Aber gerade bei Mehrfachtätern muss eine Verfahrenseinstellung die Ausnahme bleiben. Hier lassen sich die Ressourcen der Justiz zum Beispiel dadurch schonen, dass konsequent im beschleunigten Verfahren Anklage erhoben wird. Dadurch kann gewährleistet werden, dass gerade Wiederholungstäter kleinerer Delikte ihre gerechte Strafe erhalten.
In dem Zusammenhang ist es schon so, Herr Schulz, dass man Vorschläge machen kann, die nicht auf die Judikative zielen, sondern auf die Form der Anklageerhebung. Das fällt ganz klar in das Ressort des Ministers.
Das beschleunigte Verfahren fristet in NordrheinWestfalen immer noch ein Schattendasein. Es wird viel zu selten angewandt. Hier könnte in einem schnellen Verfahren in einer Vielzahl von Fällen ohne großen Aufwand für die Justiz ein verfassungsgemäßes Urteil gefällt werden. Damit würde man dem Anspruch der Opfer und auch der Polizeibeamten gerecht.
Nüchtern betrachtet gibt es sehr viel zu tun. Die vorgelegten Zahlen mit Ausnahme der Entwicklung bei den Jugendlichen enttäuschen. Sehen Sie sich die Kriminalitätsentwicklung im Bund an, schauen Sie sich die Entwicklung bei den Jugendlichen in Hessen an. Es geht besser. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Opposition will positive Entwicklungen nicht zur Kenntnis nehmen. Das ist das gute Recht der Opposition.
Herr Kollege Schulz, Sie haben gerade noch einmal sehr deutlich danach gefragt, was eigentlich der Anlass für diese Aktuelle Stunde ist. – Ich glaube, den Anlass kann man aus den Wortbeiträgen der Kollegen Kruse und Kamieth genau herauslesen. Sie haben nämlich die große Sorge, dass Sie die vermeintliche Kompetenz, die Ihnen die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land einmal im Bereich der Innen- und Rechtspolitik zugesprochen haben, auch verspielen und verlieren. Das ist der eigentliche Anlass für diese Aktuelle Stunde.
Sie müssen sich auch von mir zum wiederholten Male zwei Fragen stellen lassen. Sie sind gegen die steigende Zahl der Verfahrenserledigungen, und Sie beklagen, es erfolgten zu wenige Verurteilungen. Beim Kollegen Wedel habe ich erkannt, dass er sich noch ein bisschen auf sein juristisches Grundwissen verlässt und sich daran erinnert.
Die Kollegin Hanses hat das hier sehr pädagogisch mit Wiederholungen versucht. Ich will es auch noch einmal mit einer Wiederholung versuchen.
Soll die Antwort auf die von Ihnen gestellten Fragen sein, dass wir als Parlament oder gar der Justizminister Einfluss auf die Staatsanwaltschaften oder die Richterinnen und Richter in unserem Land nehmen? – Das kann, glaube ich, nicht die Antwort sein.
Herr Kamieth, Sie haben sehr ausführlich dargelegt, dass Ihnen die Zahl der Verfahrenseinstellungen deutlich zu hoch ist. Sie wünschen sich ein anderes Verfahren. Die Staatsanwaltschaften sollen weniger einstellen.
Da merkt man deutlich, dass Sie vermutlich wenig Strafverteidigung gemacht haben. Denn ein wichtiger Grund für Verfahrenseinstellungen – das werden Ihnen alle Kollegen, die in diesem Bereich tätig gewesen sind, bestätigen – ist zum Beispiel eine Wiedergutmachung gegenüber den Opfern. Dagegen können Sie doch eigentlich nichts haben. Wenn der Täter dem Opfer entgegenkommt und eine Wiedergutmachung ausspricht, dann ist die Verfahrenseinstellung wohl das richtige Mittel.
Zurück zum Grundsatz: Bei uns gilt das Legalitätsprinzip. Danach ist zunächst jeder Anzeige in unserem Land nachzugehen. Es gibt in anderen Ländern andere Beispiele. In den Niederlanden wird nur dort ermittelt, wo auch davon ausgegangen werden kann, dass es zu einer Verurteilung kommt.
Meine Damen und Herren, der Minister hat darauf hingewiesen, dass nach der Logik von CDU und FDP die Jahre von 2005 bis 2010 rechtspolitisch ebenfalls ein Desaster gewesen sein müssten, denn es gab einen stetigen Rückgang der Verurteiltenzahlen. Ich bin aber der Meinung, dass dies nichts aussagt. Aussagekräftiger ist vielmehr der Vergleich mit den Eingangszahlen, besonders den Belastungsanzeigen bei den Staatsanwaltschaften.
Herr Wedel, Sie haben angedeutet, dass es da ein Problem gibt. Dieses Problem haben wir erkannt. Insbesondere auf die hohe Belastung der Amtsanwälte haben wir reagiert und bereits in den Haushalten 2011 und 2012 insgesamt eine Verstärkung um 50 Bedienstete beschlossen. Davon konnten 30 bereits ihre Ausbildung beginnen. Das ist die richtige politische Schlussfolgerung. Da hätten Sie zustimmen können.
Meine Damen und Herren, wenn die Kollegen von CDU und FDP schon dieses Thema auf die Tagesordnung setzen, dann müssen sie auch ertragen, dass wir hier die positiven Effekte erwähnen und unterstreichen.
Herr Kollege Kruse, die innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen ist entgegen dem von Ihnen gemalten Bild nicht gefährdet. Die Zahl der verurteilten In
tensivtäter – das hat der Minister hier sehr deutlich gesagt – geht zurück, insbesondere die Verurteiltenzahl – das ist ein ganz wichtiges Signal – der gewaltbereiten Jugendlichen. In diesem Fall stimmt auch der Rückgang in der Kriminalstatistik mit der Statistik der Verurteilungen überein. In anderen Fällen gehen diese beiden Statistiken deutlich auseinander. Das hat etwas mit Logik zu tun, der Sie sich leider, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, verschließen. Sie wollen hier Äpfel mit Birnen vergleichen.
Der Justizminister hat die Verurteiltenzahlen genannt, und die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt an, wie viele Anzeigen eingegangen sind. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum sich das Anzeigeverhalten verändert. Es gibt unterschiedliche Deliktstrukturen. Es gibt Kontrolldelikte. Wenn man dort stärker kontrolliert, dann steigen natürlich in diesem Bereich auch die Anzeigenzahlen.
Ich denke, mein Kollege, der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, kann Ihnen das noch einmal sehr ausführlich erklären, falls Sie im Sinne der Wiederholung, die Frau Hanses schon ansprach, noch ein bisschen Beratung brauchen.
Dann beginnen Sie, die Zahlen von NordrheinWestfalen mit denen aus anderen Bundesländern zu vergleichen. – Auch das ist schwierig. Sie müssen zur Kenntnis nehmen: Nordrhein-Westfalen ist ein Ballungsraum. Fast die Hälfte aller großen Städte liegt in unserem Land. Was Sie, Herr Kamieth, hier vorgetragen haben – erlauben Sie mir das –, ist eher eine alte Leier, durch die Sie immer wieder versuchen, durch diese Vergleiche die Arbeit in Nordrhein-Westfalen zu diskreditieren. Das wird Ihnen nicht gelingen.
Diese positive Entwicklung gerade bei den jugendlichen Tätern ist aber nicht vom Himmel gefallen. Zwei Projekte sind hier schon mehrfach bemüht worden, zum einen das „Haus des Jugendrechts“ und zum anderen das Projekt „Staatsanwalt für den Ort“. Klar, Sie haben darauf hingewiesen: eine Idee der schwarz-gelben Regierung. Aber es gab dazu auch einen breiten politischen Konsens. Das haben Sie hier unterschlagen.
Diese Modellprojekte, die aus der Modellphase hinausgewachsen sind, nun auf das ganze Land auszuweiten, das hat Justizminister Kutschaty getan. „Staatsanwälte für den Ort“ sind nun das Regelmodell für alle Staatsanwaltschaften in NordrheinWestfalen. Es macht Sinn, denn die Staatsanwälte und Jugendrichter kennen die häufig auffallenden Jugendlichen und wissen daher auch, welche Maßnahmen ganz konkret zu ergreifen sind. Ich will hier einmal das Schiller-Wort aus „Wallenstein“ „Ich kenne meine Pappenheimer.“ anführen.
Aber es gibt auch einen dritten Ansatz. Wir diskutieren im Rechtsausschuss schon lange darüber: das Jugendarrestvollzugsgesetz. Ich glaube, der erzie
herische Umgang mit jungen Delinquenten ist genau der richtige Ansatz. Dafür braucht die rot-grüne Landesregierung, wie es in einem Zeitungskommentar sehr treffend beschrieben wurde, einen langen Atem. Den langen Atem haben wir.
Der Präventionsansatz der rot-grünen Landesregierung zeigt Wirkung. Wir müssen jungen Menschen berufliche Perspektive schaffen; wir müssen prekäre Arbeitsverhältnisse zurückdrängen. Dann kommen immer weniger junge Menschen auf die schiefe Bahn. Das ist ein nachhaltiger Ansatz, der nichts mit Sozialromantik zu tun hat, sondern – ganz bescheiden – aus der Tradition der Sozialdemokratie stammt, der sich 150 Jahre lang bewährt hat und auch weiterhin bewähren wird. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man hat jetzt einige Zeit zuhören können. Ich möchte deswegen auf das eine oder andere eingehen, was die Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen heute hier gesagt haben.
Herr Ganzke hat zu Beginn gefragt: Warum diskutieren wir heute? – Herr Ganzke, ich kann es Ihnen beantworten: weil bei den Menschen eine Betroffenheit herrscht, die Sie anscheinend nicht kennen.
Wir lassen nicht durch Überschriften Sorgen entstehen, sondern die Menschen haben in der Realität Sorgen, und dieser Sorgen muss sich die Politik annehmen, meine Damen und Herren.
Wenn man Opfer eines Einbruchs ist und danach tagsüber beim Verlassen des Hauses immer die Rollladen herunterlässt, wenn man meint, man müsse nun immer den Strom anschalten und Energie verbrauchen, damit die Menschen draußen denken, es sei jemand im Haus, wenn die Menschen anfangen, ihre Wertsachen mitzuschleppen anstatt sie zu Hause zu lassen, dann müssen doch auch Sie erkennen, dass hier in Nordrhein-Westfalen in der Kriminalitätsbekämpfung etwas falsch läuft.
Sie interpretieren auch die Zahlen falsch. Die Zahl der Einbrüche, der Diebstähle, der Raubdelikte ist hoch. Da kann man doch nicht aus der geringen Anzahl der Gewaltdelikte schlussfolgern, alles wäre gut. Nein, die Wahrscheinlichkeit, Opfer nicht eines Gewaltdelikts, sondern eines anderen Delikts zu werden, ist in Ihrer Regierungszeit enorm gestiegen.
Frau Hanses, Sie erklären Wiederholung zu einem wichtigen Lernprinzip. – Wenn das so ist, dann – denke ich – werden wir in Zukunft immer wieder diese Themen ins Plenum einbringen, damit Sie endlich lernen, dass Sie da etwas tun müssen, meine Damen und Herren.
Ich bedauere nicht, wenn Verfahren durch die Gerichte eingestellt werden. Aber entscheidend ist doch: Was gelangt eigentlich von der Polizei bis zu den Staatsanwaltschaften und bis zu den Gerichten? – In Düsseldorf sind die Einbrüche 2011 im Vergleich zu 2010 um 27 % gestiegen. Das ist eine ziemlich große Zahl, nicht nur für Liberale. Die Aufklärung liegt nur noch bei 9,7 %.
Meine Damen und Herren, wer in Düsseldorf Opfer eines Einbruchs wird, weiß vorher schon, dass er a) seine Sachen höchstwahrscheinlich nicht wiederbekommt und b) der Täter nie zur Rechenschaft gezogen wird. Das ist Realität, und das ist nicht nur Statistik, sondern die Menschen sind persönlich davon betroffen.
In Ihrer Zeit sind durch Ihre präventive Politik nur zwei Dinge gestiegen: die Schulden und die Straftaten.
Herr Schulz, wenn Sie Statistiken als nichts anderes als nur Nebelkerzen bezeichnen, dann – glaube ich – haben Sie sich nicht die Arbeit gemacht, sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen. Sie werden damit der Betroffenheit der Menschen nicht gerecht.
Wenn man über die Gründe nachdenkt, weshalb die Aufklärungsquoten wohl so stark sinken, dann ist ein Grund sicherlich, dass nicht konsequent nach dem Verbleib des Diebesguts geschaut wird, Herr Minister Jäger. Die Aufklärungsquoten könnten steigen, wenn man sich damit auseinandersetzen würde, wo die Ware „vertickt“ wird. Aus meinem Bekanntenkreis habe ich gehört, dass die Versicherung einem Einbruchsopfer geraten hat, seine Uhr doch bei ebay zu ersteigern, denn dann könnte die Versicherung wenigstens versuchen, an den Täter zu heranzukommen. Die Polizei kümmerte sich nicht darum.