Protokoll der Sitzung vom 20.03.2013

Herr Kollege Laumann, Sie haben vorhin eine richtige Realitätsverweigerung betrieben.

(Christian Lindner [FDP]: Oh je!)

Deshalb will ich Sie auf einen Punkt hinweisen, der für unser Land und vor allen Dingen für die Menschen im Land enorm wichtig ist. Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es rund 300.000 sogenannte Aufstocker. Das sind Menschen, die staatliche Unterstützung brauchen, weil ihr Lohn zum Leben nicht reicht. Hätten wir, Herr Kollege Laumann, einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von

8,50 €, würden wir an dieser Stelle die öffentlichen Kassen allein in Nordrhein-Westfalen um gut eine Milliarde Euro entlasten.

Herr Kollege Lindner, Sie schwadronieren so viel über Subventionsabbau. Wenn wir uns mit der FDP endlich einig wären, dass wir an dieser Stelle einmal beginnen könnten, dann lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass dieses Subventionsangebot zugunsten privater Unternehmen ein für alle Mal beendet wird! Herr Kollege Lindner, für ein Geschäftsmodell mit Niedriglöhnen zulasten der Gemeinschaft darf in der sozialen Marktwirtschaft kein Platz sein.

(Lebhafter Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb sind wir für einen flächendeckenden Mindestlohn und nicht für eine Lohnuntergrenze.

Ich will noch eines hinzufügen. Ja, es geht um gerechte Bezahlung. Das ist keine Frage. Es geht aber auch um Würde. Es ist schlicht unwürdig, wenn Menschen Vollzeit arbeiten und nach der Entlohnung noch um Aufstockung betteln müssen. Das ist weder gerecht noch sozial. Mit Blick auf das, was Sie immer propagiert haben, füge ich hinzu: Sozial ist eben nicht, was nur Arbeit schafft. Sozial ist, was gute Arbeit schafft. Und zu einer guten Arbeit gehört auch eine gerechte Entlohnung, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Das ist der Unterschied zwischen uns und Ihnen.

Ja, auch mit diesem Haushaltsentwurf machen wir deutlich: Uns geht es vor allen Dingen darum, mit den Mitteln der Landespolitik für mehr soziale Gerechtigkeit, für Chancengleichheit zu sorgen. Deshalb hat unsere Ministerpräsidentin doch völlig Recht, wenn sie die Politik dieser Regierung unter die Leitlinie stellt „Wir lassen kein Kind zurück“. Aus diesem Grunde findet Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin, mit dieser Regierung und mit dieser Koalition so viel Unterstützung bei den Menschen. Die wissen ganz genau, bei Rot-Grün steht der Mensch im Mittelpunkt und nicht der Markt. Das unterscheidet uns von Schwarz-Gelb, Herr Kollege Laschet.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben uns vorgenommen, bis zum Ende der Legislaturperiode 1 Milliarde € strukturell zu sparen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, keine Frage, weil wir auch beim Sparen an unseren Grundsätzen festhalten. Die bleiben für die Menschen auch nachvollziehbar. Sparen ist kein Selbstzweck. Gerade in Zeiten knapper Mittel muss gelten: Wir sorgen vor, Herr Kollege Laumann, um zu sparen, und wir sparen, um vorzusorgen.

Deshalb ist auch völlig klar, dass es für uns bei den Kostenblöcken im Landeshaushalt überhaupt keine Tabus gibt. Denn, Herr Kollege Laumann, wir machen etwas ganz anders als Sie. Es war doch das

Alleinstellungsmerkmal der schwarz-gelben Regierung unter Rüttgers, dass sie ihre Haushaltspolitik zulasten anderer finanziert hat, dass sie einen Raubzug durch die kommunalen Kassen veranstaltet hat, der seinesgleichen sucht. Mehr als 3 Milliarden € haben Sie denen weggenommen, vorenthalten oder durch neue Lasten aufgebürdet. Das können die doch nicht verkraften. Darunter leiden die bis heute noch, Herr Kollege Laumann! Auch das gehört zur ehrlichen Bestandsaufnahme.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ja, wir laden Sie ausdrücklich dazu ein. Deshalb wollen wir die landespolitische Umsetzung der Schuldenbremse so gestalten, dass Städte und Gemeinden nicht zu Ausfallbürgen des Landes bei der Erreichung dieses Ziels der Haushaltskonsolidierung werden. Es gibt also keine Tabus, vor allen Dingen gibt es aber keine Verschiebung von Lasten auf andere. Darauf kommt es an: keine Verschiebung von Lasten auf andere, wie Sie das jahrelang, Herr Kollege Papke, gemacht haben.

(Zurufe von der FDP)

Ich habe die Liste dabei, die ich Ihnen vorlesen könnte, die enthält, was Sie denen alles aufgebürdet und weggenommen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Der Kollege Laumann hat sich heute ja gedrückt. Vor einigen Tagen hat er es öffentlich gemacht, dass es, Herr Kollege Laumann, wie Sie sich ausgedrückt haben, zu viele Beamtinnen und Beamte geben würde. Demgegenüber sagen wir klipp und klar – ich habe das gerade schon an Ihren tollen Personaleinsparungsmaßnahmen in Ihrer Regierungszeit deutlich gemacht –: Wir haben nicht zu viele Beamtinnen und Beamte in NordrheinWestfalen, die wir zur Erfüllung der Aufgaben für das Land und für die Menschen brauchen. Wir haben – Sie wissen das auch, und Ihre Anträge atmen doch diese Gewissheit aus – eher zu wenige bei der Polizei, eher zu wenige in den Schulen und eher zu wenige in der Justiz. Das ist doch alles das, was auch Sie selbst immer wieder beklagen. Dann müssten Sie das hier auch eingestehen.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Weil wir allerdings, Herr Kollege Laschet – ich gebe das doch gerne zu –, auch die Personalkosten im Blick behalten müssen, da sie fast 40 % des Landeshaushaltes ausmachen,

(Karl-Josef Laumann [CDU]: Jetzt wissen wir es! Das wussten Sie 2011 auch!)

weil sie 22,9 Millionen € im Landeshaushalt binden und weil wir die Schuldenbremse einhalten, werden wir das tun, was wir immer deutlich gemacht haben, Herr Kollege Laumann: Auch der Personalkostenblock ist kein Tabu. Wir gehen aber nicht mit dem

Rasenmäher über die Personalkosten, wie Sie das gemacht haben, sondern wir sagen den Beamtinnen und Beamten klipp und klar, auch bei der Übernahme dieses Tarifergebnisses für die Beamtinnen und Beamten, die wir sozial gestaffelt vornehmen werden: Wir werden in den zwei Jahren auch dafür sorgen und dafür die Garantie übernehmen werden, dass es keinen Personalabbau gibt. Auch das gehört mit zur Wahrheit, wenn es hier über die Frage eine Diskussion gibt, wie der Tarifvertrag übernommen wird.

(Beifall von der SPD)

Ich füge eines hinzu: Ich habe ein paar Jahre als Gewerkschaftssekretär gearbeitet, ein paar Jahrzehnte, Herr Kollege Laumann. Ich habe viel Erfahrung im Umgang damit, wie schmal der Grat ist zwischen notwendiger Beschäftigungssicherung und Einkommenszuwachserwartungen und Einkom

menserhöhungen. Wenn wir uns umsehen im Land, wo gerade solche tariflichen und betrieblichen Auseinandersetzungen laufen mit dem Ziel, Beschäftigung zu sichern, dann wissen wir, wovon wir reden.

Ich weiß ganz genau, dass dieser schmale Grat auch nur deshalb verantwortlich von den Gewerkschaften, den Betriebsräten und den Personalräten bei der Frage der Gestaltung von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen eingehalten worden ist, weil es eine Balance gegeben hat. Deshalb sage ich dazu mit allem Freimut: Das, was wir an Übertragung des Tarifergebnisses im öffentlichen Dienst für die Beamtinnen und Beamten vorschlagen, ist sozial ausgewogen und vor diesem Hintergrund auch zu verantworten. Ich habe kein Problem damit, das auch den Kolleginnen und Kollegen zu sagen, meine Damen und Herren

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Auf den letzten Punkt möchte ich gerne hinweisen, weil die Frage der Übernahme eines Tarifvertrages das eine ist. Aber sie macht natürlich auch deutlich, dass der öffentliche Dienst in unserem Land es auch verdient hat, dass wir uns mit ihm gemeinsam darüber klar werden, wie wir ihn zukunftsfest und wie wir ihn auch attraktiv für junge Leute bekommen. Da gehört vieles auf den Prüfstand. Selbstverständlich gehören die Aufgaben auf den Prüfstand, die vom öffentlichen Dienst zu erledigen sind. Selbstverständlich gehören auch die Leistungen auf den Prüfstand, die vom Land an die Bediensteten erbracht werden.

Deshalb füge ich hinzu: Ja, wir wollen und werden das, was wir große Dienstrechtsreform nennen, gemeinsam mit den Personalräten und mit den Gewerkschaften auf den Weg bringen, weil es uns darum geht, einen zukunftsfesten, eine attraktiven öffentlichen Dienst hier im Land zu haben, den die Kolleginnen und Kollegen, die darin arbeiten, auch als solchen empfinden.

Von daher ist eines ganz wichtig – das ist auch an die Adresse derjenigen gerichtet, die im öffentlichen Dienst Verantwortung haben: Wir bleiben bei dem, was wir zugesagt haben.

(Lachen von der CDU und der FDP)

Dazu gehören auch die Leistungen, auf die dringend gewartet wird. Sie kennen das noch nicht im Einzelnen. Ich sage es Ihnen, damit Sie es wissen. Dazu gehört beispielsweise die Frage der Ruhegehaltsfähigkeit von Zulagen. Dazu gehören auch die Frage von Sonderzahlungen, die Einarbeitung in Grundgehälter und anderes mehr. Das machen wir sehr vernünftig, sehr zielorientiert und vor allen Dingen auf Augenhöhe mit denjenigen, die in den Gewerkschaften und in den Betrieben Verantwortung tragen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich fasse zusammen: Dieser Haushalt wird den Herausforderungen unserer Zeit gerecht. Er enthält wichtige Zukunftsinvestitionen, die unser Land, die die Menschen dringend brauchen, Einsparungen nach Augenmaß und vor allen Dingen eine Perspektive weit über das Jahr 2013 hinaus. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Haushalt. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Langanhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Römer. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Abgeordneter Lindner.

Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Herr Kollege Römer, Sie haben in Ihrer Rede gemahnt, keine Lasten auf andere zu verschieben. Das ist bemerkenswert für den Redner einer Partei, die alle Lasten auf die Zukunft verschiebt und damit auf künftige Generationen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Das sind Menschen, die auch ein Recht auf einen handlungsfähigen Staat haben.

(Zuruf von Reiner Priggen [GRÜNE])

Die Kontraste in der Haushaltspolitik sind in der vergangenen Woche gewissermaßen symbolhaft deutlich geworden. Während hier in NordrheinWestfalen zum dritten Mal in Folge ein Landeshaushalt für verfassungswidrig erklärt wird, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung in Berlin die Weichen für den strukturellen Haushaltsausgleich im Jahr 2014, für den Stopp der Neuverschuldung im Jahr 2015 und für einen erwarteten Haushaltsüberschuss von 9,4 Milliarden € im Jahr 2017 gestellt.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Während fast alle Länder inzwischen einen Fahrplan zum Erreichen der Schuldenbremse vorgelegt haben, während der Bund große und schnellere Fortschritte beim Einhalten der Schuldenbremse vorweisen kann,

(Widerspruch von der SPD)

gibt es aus Nordrhein-Westfalen nichts dergleichen zu vermelden. Frau Kraft, mit dieser Art des Wirtschaftens sind Sie inzwischen die finanzpolitische Geisterfahrerin der Republik geworden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Bei Rot-Grün hat das im Übrigen System über dieses Land hinaus. Auf der europäischen Ebene verniedlicht der Herausforderer von Angela Merkel, wenn Frankreich wiederum die Defizitkriterien des Maastricht-Vertrags verletzt. Im Bundesrat hat die rot-grüne Landesregierung von Nordrhein