Sie eine Begründung für die Eiligkeit haben können. Aber natürlich wussten Sie davon mal wieder nichts. Ein Gefahrgutinformationssystem, wie von uns seit Jahren gefordert, hätte helfen können, aber das alles interessiert Sie ja nicht wirklich. Das sieht man am Lachen von Herrn Mostofizadeh.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] schüttelt den Kopf.)

Ihre Eiligkeit hat mit der letzten Plenarwoche vor der Landtagswahl zu tun – eine schlechte Begründung, und die Forderungen sind entsprechend erschreckend schwach. Eigentlich fehlt nur noch die Forderung, die Landesregierung möge eine Petition beim Online-E-Mail-Adresssammler einreichen – politisch folgenlos, sorgt aber für Datenreichtum dort. Das haben die Grünen ja neulich mit einer Petition zum öffentlichen Personennahverkehr so gemacht.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich wiederhole: Die Forderung muss lauten, nicht nur die belgischen Schrottreaktoren stillzulegen, sofort und endgültig, sondern alle Anlagen, die weiterhin Nuklearabfall erzeugen, von der Erzförderung bis zum Reaktor und Aufarbeitungsanlagen im In- und Ausland weltweit.

(Karl Schultheis [SPD]: Das kriegen wir auch sofort durch!)

Mit ausdrücklich dieser Intention stellen wir unseren Entschließungsantrag, ohne dessen Annahme Ihr Eilantrag wegen offensichtlicher Erbärmlichkeit, Showcharakter und Heuchelei nicht zustimmungsfähig ist.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir lehnen auch den Entschließungsantrag der Kollegen von CDU und FDP ab.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das hatte ich im Gefühl!)

Der ist zwar schärfer formuliert als der Eilantrag, nimmt aber Bezug auf das Zwischenlager in Jülich, ohne klar zu sagen, wie denn die Landesregierung endlich ihrer Verantwortung nachkommen und für eine sichere Lagerung der Jülicher Atomkugeln sorgen soll.

Die Brennelemente aus dem sozialdemokratischen Staatsreaktor THTR 300 Hamm-Uentrop, die in Ahaus lagern, wurden mal wieder vergessen. Sie hätten sich unserem Antrag auf Neubau eines Zwischenlagers in Jülich anschließen können. So ist das jedenfalls nicht ernst gemeint. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rohwedder. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Remmel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung ist sich bewusst, dass die Problematik der belgischen Atomkraftwerke, insbesondere der Meiler Tihange 2 und Doel 3, in weiten Teilen der Bevölkerung große Sorgen auslöst, und die Landesregierung teilt diese Sorgen ausdrücklich. Wir begrüßen deshalb als Landesregierung, dass der Landtag sich heute erneut mit Tihange und Doel beschäftigt. Bereits Ende letzten Jahres gab es einen Eilantrag von vier Fraktionen zur Thematik, und schon Ende 2015 hat sich der Landtag mit der Sache beschäftigt.

Das zeigt, das Landesregierung und Landtag hier sehr nah die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen und damit auch bündeln und zum Ausdruck bringen, konkret zu handeln. Landesregierung und Landtag sind sich absolut einig in der Forderung nach sofortiger und endgültiger Abschaltung der sogenannten Bröckel-Reaktoren. Dies gilt insbesondere für Tihange 2 und Doel 3, weil hier die Nähe zu den Zentren in Deutschland – Aachen, Köln, Düsseldorf –, aber auch in den Niederlanden – Maastricht – und in Belgien – Lüttich – gegeben ist und insofern der Umkreis auch diese Sorgen der Bevölkerung unterstützt und noch einmal unterstreicht.

Wir müssen allerdings auch – und das ist Position der Landesregierung und auch des Landtags – respektieren, dass unser Nachbarland Belgien in der Gestaltung der Energieversorgung souverän ist. Deshalb geht es darum, in Gesprächen und Diskussionen diese Position immer wieder vorzutragen und alles dafür zu tun, dass sie auch zur Umsetzung kommt.

Wir müssen zumindest vorerst auch realisieren, dass es keine international verbindlichen Regelungen über konkrete Sicherheitsstandards von Atomkraftwerken gibt. Hier ist sicherlich nach wie vor auf der Tagesordnung, solche europäischen Standards endlich zu schaffen, damit wir von gemeinsamen Grundlagen ausgehen und dann auch handeln können.

Trotzdem hat sich das Land in verschiedener Weise in Sachen „Atomkraftwerke in Belgien“ engagiert. Zunächst einmal möchte ich den juristischen Weg noch einmal aufzeigen – einen Weg, auf dem zivilisierte Nachbarn ernste Meinungsverschiedenheiten klären können: Wir sind nach rechtlicher Prüfung der ersten Klage der Städteregion vor dem verwaltungsgerichtsähnlichen belgischen Staatsrat beigetreten. Das Kabinett hat zudem in der letzten Woche entschieden, auch der zweiten, zivilrechtlichen Klage der Städteregion beizutreten. In beiden Fällen handeln wir gemeinsam mit dem Nachbarland Rheinland-Pfalz, das in ähnlicher Weise von den Auswirkungen betroffen wäre.

Wir wollen auch mit unseren belgischen Partnern und der Nachbarregion Wallonie, aber auch dem deutschsprachigen Teil Belgiens die Herausforderung des Atomausstiegs möglichst gemeinsam bewältigen. Deshalb haben wir ein Gutachten in Auftrag gegeben, das belegt, dass Atomausstieg noch besser zu realisieren ist, wenn wir gemeinsam arbeiten – insbesondere dann, wenn es darum geht, die Energieversorgung in beiden Ländern enger miteinander zu verbinden. Deshalb ist es notwendig, Grenzkuppelstellen schnell auszubauen und neue Grenzkuppelstellen, die bisher nicht diskutiert worden sind, in die Planung einzubeziehen, um den Sorgen um den Verlust der Versorgungssicherheit entgegenzutreten. Nur so kann es gelingen, grenzüberschreitend gemeinsam den beschlossenen Atomausstieg in Belgien im Jahr 2025 tatsächlich auch umzusetzen und schnellstmöglich zur Abschaltung der Problemreaktoren zu kommen.

Leider – und das ist ja heute auch Gegenstand – müssen wir die gewisse Widersinnigkeit zur Kenntnis nehmen, dass Brennelemente und Atombrennstoffe aus Deutschland an die belgischen Problemkraftwerke geliefert werden. Die rechtliche Situation hier ist in der Tat schwierig – der Kollege Abgeordnete hat das eben schon dargestellt –, wobei die Bundesregierung ihre Rechtsauffassung dargelegt hat. Klar ist aber auch: Es gibt andere Rechtsauffassungen, die durchaus zu dem Schluss kommen, dass hier aus Gründen der nationalen Sicherheit eine Versagung durch die entsprechenden Behörden erfolgen kann.

Bei solcherart unterschiedlicher Rechtsauffassung geht es darum, dass möglicherweise, wenn keine weiteren Prüfungen zu einem anderen Ergebnis führen, Gerichte darüber entscheiden, welche dieser Rechtsauffassungen zutreffend ist, und dann muss man eben in gewisser Weise diesen Schritt gehen. Wir jedenfalls sind mit dem Landtag und den Antragstellern einer Meinung, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine solche Untersagung tatsächlich auf den Weg zu bringen.

Erfreulich – und das möchte ich an dieser Stelle unterstreichen – ist aber, dass wir in einem anderen Punkt weitergekommen sind, und da begrüße ich ausdrücklich, dass die Bundesregierung die Entscheidung getroffen hat, ein verabredetes Gutachten auf den Weg zu bringen. Wir hier haben uns ja gemeinschaftlich verabredet, dass auch Gronau und Lingen rechtssicher in den Atomausstieg einzubeziehen sind. Wir sind als Landesregierung zweimal im Bundesrat vorstellig geworden; zweimal hat der Bundesrat mit großer Mehrheit beschlossen. Wir haben darüber hinaus eine einstimmige Beschlussfassung der Umweltministerkonferenz erreichen können.

Jetzt folgt die Bundesregierung unserem Ansinnen insofern, dass die Frage gutachterlich untersucht wird, mit welchen rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten auch die Anlagen in Gronau und Lingen in

den Geltungsbereich des Atomausstiegsgesetzes einbezogen werden können. Ich finde, es ist ein Erfolg des Landtags, aber auch der Landesregierung, mit steten Bemühungen hier jeweils einen kleinen Schritt voranzukommen. Das jedenfalls wird von unserer Seite sehr begrüßt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich versichere Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir weiterhin gemeinsam für eine rasche und endgültige Stilllegung der Atomreaktoren streiten. Ich und wir wissen uns da mit Ihnen einer Meinung, und ich finde, eigentlich wäre es auch angemessen, diesem Anliegen heute durch eine große gemeinsame Unterstützung noch einmal den Respekt des gesamten Landtags entgegenzubringen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Wird abgelehnt!)

In diesem Sinne wünsche ich mir weiterhin Unterstützung aller Abgeordneten des Landtags in der für Nordrhein-Westfalen so wichtigen Fragestellung. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Die Landesregierung hat ihre Redezeit um zwei Minuten überzogen. Möchte noch jemand sprechen? – Herr Kollege Schultheis.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das gibt mir die Chance, noch kurz auf den Beitrag von Herrn Hovenjürgen einzugehen, insbesondere was die Lagerung der Atomkügelchen in Jülich angeht. Das ist immer wieder ein interessantes Thema.

Ich war in der vorletzten Wahlperiode Vorsitzender des Untersuchungsausschusses hier im Landtag und hatte gedacht, dass direkt nach dem Zusammentreten des neuen Landtags der Antrag gestellt würde, den Untersuchungsausschuss wieder einzusetzen. Das war aber nicht der Fall. In der Regierungszeit von Schwarz-Gelb war das nie ein Thema, obwohl die Kügelchen seit Jahrzehnten in Jülich aufbewahrt werden.