Protokoll der Sitzung vom 22.03.2013

Wie prekär die rechtliche Lage ist, wird allein anhand folgender Punkte deutlich:

Ein Verkäufer solcher Daten an das Land Nordrhein-Westfalen wurde bereits verurteilt. Die

Schweiz hat Haftbefehle gegen nordrhein

westfälische Steuerfahnder erlassen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Das ist ein Skandal!)

Die Behauptung, das Bundesverfassungsgericht hätte den Ankauf entwendeter Steuerdaten als rechtmäßig beurteilt, trifft nicht zu, da die Frage im Beschluss vom 9. November 2010 ausdrücklich offengelassen wurde.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, insgesamt entsteht der Eindruck, dass es Rot-Grün wieder einmal weniger um die Sache als um Polemik und Wahlkampf geht.

(Beifall von der FDP)

Allein die Tatsachen, dass das Verhalten eines einzigen Steuerpflichtigen – wenn auch prominent – Aufhänger für eine parlamentarische Befassung wird und Peer Steinbrück – bei allem außenpolitischen Schaden, den er schon angerichtet hat – im Internet erneut über die Kavallerie philosophiert, zeigen dies sehr deutlich.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Zur eigenen Regierungszeit war noch eine weltweite Steueramnestie recht und billig, die auch noch ein schlechtes Geschäft für den Steuerzahler war. Heute wird ein rechtsstaatlich vorzugswürdiges Steuerabkommen mit besseren Bedingungen verteufelt, um sich als Gerechtigkeitsapostel zu inszenieren.

(Beifall von der FDP – Christian Lindner [FDP]: Da kann man nur sagen: Heuchelei!)

Es bleibt festzuhalten: Das Steuerabkommen wäre eine deutlich bessere Lösung gewesen als der Status quo, und so mancher Steuersünder wäre zwar vielleicht anonym geblieben, hätte dafür jedoch weit mehr in die Steuerkassen gespült, als dies nun durch die erhofften Selbstanzeigen der Fall ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Wedel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss eine Sache klarstellen, bei der CDU und FDP, aber auch die Piraten versuchen, den Leuten Sand in die Augen zu streuen.

Der Unterschied zu 2004 – darauf komme ich gleich zurück – ist: Mit diesem Steuerabkommen wird auch der Vollzug des Abkommens vereinbart, nämlich die Frage: Wer überwacht in der Schweiz den Vollzug des Verfahrens, und wie darf die deutsche Behörde ermitteln? Mit dem Abkommen sollte vereinbart werden, dass die Schweizer Banken – noch einmal: die Schweizer Banken, nicht die deutschen Steuerbehörden – kontrollieren, wer welche Steuern in der Schweiz entrichtet. Die deutschen Steuerbehörden dürfen nur in begründeten Verdachtsfällen und nur 500 bis 700 Fälle pro Jahr an die Schweiz richten. Das ist doch ein vehementer Unterschied. Sie wollten verhindern, dass Steuerbetrug aufgedeckt werden kann! Darum geht es!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Und es ist beachtenswert, wie man mit dem Gesamtkomplex umgeht. Kollege Möbius sagt, die Steuerberater hätten eine Selbstanzeige empfohlen, weil das „billiger“ sein könnte. – Was ist das denn für ein Verhältnis zum Steuerbetrug? Egal, ob man 100.000 € oder 10 € hinterzogen hat: Hinterziehung ist Steuerbetrug, und das ist zu bestrafen. Welche Herangehensweise ist das denn?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Im Übrigen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es auch falsch. Denn die Grundfrage – das hat der Finanzminister hier schon vor Monaten geschildert –, ob weißes oder schwarzes Geld in die Schweiz gegangen ist, ist von hohem Interesse für die Frage, ob es teurer oder billiger ist. 80 % des Geldes, das in der Schweiz von Deutschen investiert wurde, ist nach Schätzungen des Bundes der Deutschen Kriminalbeamten Schwarzgeld. Allein die Zahl „80 %“ muss uns doch alle alarmieren, genauer hinzuschauen und uns nicht hinter irgendwelchen Bundestagswahlkämpfen zu verstecken.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Eines kann ich mir – um auf Herrn Hoeneß zurückzukommen – nicht verkneifen hinzuzufügen: Es war gestern Abend schon schwer zu ertragen – nicht das 4:0 –, wie die Honoratioren im VIP-Raum dem Kollegen auf die Schulter klopften nach dem Motto, „Ach, Kollege, da kommst du schon durch“, und wie Schampus getrunken wurde, nachdem man sich durch eine Kaution hat freikaufen können.

(Christian Lindner [FDP]: Das wollen Sie!)

Herr Kollege Möbius, Sie sind ein ganz besonderer Fall. Würde ich Ihre Art und Weise von Politik hier nachspielen, würde ich Ihnen jetzt vorwerfen, dass Sie seit sieben Jahren im Verwaltungsrat des BLB sitzen und insofern für die Verfehlungen des BLB ziehen verantwortlich zeichnen würden. Das haben Sie eben mit dem Finanzminister gemacht. So machen Sie in der CDU-Fraktion Politik.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Christian Möbius [CDU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, zur Wahrheit gehört auch: Es war Ihr Finanzminister, der die hohe Qualität der Betriebsprüfung durch eine PEM-Lösung vernichtet hat, sprich: mehrere Hundert Betriebsprüfer und Steuerfahnder sind 2009 mit hohen Abfindungen in die Pension gegangen, um Steuerberater und anderes zu werden. Das haben Sie zu verantworten.

Trotzdem ist NRW noch dreimal so kräftig bei der Steuerprüfung wie das Bundesland Bayern. Das hat der Oberste Rechnungshof in Bayern den bayerischen Kollegen dreimal hintereinander ins Stammbuch geschrieben und es in den letzten Tagen auch noch als Pressemitteilung veröffentlicht.

Ich stelle für die Fraktion der Grünen fest: Die Verhinderung des Steuerabkommens war der richtige Weg. Das hat nichts damit zu tun, ob wir dieses Jahr 100 Millionen € mehr oder weniger bekommen. Insofern ist es ja schon bezeichnend, dass die Kollegen sowohl von FDP als auch von CDU trotz des abgelehnten Steuerabkommens noch 500 Millionen € zur Konsolidierung in ihre Anträge zum Haushalt 2013 – konkret: ihre sogenannten Haushaltssanierungskonzepte – hineingepackt haben.

(Christian Lindner [FDP]: Haben wir nicht! Er- zählen Sie keinen Unsinn!)

Der kleine Mann lacht sich darüber tot, was Sie mit diesen sogenannten Haushaltssanierungskonzepten fabrizieren.

Ich stelle fest: Das Steuerabkommen zu verhindern, war richtig. Jetzt geht es darum, ein neues Steuerabkommen auf den Weg zu bringen.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Dieses neue Steuerabkommen, Herr Kollege Lindner, muss – offenkundig gegen Ihren Willen – dafür sorgen, dass in Deutschland ein automatischer Datenabgleich mit der Schweiz, mit Österreich und auch mit Luxemburg Standard wird, dass das, was die Amerikaner gegenüber der Schweiz durchgesetzt haben, auch wir Deutschen

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

kommen Sie erst einmal in den Bundestag – mit aller Macht durchsetzen können, damit Sie und alle anderen unter den gleichen Bedingungen Steuern zahlen wie jeder normal Angestellte in Deutschland auch, dessen Gehalt und sonstige Einnahmen beim Finanzamt gemeldet und nicht etwa einer Zeitung gegeben werden, sondern vom Finanzamt geprüft werden, um die Steuerpflicht festzustellen. Das muss auch für Investitionen in der Schweiz, in Luxemburg und in Österreich gelten. Das haben die Amerikaner uns vorgemacht, und das müssen wir nachmachen. In dieser Hinsicht haben wir entsprechende Initiativen ergriffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, Sie wollten den Leuten Sand in die Augen streuen. Wir haben klargemacht, welches der Weg ist. Diese Transparenz muss gelten, und vielleicht wachen die Piraten an der Stelle auch noch einmal auf.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Schulz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause am Stream oder wo auch immer! Herr Kollege Mostofizadeh, wir sind schon aufgewacht. Das glauben Sie mal!

Das, was Herr Kollege Stein hier eben vorgetragen hat, zeugt deutlich von Wachheit. Dies muss man insbesondere deshalb betonen, weil – wie hier von Herrn Finanzminister kritisiert – angeblich nicht klar wäre, wofür wir stehen. Wir stehen für Transparenz und Veröffentlichung dann, wenn der Persönlichkeitsschutz gleichwohl gewahrt bleibt! Das ist der ganz entscheidende Punkt. Da wird nicht herumgeeiert – veröffentlichen ja oder veröffentlichen nein –; wir müssen vielmehr immer schauen, was veröffentlicht und wann es veröffentlicht wird.

Eines steht jedenfalls fest: Sie, Herr Finanzminister, sind doch derjenige, der immer wieder betont, dass es in Deutschland ein Steuergeheimnis gibt. – Jawohl!

Dieses Steuergeheimnis wird möglicherweise an einigen Stellen überwunden, aber dann freiwillig von denjenigen, die, wie Herr Hoeneß, eine Selbstanzeige starten und dann bestimmte Äußerungen in der Öffentlichkeit machen. Wie er dann mit der Öffentlichkeit klarkommt, muss natürlich jeder selber sehen. Aber dass die Öffentlichmachung nicht von staatlicher Seite erfolgt, ist doch wohl eine Selbstverständlichkeit.

Gerade Sie sind doch derjenige, der immer wieder betont, dass aus Steuer-CDs stammende Daten und etwaige Ermittlungsverfahren oder Besteuerungsverfahren selbstverständlich ebenfalls dem Steuergeheimnis unterliegen.

Insofern frage ich mich ernsthaft: Was machen wir hier eigentlich? Wir zerren hier einen wie auch immer veröffentlichten – eventuell vom Betroffenen selbst veröffentlichten – Fall durch das Parlament vor dem Hintergrund einer Geschichtsbewältigung bezüglich eines Steuerabkommens, das bereits abgelehnt ist. 70 % der Plenardebatte heute dreht sich um das Steuerabkommen, das abgelehnt ist.

Wofür steht also das abgelehnte Steuerabkommen?

(Minister Dr. Norbert Walter-Borjans: Besser machen!)

Besser machen – jawohl, Herr Minister. Danke schön, dass Sie es sagen. Ich finde es auch sehr begrüßenswert, dass Sie ein Symposium in Brüssel durchführen, auf dem darüber beraten und besprochen werden soll, wie ein Steuerabkommen auf europäischer Ebene eingeführt werden kann. Auch das war eine meiner Forderungen in einer meiner ersten Reden, als es um Steuerabkommen ging. Da habe ich gesagt, es nützt uns überhaupt nichts, auf der einen Seite das Steuerabkommen bilateral zu besprechen und zu verteufeln, während wir es auf der anderen Seite versäumen, europäisch bzw. international auf die Bühne zu treten. Definitiv!

(Beifall von den PIRATEN)

Um noch einmal zu Transparenz und Veröffentlichung zurückzukommen: Transparenz und Veröffentlichung sollten nicht für den Gedanken herhalten, wir könnten Gesetze einfach mal so ändern. So höre ich Kritik an der Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige und Forderungen danach, das Recht insofern zu ändern; ein Recht und jahrzehntelanges Instrument, welches insbesondere vielen Kleinunternehmen, vielen Mittelständlern geholfen hat, eben nicht in den Knast zu wandern, weil möglicherweise ein Buchhalter, dem man vertraut hat, die Zahlen nicht richtig aufgeschrieben und dann etwa über zwei, drei, vier oder fünf Jahre mit diesem Irrtum behaftete und somit falsche Steuererklärungen erstellt hat, was selbstverständlich auch, würde es nachträglich zum Beispiel einem Steuerberater auffallen, strafbar gewesen wäre. Der Mittelständler könnte sich natürlich auf Nichtwissen berufen, doch das schützt denjenigen, der dies tut, nicht. Denn auch gerade im Steuerrecht gilt der Grundsatz: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Dazu gehört selbstverständlich auch die ordnungsgemäße Deklaration von Umsätzen, Einnahmen, Ausgaben etc.