Meine Damen und Herren, wie wir gehört haben, sind auch in Nordrhein-Westfalen Armut und Ungleichverteilung gestiegen. Eines aber ist gut und erfreulich: dass sich die Landesregierung der Problemlage annimmt und nach konstruktiven und vernünftigen Lösungen sucht. Die Lösungsvorschläge zur Bekämpfung der Armut lauten:
Wir brauchen einen flächendeckenden und branchenübergreifenden gesetzlichen Mindestlohn. Nur so sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Lohndumping zu schützen.
Wir müssen, langfristig gesehen, dafür sorgen – das Bildungs- und Teilhabepaket ist dazu wenig geeignet –, in Deutschland eine Kindergrundsicherung zu bekommen, die den grundlegenden Bedarf regelt und damit den Kindern ein Existenzminimum gewährt. Sie sollte – da gibt es Berechnungen – 536 € im Monat betragen. Ich glaube, das ist ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt. Das machen uns die Arbeiterwohlfahrt, das Zukunftsforum Familie oder auch der Deutsche Kinderschutzbund vor. Ich meine, wir sollten sie gemeinsam unterstützen, damit dieses Ziel auf der langen Strecke auch erreicht wird.
Man muss heute festhalten, dass das gesamte Fördersystem der Familienpolitik intransparent, bürokratisch und in vielen Teilen sozial ungerecht ist. Deshalb reicht es nicht mehr aus, an einzelnen Schräubchen im System zu drehen, sondern wir müssen dafür sorgen, für die Kinder in unse
Meine Damen und Herren, als weiterer Baustein gegen Armut gilt für uns eine konsequente Bildungspolitik, die von Anfang an auf einen erfolgreichen Bildungsverlauf setzt: von der konsequenten Förderung im Elementarbereich bis hin zu einem gerechten Schulsystem mit längerem gemeinsamem Lernen. Bildungsinvestitionen sind die beste Armutsprävention.
Dazu gehört für mich allerdings auch, dass den Jugendlichen und Kindern in unserem Land nach einem erfolgreichen Schulabschluss eine ausreichende Zahl an Ausbildungsplätzen angeboten wird. Auch da müssen wir leider feststellen, dass wir, obwohl uns im Laufe des Jahres immer wieder andere Meldungen erreicht haben, ein Defizit haben. 100 Jugendlichen standen in diesem Jahr 70 Ausbildungsplätze gegenüber, die besetzt werden konnten.
Für mich passt es nicht zusammen, wenn wir auf der einen Seite Programme auflegen, um den Fachkräftemangel zu beheben, auf der anderen Seite die Wirtschaft aber nicht ihrer Verpflichtung nachkommt, ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.
Ich appelliere ganz dringend an die Wirtschaft, in diesem und im nächsten Jahr dafür zu sorgen, dass jeder Jugendliche in Nordrhein-Westfalen auch einen Ausbildungsplatz bekommt. Das ist unabdingbar.
Wir wissen auch, dass es bei uns nach wie vor eine Vielzahl von Minijobs gibt. Leider können die Minijobinhaber ihre Rechte als Arbeitnehmer nicht wahrnehmen. Sie werden nicht an Weiterbildung oder am beruflichen Fortkommen beteiligt. Auch arbeitsrechtliche Bestimmungen werden leider oft nicht eingehalten – ganz zu schweigen von den Stundenlöhnen, die nicht den Tarifen entsprechen. Damit wird gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz verstoßen. Gleichzeitig werden, wie wir wissen, häufig nur tatsächlich geleistete Arbeitsstunden bezahlt. Den Minijobinhabern werden Lohnfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen sowie bezahlter Urlaub vorenthalten.
Meine Damen und Herren, wir wissen, dass viele Menschen auf Minijobs angewiesen sind, um ihre schmale Rente aufzustocken. Aber wer in unserer Gesellschaft „Equal Pay“ will, wer dauerhaft Renten haben will, von denen man auch leben kann, der muss dafür sorgen, dass Minijobs in unserer Gesellschaft eingedämmt werden.
rechtes und armutsfestes Rentensystem. Lebenslange Arbeit soll sich im Alter lohnen. Langjährige Beitragszahlung in die gesetzliche Rentenversicherung muss zu einer Rente deutlich oberhalb der Grundsicherung führen, die alle Menschen im Alter erhalten können. Deswegen hat die SPD am vorigen Wochenende im Hinblick auf die Solidarrente beschlossen, dass die Rente für langjährig Versicherte nicht unter 850 € liegen soll.
Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was Frau von der Leyen mit der Zuschussrente vorhat, ist für mich nichts anderes als eine Beleidigung der Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, die in der Nachkriegszeit dafür gesorgt haben, dass unser Land aufgebaut wurde. Das ist nicht der Weg, den wir mitgehen wollen.
Darüber hinaus brauchen wir – Minister Guntram Schneider hat eben darauf hingewiesen – eine Wiedereinführung der Vermögensteuer, wie es unser Finanzminister im Sommer bereits angekündigt hat. Wir sind außerdem dafür, dass der Spitzensatz angehoben wird. Auf europäischer Ebene brauchen wir zudem eine Finanztransaktionssteuer.
All das kann man zügig umsetzen, wenn man nur will, meine Damen und Herren. Es gibt ja den bekannten Satz: Wer nicht will, findet Gründe, wer will, findet Wege. – Ich wäre sehr erfreut, wenn sich die Bundesregierung einmal an dieser Maxime orientieren würde.
Herr Minister Schneider hat eben darauf hingewiesen, dass wir alle mit großem Erstaunen vernommen haben, was in den letzten Tagen mit dem Bundessozialbericht passiert ist. Die schwarz-gelbe Koalition hat den Entwurf des 4. Armuts- und Reichtumsberichtes auf Betreiben der FDP deutlich – wenn man es schön formuliert – geglättet und damit für die Bundesregierung unliebsame Passagen gekürzt. Die immer weiter auseinander klaffende Schere zwischen Arm und Reich, der Zuwachs des Niedriglohnsektors und der Einkommensarmut sowie die Gefährdung des sozialen Friedens durch unterschiedliche Lohnentwicklungen werden durch diese Streichung schlichtweg negiert. Damit werden die Probleme vieler Menschen nicht anerkannt.
(Christian Lindner [FDP]: Das Motiv sollten Sie auch nennen! Das bezieht sich doch auf Ihre Politik!)
Meine Damen und Herren: Die Politik in NordrheinWestfalen unterscheidet sich ganz wesentlich von der Politik der Bundesregierung. Wir verschweigen die Probleme nicht, wir kennen sie.
Wir beschönigen die Probleme nicht, sondern packen sie an, Herr Lindner. Daran sollte sich die Bundesregierung mal ein Beispiel nehmen. So kann man im Sinne der Menschen Politik machen. Ich bin sicher, dass wir mit dem Handlungskonzept gegen Armut in dieser Legislaturperiode etwas für die Menschen, für die Kinder in Nordrhein-Westfalen tun. – Herzlichen Dank und Glück auf, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, wir sind noch bei Tagesordnungspunkt 1. Ich möchte nämlich zum Sozialbericht sprechen und nicht zu dem, was permanent am Sozialbericht vorbei gesagt worden ist.
Es gibt offenbar Strukturen, aus denen von Armut betroffene Menschen trotz staatlicher Hilfen aus eigener Kraft nicht mehr herauskommen. – Das ist die Kernaussage des Sozialberichts 2012. Diese Strukturen müssen aufgebrochen werden. Dazu ist konkretes Handeln erforderlich.
Caritas-Direktor Dr. Hensel hat deshalb anlässlich der Vorstellung des Sozialberichts 2012 eine bessere Vernetzung sozialer Infrastrukturen gefordert, statt mit immer neuen Modellen und Projekten Erfahrungen zu sammeln, die wir schon kennen. Hier ist die Landesregierung in der Pflicht.
Natürlich ist es Sache der Politik, eine Bewertung des Sozialberichts vorzunehmen und vor allem aufgrund der gewonnen Erkenntnisse Handlungsoptionen aufzuzeigen. Gerade hierin zeigt sich aber die Hilflosigkeit der Landesregierung bei der Bekämpfung von Armut. Ich habe kein Verständnis dafür, Herr Minister Schneider, dass Sie von den Feststellungen des Sozialberichts abzulenken versuchen, stattdessen Wahlkampf in Richtung Berlin machen
und im Übrigen glauben – wohl aus ideologischen Gründen –, prekäre Beschäftigung als Ursache für Armut ausfindig machen zu können.
Der Sozialbericht 2012 nennt andere Ursachen für Armut, nämlich die Arbeitslosigkeit, die geringe Qualifizierung und – man höre! – die Verschuldung öffentlicher Haushalte.
Konkrete Hilfen für von Armut Betroffene nennt der Minister nicht. Wieder einmal wird bestenfalls ein
nebulöses Programm gegen Armut, so beispielsweise „Bild“-online am 16. Oktober, in Aussicht gestellt. Dabei sind die Zahlen mehr als eindeutig und mahnen in der Tat, zu handeln. Das Armutsrisiko ist von 14,7 % in 2010 auf 15,8 % in 2011 gestiegen, wohlgemerkt: von 2010 auf 2011. Dramatisch sind die Entwicklungen in einzelnen Bevölkerungsgruppen, die ohnehin ein überdurchschnittliches Armutsrisiko aufweisen. Dieses stieg zum Beispiel bei Geringqualifizierten von 36,2 % im Jahr 2010 auf 39 % in 2011.
Dabei ist – darauf ist eben schon hingewiesen worden – die wirtschaftliche Entwicklung positiv. Die Bruttolöhne steigen. Der Arbeitsmarkt ist entspannt wie lange nicht mehr. Lag die Arbeitslosenquote in NRW im Oktober 2005 noch bei 11,8 % – als Steinbrück abgewählt worden ist, hatten wir über eine Million Arbeitslose und den niedrigsten Anteil an Frauenbeschäftigung in der ganzen Bundesrepublik Deutschland –,
Es wird nun darauf hingewiesen, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird. Das hat etwas – auch das hat der Minister eben gesagt – mit Relation, mit den Tücken der Statistik zu tun. Je besser die Lage, desto größer ist das Armutsrisiko. In der prosperierenden Stadt Stuttgart beispielsweise ist das Armutsrisiko größer als in Berlin. Es muss also ganz spezifische Gründe – darauf will ich hinaus – für Armut geben, und die sind erkennbar.
Wenn wir seriöse Politik zur Bekämpfung von Armut machen wollen, müssen wir konkret hinschauen und konkret handeln. Mit einem ideologischen Streit, mit einer großartig propagierten Umverteilung von Vermögen ist keiner betroffenen Familie geholfen.
Der Sozialbericht erfordert vielmehr eine breite sozialpolitische Diskussion. Das ist eine Querschnittsaufgabe, die durch alle Ausschüsse des Landtages gehen muss und in die die Sozialverbände selbstverständlich einbezogen werden müssen.
Der Sozialbericht zeigt, dass sich Armut in unserem Land verfestigt. Eine Studie des Allensbacher Instituts – die wurde in dieser Woche veröffentlicht – stellt fest: Die Mehrheit der aus einfachen Verhältnissen stammenden Deutschen unter 30 Jahren glaubt nicht, dass ein Aufstieg in eine höhere soziale Schicht möglich ist.
Der Schlüssel liegt also in der Bildung und in der Durchlässigkeit des Bildungssystems. Bildung muss besser werden und muss vor allem die Menschen erreichen. Es müssen Mechanismen geschaffen werden, damit kein Kind und kein Jugendlicher ver