Protokoll der Sitzung vom 22.03.2013

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst, Herr Kollege Möbius: Es ist schon erstaunlich, dass Sie in Ihrem Manuskript offensichtlich feststehend den polemischen Verlauf der Debatte aufgeschrieben haben, obwohl Sie beim Abfassen des Manuskripts überhaupt noch nicht wissen konnten, wie die Debatte verläuft. Das zeigt schon, mit welcher Strategie Sie in die heutige Debatte gegangen sind. Darauf will ich gerade nicht eingehen, sondern mich der Sache zuwenden, was Ihnen schwergefallen ist.

Noch eine Replik zu Herrn Kollegen Stein – das müsste es dann mit den Piraten aber auch schon gewesen sein –: Dass ausgerechnet die Piraten den Scheiterhaufen 2.0 ablehnen, das wäre mir wirklich neu. Sie beweisen jeden Tag, dass der Scheiterhaufen 2.0 überhaupt da ist. Das haben wir von Ihnen gelernt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von den PIRATEN: Von uns nicht!)

Insofern ist es nicht besonders glaubwürdig, dass Sie sich heute in der Republik zum HoeneßVerteidiger aufschwingen.

Bisher habe ich von allen Rednern der Opposition gehört, Steuerhinterziehung sei kein Kavaliersdelikt. Es kommt mir ein bisschen so vor, als müssten Sie sich durch die Wiederholung dieses Mantras erst einmal selbst vergegenwärtigen, dass das tatsächlich so ist. Ich kann Ihnen bestätigen: Das ist so. Aber noch mehr. Deswegen sollten wir nach vorne schauen und überlegen: Was müssen wir eigentlich tun? Es geht nämlich nicht nur darum, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist, sondern Steuerhinterziehung ist eine schwere Straftat.

(Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD] und Norbert Römer [SPD])

Der Bundesgerichtshof sagt eindeutig: Ab

1 Million € an hinterzogenen Steuern geht man ins

Gefängnis. In diesen Dimensionen sind wir hier und nicht auf der Ebene irgendwelcher Kavaliersdelikte. Das sollten wir in keiner Weise verharmlosen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das haben die Rednerinnen und Redner im Kontext dessen, was sie gesagt haben, schon getan.

Wir sollten uns also überlegen: Was ist jetzt, hier und heute, und für die Zukunft zu tun? – Da kann doch nach dem heutigen Tage nur feststehen: Das, was Thomas Eigenthaler, der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, als Anonymitätsabkommen bezeichnet, darf keinesfalls in Kraft treten. Es war schlecht verhandelt; es wäre schlecht für die Staatskassen gewesen; es wäre schlecht für die Steuermoral gewesen. Deswegen sind wir stolz darauf – mit ganz breiter Brust –, diesen Murks verhindert zu haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es muss – das ist unsere erste Forderung in die Zukunft – ein neues Steuerabkommen verhandelt werden, das mindestens den FATCA-Maßstäben entspricht. Darauf haben die Kollegen Zimkeit und Mostofizadeh schon hingewiesen. Ich will es nur noch mal in aller Deutlichkeit wiederholen.

Aber wenn Sie, Herr Kollege Möbius und Herr Kollege Optendrenk, tatsächlich noch einmal deutlich machen wollten, dass das aktuelle, von uns abgelehnte Steuerabkommen richtig und so viel günstiger für den Staat gewesen sei, will ich es noch mal auf diesen Punkt bringen: Erklären Sie uns doch, warum Uli Hoeneß in den letzten Tagen auf sich bezogene Zitate in der Zeitung unwidersprochen hat stehen lassen, nach denen er sinngemäß sagt: Ich wollte das Steuerabkommen abwarten, bevor ich eine Selbstanzeige einreiche? – Hoeneß muss im Übrigen selbst entscheiden, wie er mit alten Äußerungen wie – Zitat – „Mir ist es egal, ob ich 20, 50 oder 100 % Steuern zahle; mir geht es um die kleinen Leute“ umgehen will. Das ist sein Problem; damit müssen wir uns nicht beschäftigen. – Mit dieser Einlassung bezogen auf das Steuerabkommen und die Selbstanzeige hat er doch dokumentiert und in schonungsloser Offenheit das klargelegt, was Herr Minister Walter-Borjans Ihnen als Blamage um die Ohren gehauen hat: Uli Hoeneß hat für sich eine ganz rationale Abwägung getroffen.

(Zuruf von der FDP)

Ergebnis dieser rationalen Abwägung des selbstanzeigenden Uli Hoeneß war: Für mich, für Uli Hoeneß, ist Steuerabkommen besser als Selbstanzeige! – Das ist das, was wir von ihm lernen, und das, was Sie sich entgegenhalten lassen müssen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In der Tat gilt – auch das hat der Minister gerade in seiner sehr präzisen Darlegung dessen, was Sie beschließen wollten, aufgezeigt –: Ein Jahr hätten

die Beteiligten Zeit gehabt, für sich noch andere Auswege zu finden, wenn das Steuerabkommen in Kraft getreten wäre. – Das kann doch nicht richtig sein. Nach diesem Abkommen wäre es zwingend so gewesen, dass die Ehrlichen die Dummen sind. Deswegen lehnen wir es nach wie vor mit aller Entschiedenheit ab.

Des Weiteren folgt daraus, dass wir, solange sich die Rechtslage nicht durch neue internationale Abkommen verbessert, auch weiterhin Steuer-CDs ankaufen müssen und werden, wenn sie denn zu ordentlichen Konditionen angeboten werden.

Das ist übrigens eine Praxis, die noch bis vor kurzer Zeit völlig unstreitig mit den anderen Bundesländern und übrigens auch mit dem Bundesfinanzministerium so abgestimmt war. Warum Sie heute glauben machen wollen, dass Herr Schäuble immer schon ein strikter Gegner des Ankaufs von Steuer-CDs gewesen sein will, entbehrt jeder Grundlage. Wir halten es für den richtigen Weg, solange es keine bessere Situation gibt. Mit bezahlt haben es die anderen ja auch noch, und das war auch in Ordnung so.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich bin der Landesregierung sehr dankbar, dass sie auf die Zukunft bezogen weitere Punkte in die Debatte gebracht hat, die jetzt dringend der Klärung und der Umsetzung bedürfen. Ich erinnere an die gemeinsame Entschließung des Bundesrates, die Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz initiieren wollen. Es geht uns um mehr Steuergerechtigkeit.

Zu mehr Steuergerechtigkeit gehört auch, die Betriebsprüfung zu stärken. Und da, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, sollten Sie weiß Gott kein gutes Gewissen haben. Sie haben hier in Nordrhein-Westfalen Stellen abgebaut, auch in der Finanzverwaltung. Wir sagen hier ganz klipp und klar: Wir brauchen mehr und bessere Betriebsprüfungen. Wir wollen und werden sie deswegen stärken.

Wir unterstützen außerdem die Initiative der Regierung, gegen Banken vorzugehen für den Fall, dass diese systematisch Beihilfe zur Steuerhinterziehung betreiben oder die Kooperation mit den Steuerbehörden verweigern. Hier braucht es einen sehr seriösen und minutiösen Sanktionskatalog, der im äußersten Fall auch den Entzug der Bankerlaubnis, also der Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften, beinhalten kann. Das ist ein Punkt, zu dem Sie sich äußern sollten. Es ist richtig, dass die Regierung das fordert. Wir stehen hinter einer solchen Initiative.

Wir sind außerdem der Meinung, dass die Regierung richtig handelt, wenn sie massiv darauf drängt, den zwischenstaatlichen Informationsaustausch

besser zu gestalten und zu effektivieren. Wir müssen Steueroasen trockenlegen. Da hat die Landes

regierung unsere volle Unterstützung, wenn sie unter anderem über den Bundesrat der noch bis September im Amt befindlichen Bundesregierung Feuer unter dem Allerwertesten macht. Etwas anderes darf ich ja hier ohne Rüge des Präsidenten nicht sagen.

(Lachen von der FDP – Christian Lindner [FDP]: Kennen Sie die Umfragen?)

Der letzte Punkt, auf den ich eingehen will, ist, dass wir es richtig finden, dass die Verjährungsfristen für Steuerbetrug verschärft werden. Die Rechtsgrundlage zur Ahndung dieses Delikts ist in der Tat zu lax. Deswegen muss man sie auf Grundlage dessen, was wir in diesen Tagen erleben, erheblich verschärfen und nachbessern.

Ich fordere Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere von CDU und FDP, auf: Hören Sie auf, immer nur nach hinten zu schauen! Wenn man nach hinten schaut, wird man mit vielen Namen konfrontiert, ob die nun Graf Lambsdorff, der frühere Schäuble, Kohl, Koch oder Leisler-Kiep heißen.

(Heiterkeit und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Schauen Sie nach vorne! Schauen Sie darauf, was hier und heute und jetzt zu tun ist, um Steuergerechtigkeit in Kraft treten zu lassen! Dabei haben Sie uns an Ihrer Seite, sowohl im Land NordrheinWestfalen wie in der künftigen Bundesregierung. Das muss unser Sinnen und Trachten sein. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Börschel. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Wedel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch von mir, weil es zum Grundverständnis einfach dazugehört: Steuerhinterziehung ist ein Angriff auf das Gemeinwohl und sowohl zu verurteilen als auch unter voller Ausschöpfung bestehender gesetzlicher Möglichkeiten zu bestrafen.

Der Kampf gegen Steuerhinterziehung ist eines der prioritären Vorhaben der schwarz-gelben Bundesregierung.

(Nadja Lüders [SPD]: Wann?)

Dies zeigt insbesondere ein kurzer Rückblick. Gerhard Schröder und Hans Eichel – das ist hier schon mehrfach angesprochen worden – haben für 2004 und 2005 eine weltweite Steueramnestie für deutsche Steuerhinterzieher durchgesetzt. Das Motto war damals: Zahlt 15 %, nämlich 25 % von 60 % Steuern, dann ist das Thema für uns erledigt. – Diese Steueramnestie war weder sonderlich gerecht noch war damit das Problem der Steuerhinterzie

hung für die Zukunft geregelt. SPD und Grüne sahen dies aber nicht als Grund an, es abzulehnen.

Im Gegensatz dazu werden unter schwarz-gelber Regierungszeit die einzelnen Steueroasen regelrecht ausgetrocknet. Circa 90 Doppelbesteuerungsabkommen sind in dieser Legislaturperiode neu aufgesetzt oder nach dem neuesten OECDStandard aktualisiert worden. Weitere 70 Abkommen sind in Verhandlungen.

Nach dem an Rot-Grün gescheiterten Steuerabkommen mit der Schweiz wäre die Kapitalsubstanz deutscher Anleger mit 21 bis 41 % besteuert worden. In Zukunft wäre es nicht mehr möglich gewesen, die Schweiz als Steueroase zu nutzen. Alle Kapitalerträge wären zu besteuern gewesen. Das Problem wäre ein für alle Mal gelöst gewesen.

Anstatt knapp 1,5 Milliarden € aus der Steueramnestie von Schröder und Eichel wären 2 Milliarden € plus x garantiert gewesen. Der Steuerzahler hätte es gedankt.

Meine Damen und Herren, wie ernst es der Bundesregierung mit diesem Thema ist, sieht man auch an der erfolgten Verschärfung der bereits existierenden Gesetze und der damit einhergehenden Begrenzung der Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige. Wäre der heute hier diskutierte Fall vor zehn Jahren, also unter Rot-Grün, eingetreten, wäre eine Selbstanzeige sogar dann noch möglich gewesen, wenn die Steuerfahnder bereits an die Tür des Verdächtigen klopfen. Die Steuern hätten anschließend ohne eine Strafe nachgezahlt werden können.

Heute dagegen ist keine strafbefreiende Selbstanzeige mehr möglich, wenn beispielsweise die Prüfung des Steuerpflichtigen bereits begonnen hat. Straffrei bleiben aber weiterhin jene, die bisher völlig unentdeckt waren. Die Steuernachzahlung ist ab einer bestimmten Höhe nun aber mit einer zusätzlichen Strafzahlung in Höhe von 5 % zu versehen.

Der Steuerzahler, der immer fleißig seine Steuern zahlt, ist also, anders als in der Zeit der rot-grünen Regierung, besser gestellt.

Das Steuerabkommen mit der Schweiz wäre zudem ein wichtiger Schritt zu mehr Rechtsstaatlichkeit gewesen. Während im Status quo der reine Zufall bzw. die kriminelle Energie eines „Datendiebs“ entscheidet, welche Steuerhinterzieher nun entdeckt werden und welche nicht, wären durch das Steuerabkommen alle in der Schweiz angelegten Gelder besteuert worden.

(Beifall von der FDP)

Der Rechtsstaatlichkeit wäre auch dadurch gedient, dass der Staat nicht länger Anreize für klar illegale Handlungen wie das Entwenden von Daten setzt.

Wie prekär die rechtliche Lage ist, wird allein anhand folgender Punkte deutlich: