Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

Die Landesregierung wollte sehr gerne die Unterrichtung vornehmen und hat sie angemeldet.

(Ralf Witzel [FDP]: Aber auch an dieser Stelle vor den so wichtigen Haushaltsberatun- gen? – Zuruf von Ingola Schmitz [FDP])

Die Unterrichtungen haben in der Regel hier an erster Stelle stattgefunden. Trotzdem ist es abschließend eine Entscheidung des Ältestenrates, verehrter Herr Kollege Witzel.

(Anhaltend Zurufe von der FDP)

Der Chef der Staatskanzlei meldet es an; das ist doch üblich. Ich kann mich an viele Unterrichtungen der Regierung Rüttgers erinnern, die wann auch immer stattgefunden haben; ich habe an der Sitzung des Ältestenrats nicht teilgenommen.

(Zuruf von der CDU: Das war die Einlassung der Kollegin Schmitz!)

Ja, gut. – Ich komme zur Sache zurück. Ich halte es für richtig, dass die vierte Säule der Bildungspolitik in diesem Hohen Hause angemessen diskutiert wird.

Was die administrativen Fragen angeht, sollten wir sehr schnell Klarheit schaffen, wann was wie von den Empfehlungen umgesetzt werden soll, welche Beiräte es geben soll und wie sie administrativ angebunden werden sollen, damit wir dann in die fachliche Arbeit einsteigen können.

Was das Berichtswesen betrifft, liegt auch der Regierung – das ist völlig selbstverständlich – an einem schlanken Berichtswesen, das einem Zweck folgt: der Rechenschaftslegung über die Arbeit der Einrichtungen und über die Verwendung der Mittel.

Zum Geld: Ich sehe es als meine Pflicht an, hier keine Illusionen zu wecken, was alles an zusätzlichen Möglichkeiten im Zuge der Haushaltsberatungen noch drin wäre. Ich habe eben schon darauf hingewiesen, dass wir, SPD und Grüne und die Regierung, eine Kürzung zurückgenommen haben. Dies ist jetzt in der Tat der finanzielle Rahmen, der die Grundlage für die weitere Arbeit in dieser Legislaturperiode bildet.

Herr Kaiser, an einem Punkt habe ich natürlich Probleme. Sie möchten, dass die Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds hier weiterhin in kompletter Höhe zur Verfügung stehen und die Träger so viel Geld bekommen wie vorher. – Das ist allerdings, wenn die Bundeskanzlerin in Europa eine Verknappung dieser Mittel vorsieht, wenn also der Kuchen kleiner wird, schwierig. Diese Verknappung haben die Kanzlerin und damit auch Ihre Partei maßgeblich mit auf den Weg gebracht. Dann aber

müssen Sie bitte auch mit Ihren Europa

Abgeordneten darauf hinwirken, dass die Mittel angehoben werden, damit wir in gleicher Weise davon für unsere Politik partizipieren können.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich fand es interessant, dass Sie das gesagt haben. Es geht ja allerdings nur eines, nicht wahr?

Dann möchte ich noch einmal auf zwei zentrale inhaltliche Fragen zu sprechen kommen.

Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kaiser zu?

Gerne.

Herr Kollege Kaiser, bitte schön.

Frau Ministerin Löhrmann, ich habe jetzt diese Wahlkampfpassage zur Kenntnis genommen. – Erinnern Sie sich daran, dass die Reservierung der ESF-Mittel für die WBG-geförderte Weiterbildung aus anderen Ressorts zugeschnitten worden ist und damit eine Prioritätensetzung der Regierung Rüttgers war? Genau diese Prioritätensetzung hat auch weiterhin stattzufinden. Teilen Sie meine Meinung?

Frau Ministerin, bitte schön.

Ich teile die Auffassung, dass die verschieden Regierungen großen Wert darauf gelegt haben, hier etwas für die Weiterbildung zu reservieren; das ist völlig richtig. Das ist ja auch über längere Zeit fortgeschrieben worden.

Ganz unschuldig sind Sie von CDU und FDP in der Frage der Höhe der Mittel auch nicht; darauf habe ich ja schon in der Konferenz hingewiesen. Aber entscheidend ist und bleibt trotzdem Folgendes, lieber Herr Kaiser:

Im Moment wird ausgehandelt, wie viel Geld in den europäischen Fonds für die Mitgliedstaaten zur Verfügung steht. Wenn diese Mittel weniger werden, dann wird natürlich die Rechnung nicht aufgehen können, dass alle ihr Stück vom Kuchen behalten werden. Wenn der Kuchen kleiner wird, werden die Stücke kleiner, es sei denn, man schafft jetzt noch mit vereinter Kraft eine Ausweitung des bisher vorgesehenen Rahmens. Wenn wir mehr Mittel für dieses Feld auch für Nordrhein-Westfalen wollen, dann ist unser Partner dafür das EU-Parlament. Das hat

mit Wahlkampf nichts zu tun, sondern mit der nackten Not, da wir einen Ausfall europäischer Gelder als Land nicht werden kompensieren können. Diese Illusion habe ich jedenfalls nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Jetzt komme ich noch einmal auf die Zielsetzungen zu sprechen. – Wie bei allen bildungspolitischen Themen ähnlich geht auch bei der Weiterbildung die Arbeit – in diesem Falle der Weiterbildungskonferenz – über die Bildungsfrage hinaus. Vielmehr stecken in diesem Themenfeld auch eine sozialpolitische Frage, eine wirtschaftspolitische Frage sowie integrations- und inklusionspolitische Fragen. Zudem müssen wir wegkommen von einer defizitorientierten Herangehensweise und uns einer potenzialorientierten Herangehensweise zuwenden. Wenn wir die Zielgruppen von Menschen, die bis heute nicht in der Lage sind, gleichberechtigt an der Gesellschaft teilzuhaben, weiter erschließen wollen, dann müssen wir versuchen, diese Teilhabe besser umzusetzen; dies haben alle Kolleginnen und Kollegen gesagt. Es gibt es keinen Königsweg für die Weiterbildung, um einen niedrigschwelligen Zugang zu den bildungsfernen Gruppen zu finden. Weil dies schwierig ist, haben wir beschlossen, uns diese Bildungsnetzwerke anzuschauen und uns mit dieser Fragestellung hier zusätzlich beschäftigen.

Das ist eindeutig im Sinne der Weiterbildungseinrichtungen; das ist aber auch in unserem Sinne und im Sinne der Kommunen, weil wir hier Potenzial ansonsten nicht nutzen. Es gelingt natürlich in den Bildungsnetzwerken besser, die Zivilgesellschaft in dieser wichtigen Frage mit zu aktivieren und alle gesellschaftlichen Akteure mit ihren jeweiligen Angeboten mit einzubinden.

Wir fangen auch da nicht bei null an. Online steht jetzt eine Handreichung zur gemeinwohlorientierten Weiterbildung des Gesprächskreises mit dem Ministerium zur Verfügung, in der gerade die Frage der Bildungsnetzwerke schon einmal aufgefächert worden ist. Es lohnt sich also, sich das anzugucken, damit wir hier sehr schnell zu konstruktiven neuen Wegen kommen und unser Ziel erreichen, die Mitwirkung von mehr Persönlichkeiten aus unserer Gesellschaft und unserem Wirtschaftsleben zu gewinnen. Daran gemeinsam zu arbeiten, ist der Mühe aller wert. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Hammelrath.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Gäste! Wie viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner möchte ich mich zunächst ganz herzlich bedanken – bedanken

bei den Beteiligten an der Weiterbildungskonferenz, die mit der Vorlage ihrer Empfehlungen und Forderungen mit hoher Sachkenntnis und mit Augenmaß wichtige Schwerpunktsetzungen vorgenommen haben. Das ist nicht selbstverständlich angesichts des immer noch sehr geringen Anteils der Weiterbildung am gesamten Bildungshaushalt von sehr deutlich unter 1 %.

Bedanken möchte ich mich auch für die konstruktive und nach vorne gerichtete Haltung – diese war zwar erprobt, aber nicht selbstverständlich –, in der diese Arbeit geleistet wurde. Hier waren immerhin unterschiedlichste Einrichtungen mit ebensolchen Interessen, Ausgangsbedingungen und Verortungen beteiligt und dennoch mit einer großen Gemeinsamkeit hinsichtlich der Unterstützung des lebenslangen Lernens. Zumindest konnte diese Gemeinsamkeit sehr lange erhalten werden – bis zu dieser letzten Sitzung, über die eben schon gesprochen wurde.

An dieser Stelle muss ich als Beteiligte Frau Schmitz noch einmal sehr deutlich widersprechen: Es mag sein, dass Sie die Bedeutung dieses Vorfalls nicht richtig einschätzen konnten. Ich weiß nicht, wie lange Sie in diesem Thema unterwegs sind. Es hat hier ein einzelner Mitarbeitender des Städte- und Gemeindebundes in einer äußerst unangemessenen Weise einen Konsens aufgekündigt, einen Konsens, den eigentlich wir alle – und auch die FDP – über lange Zeit gehalten haben. Der Konsens heißt: Wir haben ein wunderbares Weiterbildungsgesetz. Es ist eines der fortschrittlichsten in ganz Deutschland, und wir werden dieses Weiterbildungsgesetz nicht antasten.

Er hat in dieser Sitzung dieses Weiterbildungsgesetz infrage gestellt, und er hat ebenso unsere Inhalte von gemeinwohlorientierter Weiterbildung infrage gestellt. Das hat die Aufregung verursacht – allerdings nicht bei der Ministerin, der ich nach dieser Sitzung noch einmal ausdrücklich meine Anerkennung ausgesprochen habe für die Contenance, die sie bewahrt hat und die einige von uns nicht bewahren konnten.

Es war eine Diskussion, die an dieser Stelle eskaliert ist. Der Widerspruch kam von Herrn Kaiser – das ist dankenswerterweise schon erwähnt worden –, der sehr genau wusste, worüber da gesprochen wurde, und vom Deutschen Städtetag. Weiterhin ist bemerkenswert, dass sich in der Zwischenzeit der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Landkreistag ausdrücklich und nachhaltig von dieser Einzelposition distanziert und sich wieder in die Gemeinsamkeit eingereiht haben. Das zeigt, wie dieser Vorfall zu bewerten ist. Das bitte ich zu beachten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Gemeinsamkeit ist Gott sei Dank nicht beeinträchtigt worden.

Diese große Einigkeit – ich hoffe, wir können sie uns erhalten – bei allen Fraktionen dieses Hauses ist ein großer Schatz. Das ist eine sehr wertvolle Basis für die Weiterbildungsarbeit.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Es könnte aber auch – und an dieser Stelle lassen Sie mich eine kleine Drehung machen – eine Gefahr werden, weil es heißen könnte, dass kein Beratungsbedarf bestehe. Dann könnte es heißen, alles sei in Ordnung, alle seien zufrieden, und dann wäre das Thema durch. Für die Weiterbildung legen keine Mitarbeitenden die Arbeit nieder, stehen keine Teilnehmenden mit Transparenten vor den Türen der Rathäuser oder hier vorm Landtag, und es reden sich Parlamentarier in der Regel auch nicht die Köpfe heiß. Heute taten sie dies übrigens interessanterweise nicht wegen der Inhalte, sondern wegen der Formalia. Das finde ich sehr spannend.

Aber wie leicht könnte diese inhaltliche Zufriedenheit zur Selbstzufriedenheit oder – schlimmer noch – zur Friedhofsruhe werden? Das wäre fatal. Denn lebenslanges Lernen – wir haben es heute mehrfach gehört – ist ein wichtiges Thema, und zwar nicht nur für Sonntagsreden, sondern auch an einem solchen Donnerstagmorgen. Es ist ein Thema mit großer Bedeutung für jeden Einzelnen und für unsere Gesellschaft und eine mögliche Antwort auf eine ganze Reihe von drängenden Fragen.

In sozialdemokratischen Grundsatzpapieren zur Bildungsarbeit und auch in unserem gemeinsamen Koalitionsvertrag von Rot-Grün nimmt das Thema „Prävention“ zu Recht eine wichtige Position ein, und in den Debatten um Prävention – ob in der Politik oder bei Fachveranstaltungen, und zwar auch bei denen, die sich eigentlich ausschließlich mit Weiterbildung befassen – gehen wir gerne im Schnelldurchgang rückwärts durch die Bildungsbiografie und stellen fest: In der Schule – besser noch in der Kita und optimal noch früher – müssen wir präventiv ansetzen. Sogar die Weiterbildnerinnen und Weiterbildner sehen das dann ein. Dennoch: Prävention zieht sich durch ein ganzes Leben.

Nun erspare ich Ihnen und mir die häufig schon genannten und sehr richtigen Stichworte „Fachkräftemangel“, „demografischer Wandel“, „Migration“ und „überalterte Gesellschaft“. Ich konzentriere mich auf einige wenige zentrale Themen der Prävention, die die Weiterbildungskonferenz in ihrem Entschließungspapier benannt hat.

Ein ganz wichtiges ist die sogenannte zweite Chance – auch das wurde schon erwähnt –, also das Nachholen von Schulabschlüssen. Diese Möglichkeit gibt es aktuell an 90 von insgesamt 130 Volkshochschulen unseres Landes. 2011 haben insgesamt 3.500 Menschen erfolgreich den Hauptschulabschluss nachgeholt – ein wichtiger Präventionsansatz für junge Erwachsene. Denn der Schulabschluss ist ausschlaggebend für ihren Einstieg in die

Berufswelt, und er bietet darüber hinaus eine Grundlage für ihr ganzes Leben. Es sind 3.500 junge Menschen, die wir nicht zurücklassen, die eine Chance erhalten und erlebt haben, dass sich ihre persönliche Leistung für sie lohnen kann.

Aber wenn wir uns dann vor Augen halten, dass im gleichen Jahr noch 2.500 junge Menschen auf den Wartelisten der Volkshochschulen standen und nicht versorgt werden konnten, dann wird auch hier der Handlungsbedarf offensichtlich. Hier machen sich junge Erwachsene auf den Weg, unternehmen trotz ihrer Erfahrung des Scheiterns erneut einen Anlauf, wollen endlich nicht nur den Schulabschluss nachholen, sondern ihrem Leben einen neuen Schub geben. Aber diese 2.500 Menschen müssen zurückgewiesen werden. Das können wir nicht akzeptieren. Hier müssen wir gemeinsam – wirklich alle gemeinsam – die Voraussetzungen schaffen, damit unsere Weiterbildungseinrichtungen ihren Aufgaben in ausreichendem Maße nachkommen können.

Ein zweites großes Thema – auch das ist schon benannt worden – ist die Alphabetisierung und Grundbildung; die Hamburger leo.-Studie ist hier schon zitiert worden. 14 % aller Erwachsenen haben keine ausreichenden Kenntnisse der Schriftsprache, und das sind die deutschen Erwachsenen und auch diejenigen, die erwerbsfähig sind. Das heißt, wir sprechen hier nicht über einzelne separierte, segregierte Randgruppen, sondern das sind Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft.

Auf NRW umgerechnet bedeutet dies – das muss man sich vor Augen führen, denn das ist eklatant – eine Größenordnung von zwischen 300.000 und 400.000 Menschen. Auch hier sind es fast ausschließlich Volkshochschulen, die dieser Aufgabe nachkommen, hier Angebote zu machen, 2012 Angebote für 5.000 Teilnehmer. Frau Zentis hat es schon gesagt.

Das ist eine große Kraftanstrengung. Diese Kurse sind aufwendig. Sie sind teuer. Aber es ist auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Hören Sie sich die Relationen dessen an, was wir machen, und der Aufgabe, die noch vor uns liegt.