Protokoll der Sitzung vom 05.06.2012

(Beifall von den PIRATEN)

Es sind viele Milliarden mehr. Sie haben ja in der Eckpunktevereinbarung eine Haftungskaskade eingebaut. Die ist schnell aufgebraucht. Dann wird das Land NRW mit allen Menschen, die hier leben, mit den Steuerzahlern im Hintergrund, dafür haften müssen.

(Geschäftsführende Ministerpräsidentin Han- nelore Kraft: Was ist denn die Alternative?)

Ich sage Ihnen das, Frau Kraft. Ich improvisiere gerne in meinen Reden, was Sie noch feststellen werden. Die Alternative wäre gewesen, damals, als Lehman pleite gegangen ist, die WestLB genauso einer geordneten Insolvenz zu unterziehen. Das haben wir als Piraten gefordert. Das hätte punktuell natürlich Kosten verursacht. So etwas verschweigen wir gar nicht. Aber das, was wir jetzt machen, immer neue Garantien auszusprechen und immer mehr Milliarden nachzuschieben und immer mehr toxische Wertpapiere herbeizuhebeln, führt dazu, dass uns das in diesen kommenden fünf Jahren bestimmt um die Ohren fliegt. Da können wir sicher sein. Wofür die Steuerzahler und Menschen in NRW dann haften, das wissen Sie selbst …

(Geschäftsführende Ministerpräsidentin Han- nelore Kraft: Dann wären die Sparkassen pleite gewesen!)

Ja, dann wären die Sparkassen pleite gewesen. Dann ist das so.

(Zurufe: Oh!)

Dann wären die Sparkassen pleite gegangen. Wir haben eine freie Marktwirtschaft. Man kann nicht immer nur Systemrelevanz herbeiführen. Die Menschen hier sind auch systemrelevant. Wir stehen für die Bürgerinnen und Bürger ein. Danke, Frau Kraft.

(Zuruf von geschäftsführender Ministerpräsi- dentin Hannelore Kraft)

Frau Kraft, ich rede jetzt. Frau Kraft, ich halte eine Rede. Vielen Dank für Ihre Zwischenrufe.

(Geschäftsführende Ministerpräsidentin Han- nelore Kraft: Wissen Sie, wem die Sparkas- sen gehören? – Geschäftsführender Minister Johannes Remmel: Der Schrecken der Spar- kassen!)

Natürlich, dann bin ich der Schrecken der Sparkassen. Wir haben eine Lobby – das sagen wir immer –, das sind die Bürgerinnen und Bürger.

(Unruhe – Weiterer Zuruf von geschäftsfüh- render Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Frau Kraft, ich bitte Sie.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Ruhe, damit der Redner seine Rede fortsetzen kann.

Vielen Dank. – Die Sparkassen, die jetzt so arg gebeutelt sind, können sich die Rosinen herauspicken, wie Herr Lindner das gesagt hat. Das sage ich ebenso.

(Geschäftsführende Ministerpräsidentin Han- nelore Kraft: Wem gehören die Sparkassen? Sie gehören den Kommunen, den Bürgerin- nen und Bürgern!)

Frau Kraft, darf ich meine Rede zu Ende bringen?

(Fortgesetzt Unruhe)

Jetzt hören Sie einmal auf. Das ist wirklich unwürdig in diesem Parlament, dass Sie ständig ins Wort fallen. Bitte sehr!

(Beifall von den PIRATEN und der CDU)

Ich drehe mich jetzt einmal zu meiner Fraktion.

Die Sparkassen picken sich die Rosinen heraus. Was wird geleistet? Es ist im Sinne der Steuerzahler schlecht verhandelt worden. Von den Sparkassen hätte zum Beispiel ein Beitrag zu der 1 Milliarde € gezahlt werden können. Es sind Aktiva von gut 45 Milliarden €, wenn ich recht informiert bin. In diesen Aktiva sind kaum Risikowertpapiere enthalten. Die Rosinen kriegen also die Sparkassen. Die Sparkassen leisten keine Gegenleistung. Herr Dr. Borjans, ich bin auch der Meinung, dass Sie ganz schlecht verhandelt haben und dass Sie dem Steuerzahler eine Last aufbürden, die nicht sein muss.

Die Service- und Portfoliomanagementbank, das Sahnehäubchen, ist doch nichts anderes als eine Auffanggesellschaft. Nennen wir es doch beim Namen. Es ist eine Auffanggesellschaft für die ehemaligen Angestellten, die teilweise hohe Topmanagergehälter verdienen. Was machen die da? – Die machen für die Erste Abwicklungsanstalt ein bisschen Dienstleistung. Dann wird das so schön offengehalten, möglicherweise auch für Dritte. Ich prognostiziere, diese Dritten wird es nicht geben. Sie werden in ihrer Arbeitszeit nicht ausgelastet werden können. Das führt letzten Endes dazu, dass sie dort vielleicht Däumchen drehen oder Toxisches-WertpapierQuartett spielen oder Ähnliches.

(Allgemeine Heiterkeit)

Und das kann nicht sein. Da haben Sie dem Steuerzahler eindeutig zu viel Lasten aufgebürdet.

Wir machen das transparent, und wir nennen das beim Namen – auch wenn es Ihnen nicht passt. – Danke sehr.

(Beifall von den PIRATEN und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Stein. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Börschel.

(Zuruf von der CDU: Jetzt spricht der Spar- kassenvertreter! – Weitere Zurufe)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass die CDU offensichtlich noch mit Leben erfüllt ist. Ich bin begeistert, dass Herr Laumann und Herr Laschet hier so intensiv zuhören.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es ist ja, wie wir nicht erst in der heutigen Debatte lernen, ein übliches Mittel der Politik, von eigenen Fehlern abzulenken, die eigene Unzulänglichkeit zu kaschieren, die eigene Zerrissenheit vergessen machen zu wollen, indem man laut und je nach charakterlicher Neigung auch unflätig den politischen Gegner angreift.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

An Ihrem Auftritt gemessen, Herr Kollege Laumann, muss es der CDU ziemlich schlecht gehen – das will ich deutlich sagen –; denn dieses Rumgeschreie von der Kraft-Lüge, von Täuschung, von Tarnung, von Tricksen steht doch in keinem Verhältnis zu dem, was Sie selbst sich bei diesem Thema an Verantwortung aufgeladen haben, und steht in keinem Verhältnis zu dem, wie diese Landesregierung jetzt seit über 20 Monaten versucht, das Schlimmste zu verhindern und das Beste aus der Situation zu machen. Ich finde, das müssten Sie hier auch goutieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Widerspruch von der CDU)

Ich würde gerne kurz etwas zu den Rednern aller vorangegangenen Fraktionen der Opposition sagen.

Herr Kollege Stein, ich habe Verständnis dafür, dass sich die Piraten noch in die Themen einarbeiten müssen und wollen. Das ist selbstverständlich.

(Zurufe von der CDU: Oberlehrer!)

Ich bin sehr froh, dass Sie angekündigt haben, das Gesprächsangebot des Finanzministers anzunehmen. Ich glaube, das ist der Sache angemessen. Ich finde es übrigens auch sehr erfrischend, wenn Rednerinnen und Redner hier im Rund improvisieren. Ich hätte allerdings eine herzliche Bitte. Wenn Improvisation dazu führt, sozusagen aus dem Ärmel geschüttelt über Abwicklung von Banken zu reden, davon zu reden, dass Sparkassen dann eben pleitegehen, davon zu reden, dass Menschen systemrelevant sind – das sind übrigens auch Beschäftigte, sowohl der WestLB wie der Sparkassen –, dann geht das zu weit.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie haben jetzt hier im Landtag Verantwortung übernommen. Zu dieser Verantwortung gehört es, rhetorisch zu brillieren, rhetorisch zu improvisieren – aber bitte in der Sache und nicht auf dem Rücken von Menschen, für die Sie hier angetreten sind. Das wäre meine ganz herzliche Bitte.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- rufe von der CDU: Oberlehrer!)

Herr Kollege Lindner, eigentlich hatte ich nicht vor, heute viel über die FDP zu sagen, weil wir in den vergangenen Monaten und Jahren leider miterleben mussten, dass sich die FDP beim Thema „WestLB“ in Fundamentalopposition zurückgezogen hat.

(Geschäftsführender Minister Johannes Rem- mel: Genau so war es!)

Das ist bedauerlich genug. Aber bemerkenswert ist doch, dass es noch keine sieben Jahre her ist – übrigens noch unter Ihrer persönlichen Beteiligung; da mussten Sie nicht bei 2005 aufhören –, als die Regierung Rüttgers im Jahr 2005 in den Koalitionsvertrag der sogenannten Koalition der Erneuerung – oder wie die hieß –, die ja mittlerweile ziemlich alt ist, hineingeschrieben hat, dass sie die WestLB unter Inkaufnahme und Nutzung aller Kapitalmarktinstrumente möglicherweise privatisieren will.

(Christian Lindner [FDP]: Hätte man besser gemacht!)

Das haben Sie in der Zeit der Regierung Rüttgers versucht. Sie haben immer gesagt: Jetzt wollen wir die Braut erst aufhübschen, übrigens mit Steuergeld.

(Christian Lindner [FDP]: Das war ein Origi- nalzitat!)

Na, hören Sie mal! War das Ihr Finanzminister, oder war er es nicht? Gut, wenn Sie sich jetzt vom Finanzminister Linssen der schwarz-gelben Regierung Rüttgers distanzieren wollen, nehme ich das zur Kenntnis. Das ist ja in Ordnung. Es war aber Ihre Regierung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)