Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Europahaushalt, relativ klein in der Summe, ist ebenso wie Europa hinsichtlich der Bedeutung nicht zu unterschätzen. Ich habe es gestern Abend schon gesagt: Europa ist mehr als ein einheitlicher Finanztransaktionsraum. Europa ist eine Wertegemeinschaft.

Jeder Haushaltseuro, den wir in die Beziehungen mit unseren Nachbarländern geben, ist ein gut angelegter Euro; denn die wechselseitige Kommunikation, das wechselseitige Verständnis und das Kennen der Positionen der anderen sind sehr wichtig. Deshalb möchte ich bei aller Kritik im Einzelnen, auf die ich noch kommen werde, ausdrücklich Kapitel 02 030 – Europa –, Verbesserung der Europafähigkeit des Landes, von der Kritik ausnehmen. Es ist gut, was da gemacht wird. Das führen Sie fort. Darüber braucht man nicht zu reden, das ist in Ordnung.

(Beifall von der FDP und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben als FDP die Leitlinie, dass wir die Erfüllung von Wünschen nicht kreditfinanzieren wollen. Gerade bei sprudelnden Steuerquellen müssen wir mit dem vorhandenen Finanzpotenzial auskommen. Insofern gibt es doch einzelne Positionen – durchaus auch in anderer Wertung als beim Kollegen Jostmeier –, bei denen wir fragen: Ist es richtig, dass wir das Geld hierfür ausgeben?

Kollege Töns, die Leitlinie, weniger könne manchmal mehr sein, weniger könne sogar zu mehr Effizienz führen, teile ich ausdrücklich. Vielleicht werden Sie den Gedanken, die wir gleich vortragen werden, folgen können.

Es ist im Haushalt auch gelungen, die Auslandsprojekte zurückzufahren. Wir begrüßen das, wobei wir nicht unbedingt immer wissen, welcher Ursachenzusammenhang zwischen dieser Strategie und der Kürzung der Ansätze bei den Titeln besteht. Dar

über werden wir im Ausschuss sicherlich noch reden können. Ich bin gespannt auf die Aussagen dazu.

Der Titel für die EU-Auslandsbeziehungen des Landes wurde 2011 hochgefahren und 2012 auf hohem Niveau belassen. Diese Mittel dienen dazu, dass man Beziehungspflege mit regelmäßigen Konferenzen und Workshops betreibt; das hört sich ja gut an. Man kann das vom Inhalt her auch etwas flapsiger sagen, heiße Luft oder nichts Substanzielles, Genaues weiß man nicht. Denn die Mitteilungen darüber, was aus diesen Workshops und diesen Konferenzen herausgekommen ist, sind manchmal wohl sehr beredt, jedoch vom Inhalt, den man suchen muss, sehr mager.

Dann gibt es den Titel kommunale Entwicklungszusammenarbeit mit nur 270.000 €. Das hört sich ja alles gut an. Wer die Haushaltssituation der Kommunen kennt, weiß doch, dass schon die bestehenden Städtepartnerschaften, die bestehenden Beziehungen, ausgesprochen schwer zu finanzieren sind.

Man muss sogar leider sagen: Je mehr Städtepartnerschaften, desto weniger Inhalt. Denn man unterschreibt einmal die Urkunde, besucht sich wechselseitig und versichert sich des guten Willens. Damit hat es sich dann. Da ist weniger, Kollege Töns, wirklich mehr. Auch diesen Titel sollten wir zugunsten anderer Dinge streichen, auf einem bestimmten Niveau bleiben und nicht goldene Verlockungen schaffen. Wir sollten froh sein, die bestehenden Städtepartnerschaften durchzubringen.

Eine gänzlich andere Meinung als Sie, Kollege Töns, habe ich zu den Koordinatoren der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit. Das ist eine Nummer! Es heißt: Die Koordinatoren geben Anstöße für global verantwortliches vernetztes Denken und Handeln. Sie thematisieren die Fragen der Entwicklungszusammenarbeit in der Öffentlichkeit, interessieren für eine weltoffene Gesellschaft und aktivieren ein Eine-Welt-Engagement. – Wer könnte dem widersprechen? Keiner. Das ist alles gut gemeint: Der Mensch ist hilfreich, gut und edel. Heraus kommt nichts.

Sehen wir uns die Zahlen an. Wir geben für 24 Koordinatoren eine knappe Million Euro aus. Dividiert man durch 24, ergibt das einen Zuschuss von 37.000 € pro Koordinator. Das sind 3.000 € im Monat. Dafür muss Mutter lange stricken und ein Familienvater lange arbeiten. Das wird hier zusätzlich reingeblasen.

Was ist das Ergebnis? Eine Ansammlung von Gutmenschen ohne Realitätsbezug, auf Alimentierung angewiesen, verbrät dieses Geld.

(Widerspruch von der SPD und von den GRÜNEN)

Sie, Frau Asch, mögen dazu eine andere Darstellung vorbringen. Sie mögen dazu eine andere Mei

nung haben. Meine Liberalität zielt darauf ab, dass ich mir das auch anhöre. Ich halte aber von dieser Brüllerei nichts.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Herr Kollege, das ist Ihre Art der Diskussion. Auf dieses intellektuelle Niveau möchte ich mich gar nicht begeben. Da haben wir schon andere Inhaltsansprüche. – Schönen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Asch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Zunächst einmal zum Kapitel „Europa“ dieses Haushaltes. Der Europa-Haushalt ist jetzt sogar von der Opposition gelobt worden. Recht so! Er setzt die richtigen Schwerpunkte, und er stellt für unsere Partnerinnen und Partner sowie für die Arbeit der Landesvertretung in Brüssel eine stabile Finanzstruktur dar.

Uns ist es wichtig – so steht es auch im Koalitionsvertrag –, dass die Kommunen in ihren Europaaktivitäten gestärkt werden. Dafür steht das Leitprogramm zur Förderung der Europaaktivitäten der Kommunen. Wir wollen damit sicherstellen, dass die Kommunen stärker in die Lage versetzt werden, sich an europäischen Förderprogrammen zu beteiligen, ihre Interessen besser in europäische Entscheidungsprozesse einzubringen und ihre Bürgerinnen und Bürger in dem notwendigen Engagement für das Projekt „Europa“ noch besser unterstützen zu können.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Mit dem Eine-Welt-Haushalt wird deutlich, meine Damen und Herren: Wir als Land NordrheinWestfalen übernehmen globale Verantwortung. Das heißt, wir richten – vielleicht hören Sie gut zu, Herr Ellerbrock – unsere Politik in dem Bewusstsein aus, dass es unser Lebensstil, unsere Art zu wirtschaften, unsere westliche Überflussgesellschaft und unser Hunger nach Energie sind, die ganz direkte Auswirkungen auf das Leben der Menschen im globalen Süden – das heißt, auf das Leben der armen Länder – haben. Im Sinne dieser globalen Solidarität richten wir unsere Eine-Welt-Politik aus.

Ein Meilenstein dieser Politik ist die neue Eine-WeltStrategie der Landesregierung, die die sehr dünnen entwicklungspolitischen Leitlinien von Schwarz-Gelb ablöst. Damit kommen wir in Nordrhein-Westfalen in der Eine-Welt-Politik einen großen Schritt voran. Eine ganz wesentliche Markierung dieser Eine-WeltStrategie ist, dass wir globale Verantwortung als Querschnittsaufgabe – über alle Politikfelder, über alle Ressorts dieser Landesregierung hinweg – de

finieren. Wir berücksichtigen sie damit in allen Politikbereichen.

Es werden sechs Handlungsfelder in der Eine-WeltStrategie definiert. Ich will sie jetzt hier nicht alle nennen. Sie entsprechen aber den dringlichsten Handlungsnotwendigkeiten sowie unseren Kompetenzen, die wir in Entwicklungspartnerschaften an unsere Partnerländer weitergeben möchten.

Ich möchte zwei exemplarisch herausgreifen. Das eine ist die Klimapolitik. Hier haben wir als Land Nordrhein-Westfalen besondere Kompetenzen im Bereich der regenerativen Energien. Es ist besonders wichtig, da einen Know-how-Transfer zu den Partnerländern zu leisten; denn wir wissen, dass vor allem die armen Länder des Südens besonders vom Klimawandel – von Überschwemmungen und großen Dürreperioden – betroffen sind: Dafür haben wir eine ganz besondere Verantwortung.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich komme zu dem, worüber sich die FDP-Fraktion hier schon seit Jahren – das hat sie übrigens schon in der schwarz-gelben Koalition getan – aufregt, nämlich zur entwicklungspolitische Bildungsarbeit sowie zur Zusammenarbeit und Stärkung der Strukturen vor Ort. Herr Ellerbrock, ich würde Ihnen empfehlen, hier nicht nur theoretisch über diesen Bereich zu reden und ihn – das machen Sie mit ihrer despektierlichen Wortwahl – herabzuwürdigen. Das Wort „Gutmenschen“ ist zu Recht zu einem der Unworte der letzten Jahre erklärt worden. Es ist despektierlich, wie Sie hier über großes, zumeist ehrenamtliches Engagement vieler, vieler Menschen – das sind Tausende – hier in Nordrhein-Westfalen sprechen.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

Das, was Sie hier so kritisieren, bedeutet, dass diese ehrenamtliche Struktur gestärkt und vernetzt wird. Es wird damit versucht, diese ehrenamtliche Arbeit effektiver zu machen und ein Stück weit zu professionalisieren. Da ist Ignoranz Ihrerseits. Ich möchte Ihnen empfehlen, dass Sie sich vor Ort ansehen, was in diesen Initiativen geleistet wird. Schauen Sie sich an, was die vielen Kirchengemeinden, Initiativen vor Ort und Schulen in Bezug auf Partnerschaften leisten. Wenn Sie das machen würden, würden Sie aufhören, hier derart herabwürdigend über diesen Bereich zu sprechen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir sind froh, dass wir das, was es an Kürzungen in diesem Bereich gab – insgesamt hat Schwarz-Gelb 2 Millionen € herausgekürzt –, zum Teil wieder kompensieren konnten.

Wir, Rot-Grün, haben – Werner Jostmeier hat das vorhin kritisiert – die Kürzungen, die CDU und FDP übrigens auch bei der Unterstützung der Projekte vorgenommen hatten, wieder zurückgenommen. Ich

kann überhaupt nicht verstehen, lieber Werner, wie du hier hingehen, einfordern und reklamieren kannst, dass die Projekte nicht genügend finanziert werden. Wir haben das zurückgenommen, was genau in diesem Bereich von Schwarz-Gelb an unverantwortlichen Kürzungen vorgenommen wurde.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Redezeit.

Wie wichtig gerade die Partnerschaften in Mpumalanga und Ghana sind, die wir fortführen wollen, haben wir bei unserer Reise gesehen, an der alle Fraktionen beteiligt waren. Ich bin sehr froh, dass die Landesregierung bzw. die zuständige Ministerin, Frau Schwall-Düren, diese Partnerschaft mit Mpumalanga fortführen wird.

Die Redezeit!

Wir zeigen mit dem EineWelt-Haushalt, dass Gerechtigkeit für uns nicht nur hier im Land ein zentrales Thema ist, sondern dass zur rot-grünen Agenda ebenso die globale Gerechtigkeit gehört. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Asch. – Für die Piraten spricht Herr Kollege Kern.

Danke schön. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Kaum drei Monate nach den letzten Haushaltsdebatten diskutieren wir heute erneut über die Haushaltsmittel für Europa und die internationale Zusammenarbeit. Was damals galt, gilt für uns Piraten auch heute: Die Überwindung der europäischen Krise kann nur in einer Rückbesinnung auf die Belange der Bürger in Europa liegen.

(Beifall von den PIRATEN)

Europa muss in den Regionen nah am Bürger und direktdemokratisch stattfinden. Nordrhein-Westfalen muss hier den richtigen Kurs setzen und voranschreiten. Auf die konkrete und zielstrebige Umsetzung dieses Kurses warten wir allerdings noch heute, Frau Ministerin. Seitens der Landesregierung hat sich in diesem Bereich in den letzten Monaten eigentlich nichts getan, sieht man vielleicht von der verspäteten Vorstellung der neuen Eine-WeltStrategie ab, einem leicht einschläfernden Papier mit vielen Allgemeinplätzen zur internationalen Zusammenarbeit.

Quintessenz: Die Landesregierung will ihrer Vorreiterrolle im Rahmen der globalen Verantwortung gerecht werden. Aber genau in diesem Bereich wird nun ein erheblicher Teil der schon bescheidenen Mittel gekürzt. Internationale Vorreiterrolle und Minimalbudget, wie passt das zusammen? Man bedenke, wir reden hier von Haushaltseinsparungen im Promillebereich, die aber NRW international viel Ansehen kosten können.

Im Bereich „Europa“ des Einzelplan 02 will die Landesregierung die Mittel zur Förderung der Europafähigkeit der Kommunen erhöhen. Dies begrüßen wir Piraten ausdrücklich. Die Landesregierung begründet den Zuwachs mit der steigenden Anzahl von Projektanträgen aus den Kommunen. Entscheidend ist aber nicht das reine Fördervolumen, sondern die Qualität der geförderten Projekte. Hier muss die Landesregierung nun auch Fakten auf den Tisch legen.

Dennoch: Wir Piraten bewerten den Haushaltsansatz für den Bereich Europa insgesamt als gelungen. Als größte Wirtschaftsregion innerhalb der Europäischen Union darf Nordrhein-Westfalen die Einflussmöglichkeiten auf Brüssel in der Tat nicht reduzieren. Entscheidend sind aus unserer Sicht aber die Teilhabe und das daraus erwachsene Verständnis der Bürgerinnen und Bürger an den europäischen Prozessen. Zum Beispiel muss die Arbeit des Ausschusses der Regionen hier transparenter gestaltet und stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir Piraten bleiben dabei: Die europa- und entwicklungspolitische Grundausrichtung der Landesregierung ist begrüßenswert. Wir werden sie an der Qualität ihrer Politik und nicht an der Höhe der ausgegebenen Haushaltsmittel messen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.