Protokoll der Sitzung vom 26.04.2013

Vielen Dank, Herr Minister Remmel, für die Unterrichtung. – Ich eröffne die Aussprache zur Unterrichtung und erteile als erstem Redner Herrn Kollegen Deppe von der CDU das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Jede Entscheidung, die wir Menschen treffen, treffen wir in einem ganz speziellen zeitlichen und sachlichen Kontext, immer auf der Basis der Fakten und Erkenntnisse, die zu dem Zeitpunkt der Entscheidung bekannt und verfügbar sind, und immer nach bestem Wissen und Gewissen. So war es 2007, so war es wohl 2012, und so wird es hoffentlich auch heute, 2013, sein. Ich hoffe, dass sich die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen sehr gut überlegt haben, welche Auswirkungen die verstärkte öffentliche Diskussion auf dem Ausgang des Gerichtsverfahrens haben wird.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Wenn man eine Woche vor diesem wichtigen Gerichtstermin diesen Weg beschreitet, dann sollte man sehr gute Argumente haben und sich sicher sein, dass dieses Vorgehen dem Prozess wirklich nützt.

Wie war die damalige Situation? In der Nacht vom 18. auf den 19. Januar 2007 tobte über unser Land ein Orkan, wie wir ihn in Nordrhein-Westfalen noch nie erlebt hatten. Der Name „Kyrill“, den die meisten von uns wahrscheinlich in Zusammenhang mit dem russischen Alphabet gebracht hätten, wird sich bei denen, die diesen Orkan miterlebt haben, für ihr Leben unauslöschbar einprägen. Den Sturm Kyrill werden die Menschen im Sauerland und im Siegerland in ihrem Leben nie mehr vergessen. Und ich bin sicher, dass die Menschen noch in Generationen etwas mit dem Namen „Kyrill“ anzufangen wissen.

Ein Blick auf die Zeitungsüberschriften am Tag danach: „Orkan Kyrill fegt über Deutschland hinweg“, „Monstersturm fordert Menschenleben“, „Chaos und Tote durch Kyrill“, „So wütete Orkan Kyrill über Deutschland“, „Orkan Kyrill verursacht Milliardenschäden“. Wir könnten wahrscheinlich alle Zeitungen des Landes ähnlich zitieren.

Sie erinnern sich sicherlich noch an die Bilder: Häuser mit abgedeckten Dächern, von Bäumen zerstörte Häuser, umgekippte Lastwagen, von Bäumen zerquetschte Autos, kahle Bergkuppen, wo dreißig Minuten vorher noch dichte Wälder waren, ehemals bewaldete Hänge, die aussahen, als hätte ein Messer sie einfach wegrasiert. Das war die Situation, die von außen sichtbar war. Als es dann in den Wald ging, wurde das ganze Ausmaß des Schadens für die Natur sichtbar.

Natürlich haben wir uns hier im Landtag sofort und in den Folgemonaten immer wieder mit dieser Katastrophe befasst. Eine eindrucksvolle Schilderung will ich Ihnen – mit Erlaubnis der Präsidentin – heute zitieren. Zitat aus der Plenardebatte:

„Vor einer Woche habe ich versucht, nach Hause zu kommen. Ich bin an der Kreisgrenze gescheitert, 20 km von Zuhause weg. Ich kam nicht über die Höhe, weil alle vier Straßen gesperrt worden waren.“

(Zuruf von der SPD: Zum Thema!)

„Bäume hinter mir fielen zu Boden, Bäume vor mir fielen zu Boden. Ich musste dort übernachten.“

(Unruhe)

Hören Sie erst einmal zu! –

„Am nächsten Tag konnte ich in Augenschein nehmen, welche schrecklichen, verheerenden Wirkungen dieser Sturm in meiner Heimat gehabt hat. … dass gestandene Männer am Rande ihres Waldes stehen und mit Tränen in den Au

gen nicht nur die eigene Arbeit dahinsinken sehen, sondern auch die Arbeit ihrer Väter und Großväter“

(Unruhe – Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen; es ist meine Redezeit, nicht Ihre –

„und die Perspektive ihrer Kinder. Es ist etwas anderes, wenn beispielsweise die Jahresernte eines Kartoffelbauern vor die Hunde geht – der kann im nächsten Jahr wieder anfangen. Ein Waldbauer wird die Früchte seiner eigenen Arbeit angesichts der Zerstörung, die jetzt festzustellen ist, nicht erleben können.“

Herr Kollege Deppe, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Frau Kollegin Beer würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Lassen Sie mich bitte zunächst das Zitat zu Ende führen. Dann kann Frau Beer gerne diese Zwischenfrage stellen.

„Der Waldbauer arbeitet für zukünftige Generationen.“

Meine Damen und Herren, diese wahrlich eindrucksvolle und plastische Schilderung stammt von unserem Kollegen, von unserem jetzigen Minister Johannes Remmel in der Landtagsdebatte am 25. Januar 2007. Ich glaube, es ist gut, dass diese Schilderung hier in Erinnerung gerufen wird. – Bitte schön.

Frau Kollegin Beer.

Sehr geehrter Herr Kollege Deppe, danke schön, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben dargestellt, wie damals dieses singuläre Ereignis gewirkt hat. In der Tat war es außerordentlich. Würden Sie uns bitte im Folgenden darstellen, warum auf der Grundlage eines singulären Ereignisses auf Jahre ein Kahlschlag in Nordrhein-Westfalen von der damaligen Regierung auf den Weg gebracht worden ist.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Möbius [CDU]: Er hat 20 Minuten Zeit!)

Frau Kollegin Beer, ich weiß nicht, ob Ihre Wortwahl „ein singuläres Ereignis“ der Dramatik der damaligen Situation gerecht wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben hier über Wochen immer wieder Debatten geführt. Ich muss sagen: Damals hat sich Herr

Remmel für seine Heimatregion sehr engagiert eingesetzt. Das war auch richtig so.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Es ist auch vollkommen in Ordnung, wie er die heutige Situation dargestellt hat.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Da hilft es überhaupt nichts, wenn Sie versuchen, bei diesem wahrlich wichtigen und schwierigen Thema irgendein parteipolitisches Süppchen zu kochen. Der Minister hat es auf jeden Fall nicht getan.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Kollege Deppe, bevor Sie in Ihrer eigentliche Rede fortfahren, weise ich darauf hin, dass es einen zweiten Wunsch nach einer Zwischenfrage gibt, diesmal von Herrn Kollegen Ellerbrock.

Ja, gerne.

Herr Kollege Deppe, können Sie vielleicht der Kollegin Beer darstellen, welche Teile dieses Parlaments sich im besonderen Maße dafür eingesetzt hatten, sofort und umfänglich das Holz aus dem Wald herauszuholen? Das war nach meiner Erinnerung sicherlich in verantwortlicher Weise ihr damaliger umweltpolitischer Sprecher. Vielleicht könnten Sie das Frau Beer in Erinnerung rufen.

Herr Ellerbrock, ich denke, wir alle waren uns damals einig, dass die Situation im Sauerland und im Siegerland ganz schnell bereinigt werden muss, dass das Holz aus dem Wald herauskommen muss. Es war natürlich so, dass die damalige Opposition – ich schaue speziell Herrn Remmel an, der damals der Sprecher der Grünen war – das mit Nachdruck gefordert und gesagt hat, es geht nicht schnell genug, und wir müssen voranmachen. Das ist doch selbstverständlich.

(Zuruf von der CDU: So war das!)

Wichtig war, dass wir uns damals alle einig waren, dass eine außergewöhnliche Situation im Land, eine Naturkatastrophe, wie wir sie in NordrheinWestfalen bisher nicht erlebt hatten, gemeinsam bereinigt werden muss.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Kollege Deppe, ich will Sie nicht ein drittes Mal unterbrechen. Ich möchte Sie und insbesondere die Kolleginnen und Kollegen darauf hinweisen, dass ich gemäß § 33 Abs. 3, der sich mit den Zwischenfragen beschäftigt,

in der Lage bin zu entscheiden, dass nicht mehr als zwei Zwischenfragen zugelassen werden. Das würde ich jetzt gern tun, damit Herr Kollege Deppe seine Rede fortsetzen kann.

(Zuruf von den GRÜNEN: Zur Sache!)

Meine Damen und Herren, wie die Situation vor Ort war, habe ich dargestellt. Mit Zahlen kann man die Verwüstungen kaum beschreiben, doch ich will sie trotzdem nennen.

Insgesamt fielen in dieser Nacht dem Sturm 15,7 Millionen Festmeter auf einer Fläche von 50.000 ha zum Opfer. 25 Millionen Bäume, mehr als Nordrhein-Westfalen Einwohner hat, sind in einer Nacht wie Streichhölzer vom Sturm umgeknickt worden. Es ist ein Schaden von mehr als einer halben Milliarde Euro prognostiziert worden.

Wenn Sie die 15,7 Millionen Festmeter mit dem jetzt in Rede stehenden Problem, nämlich einer Lieferverpflichtung von 500.000 Festmetern, in Zusammenhang bringen, dann ist dies noch nicht einmal ein Dreißigstel des Volumens, das damals zu bewältigen war. Ich glaube, das muss man auch sehen, wenn man heute sagt, dass der Vertrag vielleicht in zu großem Umfang abgeschlossen worden ist.

(Beifall von der CDU)

Wir haben damals befürchtet – die Debatten haben doch diejenigen, die hier waren, miterlebt –, es würde Jahre dauern, bis das Sauerland wieder aufgeräumt sein würde. Man hatte Sorge um den Tourismus. Die Leute kommen, weil sie die Landschaft genießen wollen und nicht weil die Wege gesperrt sind und sie die Wälder nicht mehr betreten können. Es ging darum, das Holz so schnell wie möglich aus dem Wald zu schaffen.

Wir haben darüber gesprochen, dass wir die Straßen ertüchtigen, Bahnstrecken reaktivieren und Holzlagerplätze eingerichtet werden müssen. Neben diesen Aspekten des Tourismus und der Landschaft ging es auch darum zu verhindern, dass der Borkenkäfer mit Eintreten der wärmeren Temperaturen auf diese Flächen kommt und dann das, was an Holz liegt, restlos zerstört und den intakten Wald auch noch befallen würde. Das war damals die Situation.

(Beifall von der CDU)