Protokoll der Sitzung vom 25.04.2013

(Zuruf von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft)

Sie haben hier über die damalige Ablehnung vonseiten der FDP gesprochen, Bürgschaften an General Motors zu geben. Das kritisieren Sie noch im Nachhinein. Dabei wissen wir heute, dass das Unternehmen, wie es selbst eingeräumt hat, keinen Liquiditätsengpass gehabt hat. Sie wollten die mit frischem Geld versorgen, das die gar nicht brauchten, und dass, obwohl GM nicht bereit war, strategische Entscheidungen zu korrigieren.

(Beifall von der FDP)

Das ist Ihre soziale Politik zulasten des Steuerzahlers.

Sie sprechen hier über die Tarifautonomie. Frau Ministerpräsidentin, Sie werfen uns unser Verständnis von Tarifautonomie vor: Die Ablehnung des Sanierungstarifvertrags dürfte man gar nicht kommentieren. Oder wie ist das sonst zu verstehen? Darf man solche Entscheidungen nicht kommentieren?

(Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Nein, Sie haben gesagt, ich hätte Verantwortung!)

Ja, die haben Sie auch.

Ihr Wirtschaftsminister hat den Wirtschaftsausschuss des Landtags doch über Monate mit dem Hinweis ruhiggestellt, er sei in Gesprächen. Dann bilanziert er am 17. April seine Gespräche. Ich zitiere aus seiner Pressemitteilung vom gleichen Tag:

„Vor diesem Hintergrund ist die Ablehnung des Sanierungstarifvertrags Ende März durch die Bochumer Belegschaft umso bedauerlicher. Im Nachhinein wäre dies offensichtlich die letzte Chance zu einer Sicherung des Standorts zumindest bis Ende 2016 gewesen.“

Das sind die Gesprächsergebnisse von Herr Duin.

(Beifall von der FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Quatsch! Das ist doch totaler Quatsch!)

Warum haben Sie sich als größtes Gewicht dieser Regierung nicht eingeschaltet, Frau Ministerpräsidentin?

(Beifall von der FDP und der SPD)

Das Einzige, Frau Ministerpräsidentin, was Sie nach meiner Erinnerung in Ihrem Debattenbeitrag zur Lösung der Situation in Bochum konkret gesagt haben, ist, dass Sie der Bundesregierung allen Ernstes deren stabilitätsorientierte Europapolitik vorgeworfen haben. Also wollen Sie die südeuropäischen Länder wieder zum Schuldenmachen einladen, damit deutsche Fahrzeuge gekauft werden. Oder wie ist das, was Sie hier gesagt haben, zu verstehen, Frau Ministerpräsidentin? So haben Sie das hier dargestellt.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD)

Das ist unverantwortlich und unkonzeptionell. Und dann sagen Sie: Wir, CDU und FDP, hätten billige Oppositionspolemik gemacht.

(Beifall von den GRÜNEN – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Das bestätigen Sie gerade mit Ih- rem Wortbeitrag!)

Billige Regierungspolemik haben wir hier erlebt!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schneckenburger.

Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Mitglieder des Betriebsrates! Diese Entscheidung, die das GM-Management nun nach jahrelangem Tauziehen getroffen hat, ist eine absolut bittere Entscheidung für die Opelaner, für ihre Familien – übrigens nicht nur in Bochum, sondern in der ganzen Region; denn es gibt Beschäftigte bei Opel nicht nur aus Bochum, sondern auch aus den umliegenden Kommunen.

Es ist eine Entscheidung gegen die Region. Es ist vor allen Dingen eine Entscheidung gegen die Menschen, die sich mit guter Arbeit, mit hohem Engagement und über Jahre hinweg für dieses Unternehmen eingesetzt haben.

Auch die Stadt hat viel für Opel getan, und zwar nicht nur ein Jahr lang, sondern jahrzehntelang. Sie hat Flächen bereitgestellt, sie hat Infrastruktur bereitgestellt, sie hat dafür gesorgt, dass die Produktionsbedingungen an diesem Ort wirklich gut sind.

GM hat sich in einem jahrelangen Tauziehen gegen diesen Standort entschieden. Ich kann gut verstehen, dass die Beschäftigten viel Misstrauen gegenüber einem Management haben, das sie über Jahre hinweg immer wieder hingehalten hat. Das ist die Lage.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde das, Herr Lindner, was Sie hier zweimal hintereinander als Stegreifrede vortragen, absolut verlogen. Sie haben vom Recht auf Fairness gesprochen.

Ich finde, es ist nicht fair, wenn Mitarbeiter Managementfehler ausbaden müssen, die noch nicht einmal an den deutschen bzw. den europäischen Standorten, sondern an den amerikanischen Standorten gemacht worden sind. Die Mitarbeiter in Deutschland, insbesondere in Bochum, müssen jetzt diese Fehler ausbaden.

Und es ist insbesondere nicht fair, sondern verlogen, wenn Guttenberg als Ihr Wirtschaftsminister die Tasche zuhielt, als es um Bürgschaften ging, die ein Fenster für eine Verselbstständigung von Opel aufgemacht hätten. Das wäre der entscheidende Punkt gewesen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ging niemals darum, einem US-amerikanischen Konzern, der nicht in der Lage war, seine Produktionslinie so zu fahren, dass ihm auch jemand die Autos abkauft, das Geld in die Taschen zu werfen, sondern darum, ein Fenster für selbstständige Opelstandorte aufzumachen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Und jetzt stellen Sie sich hierhin und machen einen auf mitfühlenden Liberalismus. Das finde ich verlogen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wo war denn Ihr Herr Papke damals, als andere vor den Werkstoren standen? Ich stand da zusammen mit anderen in der großen Opelkrise und habe das auch jetzt getan. Wo war denn damals Ihr Fraktionsvorsitzender Papke? Wir haben von der FDP nichts gesehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie haben damals schon hier ideologische, marktradikale Reden gehalten, und das tun Sie auch noch heute.

(Christian Lindner [FDP]: Prosa!)

Worum geht es wirklich? – Es geht darum, dass die Belegschaft jetzt entscheiden muss, ob sie ihre Abstimmung gegen den Sanierungsplan noch einmal revidieren will. Diese Entscheidung muss die Belegschaft in ihrer eigenen Verantwortung treffen, und das tut sie auch vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen mit diesem Management. Ich finde, das ist eine Entscheidung, die dort bleiben muss, wo sie auch hingehört, nämlich in Bochum und in den Händen der Belegschaft. Das ist das eine.

Das Land – und das haben Sie, Herr Lindner, in genauso verzerrter Weise dargestellt – ist schon lange, und zwar seit Monaten, aktiv. Wenn Sie sich ein bisschen mit der Situation in Bochum auskennen

würden und einmal da gewesen wären, dann wüssten Sie das auch.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Hei- terkeit von der FDP)

Das Land versucht seit Wochen und Monaten, genau diese Perspektive 2022 aufzubauen. Ich will Ihnen, Herr Lindner, noch einmal vor Augen führen, woran man merkt, dass Sie keine Kenntnis von der örtlichen Lage haben. Wer jetzt von newPark redet, versteht überhaupt nicht, was das Aus von Opel strukturell für eine Stadt wie Bochum bedeutet. Wir haben riesige Werksflächen in der Stadt, riesige industrielle Brachen, wenn sich das Unternehmen zurückzieht.

(Christian Lindner [FDP]: Das ist unglaublich! Zunächst einmal geht es um Arbeitsplätze!)

Es muss gemeinsame Aufgabe – daran arbeitet auch der Wirtschaftsminister – des Unternehmens, das die verdammte Pflicht und Schuldigkeit hat, auch für Anschlussbeschäftigung zu sorgen, und der Stadt sein, diese Brachflächen so zu reaktivieren, dass darauf in Zukunft wieder Beschäftigung entstehen kann.

(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjür- gen [CDU]: Dann muss man das Baurecht ändern, liebe Kollegin!)

Sie reden aber von newPark. Warum reden Sie von newPark? Sie reden davon, weil Sie hoffen, einen Keil in die Landesregierung treiben zu können,

(Christian Lindner [FDP]: Der Keil ist schon da! – Christof Rasche [FDP]: Der ist sooo groß!)

der an der Stelle überhaupt nicht vorhanden ist. Es geht bei Ihnen immer nur um die Frage, ob Sie Ihr parteipolitisches Profil schärfen können oder nicht. Es muss aber um die Menschen gehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich will nur noch einen letzten Satz an den Bundestagskandidaten der CDU aus dem Ruhrgebiet richten. Ich hoffe, dass Ihr kraftvoller Einsatz für Bochum hier und heute auch noch nach September da ist. Wir hatten bislang wenig Gelegenheit für einen gemeinsamen kraftvollen Einsatz. Aber vielleicht hilft Ihr Engagement ja in der Zukunft. Die Bundesregierung wird jetzt an dieser Stelle sicher auch gebraucht werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)