Protokoll der Sitzung vom 14.12.2012

ist, um den Grunderwerb zu tätigen, weil die Kommunen in dem Bereich der Gesellschafter im Stärkungspakt stehen und die Unterstützung des Landes brauchen, um diese Entwicklung in ihrem Bereich möglich zu machen.

Wenn sie sie nicht erhalten, dann geht im Ruhrgebiet die Spirale nach unten weiter, weil Folgendes passieren wird: Schon heute müssen die Stärkungspaktkommunen im Ruhrgebiet ihren Bürgern die höchsten Abgaben abverlangen. Faktisch bedeutet das: Da, wo Brennpunkte sind, ist das Leben am teuersten. Wenn wir im Ruhrgebiet keine neue Arbeit anbieten können, dann wird das dazu führen, dass diese Spirale nach unten weitergeht. Dagegen kämpfen wir an, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn wir schon immer wieder über Nachhaltigkeit in der Politik reden, dann lassen Sie mich auch noch auf einen Faktor von Nachhaltigkeit verweisen. Wir haben im Ruhrgebiet eine flächendeckende Umweltzone, und alle haben sich dafür gelobt. Dies wird zur Folge haben, dass 35.000 Pkw-Besitzer, die zurzeit noch mit roter Plakette ihren Pkw bewegen, ihn auf Dauer nicht mehr bewegen werden können. Diesen Menschen muss ich in erreichbarer Nähe Arbeit schaffen. Denn wenn ich ihnen die Mobilität nehme, dann habe ich die verdammte Pflicht – ich nehme „verdammt“ zurück, Entschuldigung, Herr Präsident –, dann habe ich die wirkliche Pflicht, an dieser Stelle dafür zu sorgen, dass die Menschen im Ruhrgebiet mit dem ÖPNV in vertretbarem Zeitkorridor ihre Arbeitsplätze erreichen können.

Dafür muss es neue Arbeit im Ruhrgebiet geben können. Dafür brauchen wir am Rande des Ruhrgebiets diese Fläche newPark, weil wir Altflächen, wie schon ausgeführt, in der Dimension nicht mehr nutzbar machen können. Wer Industrie will, wer will, dass dieses Land industrieller Schwerpunkt bleibt, der muss im Ruhrgebiet Arbeit zulassen, der muss newPark wollen. Wir werden dafür kämpfen. Wenn der Wirtschaftsminister es will, stehen wir da an seiner Seite. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Hovenjürgen. Aber Sie dürfen natürlich selbstverständlich sich selbst verdammt in die Pflicht nehmen. Das ist ohne Probleme auch in diesem Parlament in freier Rede möglich. – Es spricht als nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Schneckenburger.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Ellerbrock, es war erstaunlich mo

derat, was Sie vorgetragen und wie Sie das vorgetragen haben.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Wieso erstaun- lich?)

Ja, es war wirklich erstaunlich. Man musste im Grunde genommen anderes befürchten.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Nein, es ist ein differenzierter Kollege!)

Herr Ellerbrock hat das ganz recht gemacht. Allerdings – das muss man doch sagen – endete es dann doch so, wie zu befürchten war, nämlich mit einem ideologischen Bekenntnis der FDP: Wir brauchen Flächen. Wir brauchen Neuansiedlungen. – Hierbei wird nicht berücksichtigt, wie die Realität tatsächlich ist, dass nämlich Neuansiedlungen, Ausweisungen von Gewerbeflächen an rechtliche Vorgaben gebunden sind.

Wenn wir ehrlich miteinander sind, dann muss man dazu sagen, dass die Auseinandersetzung,

(Ralf Witzel [FDP]: Sagen Sie doch ehrlich, dass Sie newPark gar nicht wollen!)

die Entwicklungsgeschichte von newPark genau von diesen rechtlichen Fragen begleitet und mit diesen rechtlichen Fragezeichen auch weiterhin versehen ist.

(Ralf Witzel [FDP]: Wollen Sie es, oder wollen Sie es nicht?)

Wie ist es denn wirklich? – Schauen wir einmal ganz kurz zurück. Die newPark-Fläche ist vor 35 Jahren im Landesentwicklungsplan für Großvorhaben ausgewiesen worden. Was ist zunächst gekommen? -Gekommen ist nichts.

Dann wurde die Fläche verkleinert. Es fand auch eine Anpassung der Rahmenbedingungen statt. Die Untergrenze für den Flächenbedarf ist auf 80 ha reduziert worden. Das war schon 1994. Vor diesem Hintergrund sind anschließend neue Pläne der Städte Datteln und Waltrop zur Realisierung von newPark entstanden. 2009 sind dann die Weichen gestellt worden. So lange ist diese Fläche bereits in der Planung und Überplanung – übrigens ohne dass das Großvorhaben, das dort ursprünglich angesiedelt werden sollte, realisiert worden wäre.

Jetzt kommen Sie und geben hier Bekenntnisse dazu ab, dass das Ruhrgebiet Arbeitsplätze braucht. Herr Hovenjürgen, da stimmen wir überein. Das Ruhrgebiet braucht in der Tat Arbeitsplätze. Das Ruhrgebiet braucht auch industrielle Arbeitsplätze und gewerbliche Arbeitsplätze. Das ist komplett richtig. Aber mit Bekenntnissen allein macht man keine Politik, Herr Hovenjürgen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Man muss auch sagen, wie es denn wirklich gehen kann und wie es rechtlich so sauber gehen soll, dass Sie nicht als Opposition eines Tages kritisie

ren: Warum hat der Wirtschaftsminister eine Bürgschaft für ein Projekt gegeben, bei dem die rechtlichen Voraussetzungen noch gar nicht geklärt waren? – Diese Frage würden Sie ja stellen.

Man springt wirklich zu kurz, wenn man sich hierhin stellt und erklärt, das bräuchten wir, aber dann nicht den Weg aufzeigen und sagen kann, wohin es gehen soll.

Es wird also schon seit Jahren über die Entwicklung dieser Fläche gesprochen. Es sind auch Gutachten in Auftrag gegeben worden. Man muss aber festhalten, dass die Risiken in Bezug auf die Entwicklung weiterhin vorhanden sind, Herr Hovenjürgen. Sie kommen doch aus der Region und müssten das auch wissen.

Beispielsweise müssten Sie wissen, dass ein Verfahren gegen den Bau der B474n anhängig ist. – Übrigens richtet sich dieses Verfahren gegen den ersten Teil der Planfeststellung. Der zweite Teil der Planfeststellung, der für die Erschließung der Fläche noch sehr viel wichtiger wäre, ist noch gar nicht erfolgt. – Darüber wird im Januar 2013 verhandelt. Der Ausgang des Verfahrens ist offen und unklar – wie das vor Gericht eben ist. Es ist noch nicht einmal klar, wann genau das Urteil vorliegen wird. – Das ist eines der Risiken bei dieser Entwicklung.

Es gibt weitere Risiken. So bestehen wirtschaftliche Risiken durch Verlagerungen von Ansiedlungen aus anderen Kommunen des Emscher-Lippe-Raums; auch dies muss man sorgfältig abwägen.

Außerdem steht man vor planungsrechtlichen Fragen. An der gerade schon angesprochenen FFHVerträglichkeitsanalyse kommt man auch nicht vorbei.

Letztendlich gibt es finanzielle Risiken; denn die beteiligten Kommunen können ihre Eigenanteile am Grundstückserwerb ohne eine entsprechende Bürgschaft des Landes nicht darstellen. Wie der Kollege Schmeltzer gerade gesagt hat, geht es hier um eine Bürgschaft von 17,5 Millionen €, die das Land übernehmen soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wir haben vorgestern hier eine Haushaltsdebatte geführt. Zu Recht haben alle Redner darauf hingewiesen – deswegen handeln wir auch entsprechend –, dass bei diesem Landeshaushalt ein hoher Konsolidierungsbedarf besteht und dass ab 2020 die Schuldenbremse gilt. Diese Landesregierung bemüht sich auch, genau das auf den Weg zu bringen. Gleichzeitig fordern Sie hier den Wirtschaftsminister auf, Bürgschaften für ein Entwicklungsvorhaben zu vergeben, bei dem die rechtlichen Voraussetzungen noch überhaupt nicht geklärt sind. Sie müssten uns erst einmal erklären, wie daraus eine konsistente Haushalts- und Finanzpolitik des Landes werden soll.

Es ist absolut sinnvoll und richtig, dass die Landesregierung sorgfältig prüft und damit die genannten Risiken vor dem Hintergrund der möglichen finanziellen Belastung durch die Übernahme einer Bürgschaft für den Grundstückserwerb in den Blick nimmt. Das kann man einer Landesregierung doch nicht ernsthaft vorwerfen! Wenn Sie ehrlich wären, würden Sie auch zugeben, dass Sie als Opposition die Ersten wären, die ein anderes Verfahren hier anprangern würden.

Über die wirtschaftspolitische Sinnhaftigkeit des Planungsvorhabens kann man vielleicht noch unterschiedlicher Meinung sein. Man kann der Landesregierung aber nicht vorwerfen, dass sie vor der Absicherung des Ankaufs dieser Fläche, die eine erhebliche Dimension hat, in einen sorgfältigen Abwägungsprozess über die Gesamtrisiken eintritt und auch noch abwartet, wie rechtliche Auseinandersetzungen verlaufen, die die ganze Planung zum Scheitern bringen können.

Lassen Sie mich nun noch etwas zur Gewerbeflächensituation im Ruhrgebiet insgesamt anmerken. Ja, das Ruhrgebiet hat perspektivisch auch Flächenbedarf. Es hat aber auch einen Flächenvorrat. Das ist anders, als Sie es eben dargestellt haben, Herr Hovenjürgen. Es gibt doch die entsprechende Analyse des RVR. Danach hat das Ruhrgebiet einen Flächenvorrat für gewerbliche Bauvorhaben von 2.721 ha. Das steht in der Studie der Wirtschaftsförderung im RVR, die Sie eigentlich kennen müssten.

Der Ehrlichkeit halber füge ich hinzu, dass davon 1.168 ha mit Restriktionen unterschiedlicher Art belegt sind. Tatsächlich sofort verfügbar sind damit 1.552 ha.

Es geht also nicht darum, dass kurzfristig ein Bedarf an Gewerbeflächen besteht. Vielmehr gibt es einen mittelfristigen und langfristigen Bedarf an Gewerbeflächen.

Herr Hovenjürgen, wenn man dann eine konsistente Politik, auch auf RVR-Ebene, machen will, muss man fragen: Gibt es Instrumente, um Flächen mit Restriktionen, also Brachflächen, beispielsweise Flächen mit einer Altenlastenproblematik, wieder verfügbar zu machen? Welche Instrumente brauchen wir dafür?

Schließlich haben wir ein gemeinsames Ziel – darauf hat sich auch Ihre ehemalige Landesregierung verpflichtet –, nämlich das 5-ha-Ziel. Es geht also darum, Flächen zu sparen und Flächen zu schonen. Deshalb müssen wir unter anderem Instrumente entwickeln, mit denen diese Altflächen wieder verfügbar gemacht werden können. Dazu will ich Sie gerne einladen. Das wäre der richtige Weg. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Schneckenburger. – Für die Piratenfraktion spricht nun Kollege Bayer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Zuschauer! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die noch da sind! Der Strukturwandel, demografische Effekte, kommunale Finanznot und ein großer struktureller Mangel an klassischen Jobs, der größer sein dürfte als in den Arbeitslosenstatistiken erkennbar, machen der gesamten Region nördlich der Ruhr schwer zu schaffen.

Die Wirtschaft der Region braucht neue Perspektiven, die auf alten Stärken aufbauen und langfristig für ein neues, stabiles Wirtschaftsprofil und für Arbeitsplätze sorgen.

Die Ansiedlung auch neuer Unternehmen ist dabei entscheidend. Vielfach werden es Spin-offs sein, die sich mit neuen Ideen unabhängig entwickeln wollen und dabei unterstützt werden sollten.

Mit viel Kreativität und Offenheit für Neues, das aus Bestehendem hervorgeht, wird die Region nördlich der Ruhr den Strukturwandel meistern, so hoffe ich doch – allerdings nicht mit einem ideenlosen, allein durch seine Größe überzeugenden und dafür gänzlich unerschlossenen Industriegebiet voller Luftschlösser. BWLer kennen zumindest das Modell der Analyse von Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken. Schon dabei hätte eigentlich etwas auffallen müssen.

Was soll das Spiel mit der Hoffnung auf 9.200 Arbeitsplätze, die übrigens selbst in der PrognosStudie erst für die Zeit nach 2030 erwartet werden? Mit viel Glück wird es Ansiedlungen geben, womöglich verlagert aus anderen Teilen der Region – aber in der gewünschten Qualität und mit dem gewünschten Arbeitsplatzangebot wohl eher nicht; denn was fehlt, sind die herausragenden Standortfaktoren, die überzeugen, sich dort anzusiedeln. Die Größe ist nicht einmalig, und ob es ein guter Standortfaktor ist, dass man sich nah am Naturschutzgebiet befindet, ist auch die Frage. Im Idealfall ziehen andere Unternehmen oder bestimmte Kompetenzen vor Ort.

Aber es gibt dort keine bestehenden Agglomerationen, keine vorhandenen Wertschöpfungsketten oder irgendwelche anderen Synergiemöglichkeiten. Nicht einmal die Infrastrukturanbindung ist gesichert, selbst die Bundesstraße nicht, übrigens als alleinige Zugangsmöglichkeit zu einem Green-TechnologiesStandort unwürdig. Herr Hovenjürgen, wie sollen denn die, die wegen der Umweltzone ihr Auto abschaffen mussten, zu diesen Arbeitsplätzen kommen? Aber auch ein Autobahnanschluss wäre keine Garantie für Erfolg – siehe den Logistikstandort Legden in der Nähe der A31, der nicht vollläuft.

Also: Was sind die Alleinstellungsmerkmale, die dafür sorgen, dass das Areal nicht bloß eine weitere

subventionierte Konkurrenz zu anderen Gewerbegebieten in der Region ist?

Ein Gewerbesteuererlass ist für mich ein Indikator dafür, dass es darum geht, mit der Nachbarschaft zu konkurrieren, und dass es keine besseren Argumente gibt. Allein die Größe kann als Argument herangezogen werden. Danach verlangen Logistikunternehmen, aber ausgerechnet die will man dort nicht anziehen. Alle anderen Unternehmen müssen von sich aus wachsen.

Wir stellen auch Ihre Antragsbegründung bezüglich Flächenverfügbarkeit infrage. Wir denken, dass es ausreichend Flächen in NRW gibt.

Bestehende Probleme leugnen wir dabei natürlich nicht. Viele Flächen müssen zunächst einem Flächenrecycling oder einer Nachverdichtung unterzogen werden. In den mit Schwermetallen oder Chemikalien belasteten Böden finden Sie die Auswirkungen sogenannter externer Effekte oder, um es zu übersetzen: Umweltverschmutzungen, für die keiner bezahlt und die deshalb keiner beseitigt hat.

Die Gesetzeslage verpflichtet uns, für jede Naturfläche, die in ein Industriegebiet verwandelt wird, einen Ausgleich zu schaffen. Das heißt, an anderer Stelle müssen neue Naturflächen ausgewiesen werden. Ihr Antrag sagt, es gebe zu wenig Wirtschaftsflächen in NRW. Mit einer neu anzulegenden Naturfläche würden potenzielle, bereits erschlossene, womöglich integrierte Räume für Industrie- und Gewerbeflächen an anderer Stelle jedoch nicht mehr zur Verfügung stehen. Im nördlichen Ruhrgebiet gibt es viele Brachflächen und ehemalige Montanflächen. Es müssten also ohnehin noch viele Großflächen und Böden recycelt werden. Eine bereits renaturierte Fläche in Teilen wieder in ein Industrie- oder Gewerbegebiet umzuwandeln – und umgekehrt –, macht überhaupt keinen Sinn.