Protokoll der Sitzung vom 29.11.2012

Herr Berger, …

(Werner Jostmeier [CDU]: Kollege Berger! – Lutz Lienenkämper [CDU]: Dr. Berger!)

Oh. – Wie breit sind wir denn im nationalen und internationalen Bildungswettbewerb aufgestellt – ich bleibe bei Ihrer Wortwahl –, wenn einige und womöglich bald alle Hochschulen einzelne Studienfächer abschaffen und wir überhaupt kein Regulativ haben, da einzugreifen? Sagen wir unseren jungen Leuten dann, wie es immer heißt: „Dann macht doch einfach etwas mit Medien“? – Das geht doch nicht. Da können wir doch nicht tatenlos sehen.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit.

Ja. – Ich komme noch zu einem Punkt, Herr Berger. Sie stimmen immer das Mantra der Hochschulräte an. Wenn man Ihre Pressemitteilung genauer liest, fragt man sich: Welches Bild haben Sie denn von Hochschulräten,

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Ein gutes! Ein sehr gutes!)

wenn Sie sagen, sie zögen sich aus ihrem Engagement zurück, weil wir ein Gremium umstrukturierten? – Man kann sich für eine Sache einsetzen, ohne einem Gremium eine bestimmte Wertigkeit zuzufügen.

(Dr. Stefan Berger [CDU]: Das ist nicht die Realität der Menschen!)

Doch, das ist die Realität, die Sie wie eine Monstranz vor sich hertragen.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Noch einmal zu Ihrer viel beschworenen Freiheit.

(Dietmar Brockes [FDP]: Redezeit!)

Sie ist beschränkt. Die freie Entfaltung ist immer dann beschränkt, wenn sie viele andere tangiert. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Lüders. – Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Hafke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erinnere mich noch sehr gut an die Debatten in der letzten Legislaturperiode zu diesem Thema. Das heißt, eine Debatte war es eigentlich nicht, sondern der Versuch, gegen die Lächelblockade der Ministerin anzukommen.

Im ganzen Land herrschte Verunsicherung. Wir haben Sie im Landtag mehrfach aufgefordert, offenzulegen, in welche Richtung Ihre Pläne gehen. Sie, Frau Ministerin, haben sich dem völlig verweigert. Ihre Worte vom ergebnisoffenen Dialog hatten wirklich etwas Tragikkomisches.

In der denkwürdigen Fragestunde dazu haben Sie das mit einer Beharrlichkeit wiederholt, die wohl in diesem Parlament unerreicht bleiben wird.

(Ministerin Svenja Schulze: Danke!)

Erinnern Sie sich noch, wie oft Sie in dieser Fragestunde „offener Dialogprozess“ als Universalantwort gegeben haben? 43-mal! 43-mal „offener Dialogprozess“ – null Mal eine Antwort. Was für eine Kommunikationskultur!

(Beifall von der FDP und Lutz Lienenkämper [CDU])

Aber jetzt ist endlich klar, wohin die Reise gehen wird. Es ist genau das, was wir befürchtet hatten. Vielleicht ist es noch schlimmer. Ihre Eckpunkte sind die Rückabwicklung der Hochschulfreiheit. Sie legen die Hochschulen rückwärtsgewandt wieder an die Ketten der staatlichen Kontrolle.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Damit gefährden Sie in Nordrhein-Westfalen die Freiheit von Wissenschaft und Forschung.

(Karl Schultheis [SPD]: Erzählen Sie das doch einmal den Bayern!)

Herr Schultheis, beim ersten Lesen war ich wirklich entsetzt, mit welcher Deutlichkeit und Vehemenz Sie da vorgehen. „Steuerung der Hochschulen“ ist Ihre Maxime. Das lässt keinen Zweifel aufkommen, dass ein massiver Eingriff geplant ist.

(Beifall von Karlheinz Busen [FDP])

Dann geht es weiter: „strategische Steuerung“, neue „Steuerungsinstrumente“, die „strategische Budgetierung“, die Bindung an die „ministerielle Interpretation“ von Rahmenvorgaben. Frau Schulze, da bleibt doch kein Zweifel an Ihrer Haltung. Da führt Ihr offener Dialogprozess diejenigen, mit denen Sie reden, in die staatliche Kontrolle zurück. Da kann Ihr Dialogprozess nicht ganz so offen gewesen sein.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Frau Ministerin, Sie haben das durchgesetzt. Sie diktieren das den Hochschulen. So ist das Verfahren. Oder wollen Sie uns wirklich erzählen, die Hochschulen hätten darum gebeten, endlich wieder an die Leine zu kommen?

(Heiterkeit von der FDP – Zuruf von Karl Schultheis [SPD])

Das ist natürlich völliger Quatsch. Die Hochschulen sagen uns auch, dass sie die Freiheit behalten wollen.

(Nadja Lüders [SPD]: Mit Freiheit muss man auch umgehen können!)

Ihre Formulierungen legen ganz klar offen, dass ein massiver Eingriff geplant ist. Es geht nicht um wohlüberlegte Änderungen einzelner Strukturen, sondern um Ihre Lust an der Steuerung. Ihre Eckpunkte sind gerade ein Dokument für den sogenannten Kontrollfetischismus.

(Karl Schultheis [SPD]: Au! Au! Au!)

Glauben Sie denn im Ernst, dass es eine gute Idee ist, dass der Staat den Hochschulen vorschreibt, welche Fächer sie anbieten? Sie haben Ihre Bank in Nordrhein-Westfalen vor die Wand gefahren, weil Sie geglaubt haben, der Staat sei der bessere Banker. Jetzt haben wir statt der guten WestLB eine Bad Bank und zahlen, zahlen, zahlen.

(Zuruf von Dennis Maelzer [SPD])

Da wollen Sie auch noch Wissenschaft betreiben? Glauben Sie wirklich, dass das gutgeht? Frau Ministerin, wir glauben das nicht. Die Hochschulen glauben das nicht. Die Experten glauben das nicht.

Wenn wir uns anschauen, wie unsere Hochschulen arbeiten, dann wird doch eines klar: Es geht gar nicht ums Glauben. Es ist belegt: Unsere Hochschulen leisten eine hervorragende Arbeit.

(Beifall von der FDP)

Frau Ministerin, Sie sagen das bei den aktuellen Debatten ja selbst immer wieder, Stichwort: Studierendenansturm. Immer wieder betonen Sie selbst, welch gute Arbeit unsere Hochschulen leisten.

Die Universitäten und Fachhochschulen profilieren sich mit exzellenter Forschung, mit guter Lehre, mit eigenen Schwerpunkten. Sie brauchen dafür keine Leinen und auch keine Leitplanken, wie Sie immer gesagt haben.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Um das klarzustellen: Leitplanken brauchen wir auf den Autobahnen für den Fall, dass ein Auto nicht die Spur hält. Aber unsere Hochschulen halten die Spur. Sie drohen auch nicht, in den Gegenverkehr zu geraten. Der einzige Gegenverkehr, den sie zu befürchten haben, ist Ihre Kontrollpolitik.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Frau Ministerin, Ihre Eckpunkte sollen ja nun weiter diskutiert werden. Und wie? Ich nehme an, in einem „offenen Dialogprozess“. Da bleibt die Hoffnung, dass noch ein wenig Spielraum besteht, Ihre massiven Einschränkungen zumindest abzumildern. Alles andere wäre für unsere Hochschulen eine Katastrophe. – Auf Wiederhören.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Dr. Seidl.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier heute eine sehr interessante Gemengelage. Auf der einen Seite fordern Sie, CDU und FDP, eine bedingungslose Hochschulfreiheit, ohne sich der Verantwortung für die große Hochschullandschaft in NordrheinWestfalen zu stellen. Auf der anderen Seite haben wir die Piraten, die alle Autonomieansätze eigentlich im Kern wieder zerschlagen wollen.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Nein! Falsch verstanden!)

Vor diesem Hintergrund ist es gut, dass Rot-Grün einen Mittelweg einschlagen will.