Protokoll der Sitzung vom 26.04.2013

von der CDU nach Kyrill tatsächlich einen Vertrag mit dem Unternehmer Klausner. Doch dieser hatte mit dem Orkan nur am Anfang etwas zu tun. Denn der Vertrag sieht vor, dass das Land bis 2014 jährlich 500.000 Festmeter Frischholz an das Unternehmen liefern muss. Die Betonung liegt auf „frisch“. In dem Vertrag geht es eben nicht um die Kyrill-Bestände. Der Wert dieses Deals: eine halbe Milliarde Euro!

(Beifall von den PIRATEN und der SPD)

500.000 Festmeter, das ist ein halbes Empire State Building angefüllt mit massivem Holz, jedes Jahr. So viel Holz hat das Land der Firma Klausner per Vertrag zugesichert, pro Jahr.

Das Problem ist nur: So viel Holz kann das Land NRW aus dem Staatswald gar nicht liefern – wenn es richtig gut läuft, gerade mal weniger als die Hälfte. Und das ist nicht erst seit heute bekannt, sondern das war es auch schon zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

Es wird jedoch noch seltsamer. Die behördliche Zuständigkeit für das Holzgeschäft war erst kurz vor Vertragsschluss von dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW auf die Landesforstverwaltung im Ministerium für Landwirtschaft übertragen worden. Wer glaubt, dass ein Vertrag mit Lieferungszusagen vom Land im Wert von einer halben Milliarde Euro in einem Rechtsstaat wie Deutschland selbstverständlich in einem transparenten Vergabeverfahren ausgeschrieben wird, wird hier eines Besseren belehrt.

(Beifall von den PIRATEN)

Stattdessen – so konstatiert ein Gutachten von Prof. Dr. Andreas Schulte aus dem Jahre 2008 – hat der Leiter der Landesforstverwaltung im Ministerium für Landwirtschaft den Vertrag freihändig vergeben, also ohne erkennbaren Wettbewerb und ohne transparentes Vergabeverfahren. Nach allem, was wir heute wissen, hat noch nicht einmal der damalige Landwirtschaftsminister Uhlenberg diesen Vertrag unterzeichnet.

Es ist mir unbegreiflich, wie der damalige Leiter der Landesforstverwaltung unter noch nicht geklärten Umständen diese schriftlichen Zusagen mit von ihm ausgewählten Firmen machen konnte. Wurde dieser Vertrag mit explizitem Wissen des damaligen Ministers Uhlenberg geschlossen? Warum hat er dann nicht selbst unterschrieben? Wir Piraten fordern hier politische Aufklärung.

(Beifall von den PIRATEN)

Staatliches Handeln bedarf immer der Kontrolle der Öffentlichkeit und des Parlaments. Das sieht man hier mal wieder ganz besonders deutlich. Es ist ein Skandal, dass ein Beamter des Ministeriums einen Vertrag im Gegenwert von 500 Millionen € unterzeichnen kann, ohne dass es zu einem transparenten Vergabeverfahren kommt.

Darum ist die Forderung nach Transparenz nicht nur eine politische Mode, wie das Herr Schemmer gestern formulierte, sondern unabdingbar für das Funktionieren der Demokratie und im Kampf gegen Inkompetenz und Korruption.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Geschichte dieses unsäglichen Vertrages ist jedoch noch nicht zu Ende. Der erste Fehler der damaligen schwarz-gelben Landesregierung war es, den Vertrag abzuschließen. Denn der war nicht nur unerfüllbar, sondern garantierte noch dazu einem einzelnen Unternehmen ohne Sitz in NRW das Monopol auf hiesiges Staatsholz. Ansässige Unternehmen gingen leer aus.

Dann machte die Landesregierung einen weiteren kapitalen Fehler. Im Jahr 2009 nahm die Firma Klausner kein Holz des Landes mehr an, weil der Holzpreis zwischenzeitlich so stark gefallen war, dass sich nicht einmal mehr das Sägen gelohnt hätte. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit gewesen, aus dem Vertrag auszusteigen. Und was tat die Landesregierung? Sie „kündigte“ den Vertrag, aber – jetzt halten Sie sich fest – das tat sie, so berichtet man, nur mündlich. Jeder, der einen Telefonanschluss kündigen will, weiß, dass er besser ein Einschreiben schickt. Die Landesregierung wusste das offenbar nicht.

(Beifall von den PIRATEN und der SPD)

Die Firma Klausner will nichts von einer Kündigung wissen. Das OLG Hamm hat ihr recht gegeben. Das Land ist weiterhin an die Verträge gebunden.

Das Verhalten der Landesregierung, eine mündliche Kündigung nicht schriftlich zu dokumentieren, ist dermaßen amateurhaft, dass es einem die Sprache verschlägt!

(Beifall von den PIRATEN und der SPD)

Diese doppelte Unfähigkeit – erst der katastrophale Vertragsinhalt, dann die vergeigte Kündigung – wirkt so unwahrscheinlich, dass ich mich frage, ob am Ende nicht vielleicht doch Absicht hinter der ganzen Sache steckte. Ich selbst kann mir das nur mit drei Begründungen erklären: erstens himmelschreiende unfassbare Inkompetenz oder zweitens Korruption oder drittens beides zusammen.

(Beifall von den PIRATEN)

Ein erster Schritt der Aufklärung würde darin bestehen, die Verträge mit der Klausner GmbH endlich offenzulegen. Bisher weigert sich der jetzige Umweltminister Remmel jedoch. Erstaunlich! Dabei hat er selbst im Jahr 2008, als er noch in der Opposition saß, die Offenlegung dieser Verträge gefordert. Herr Remmel, was ist da los? Warum sorgen Sie nicht für die Klarheit, die Sie selbst vor einigen Jahren noch gefordert haben?

Eines wissen wir jetzt schon: Diese ganze Causa Klausner stinkt gewaltig. Sie stinkt zum Himmel.

Und sie ist noch lange nicht vorüber; denn die eigentlichen Kosten kommen jetzt erst auf das Land zu. Die Firma Klausner fordert Schadenersatz und beharrt auf Erfüllung ihrer Verträge. Das ist ihr gutes Recht. Aber das Land wird dies einen dreistelligen Millionenbetrag kosten.

Wichtig ist, dass jetzt Konsequenzen folgen. Wir brauchen hier maximale Transparenz!

(Beifall von den PIRATEN)

Zugleich müssen sämtliche rechtlichen Möglichkeiten zur Kündigung oder zur Abwicklung des Vertrages ausgelotet werden.

Und wir müssen Regeln finden, die verhindern, dass sich solche Vorfälle wiederholen. Dazu müssen sie mit Sanktionen bedroht sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Vor allem aber muss für diesen Vertrag mit der Firma Klausner von politischer Seite Verantwortung übernommen werden, und zwar zuallererst von der CDU und ihrem ehemaligen Umweltminister Uhlenberg. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Schwerd. – Für die Landesregierung hat sich noch einmal Herr Minister Remmel zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige Bemerkungen zur Debatte.

Zunächst zum kritischen Hinterfragen von Herrn Deppe und Herrn Busen hinsichtlich der Unterrichtung heute Morgen! Ich will Ihnen zurufen: Das ist genau der Unterschied dieser Landesregierung zu einer Landesregierung, die von Ihnen getragen worden ist. Wir nehmen das Parlament ernst, und wir respektieren die Parlamentsrechte!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Hätten Sie das mal damals gemacht, das Parlament rechtzeitig unterrichtet, dann hätten wir vielleicht Schaden abwenden können von diesem Land!

(Zuruf von Christian Möbius [CDU])

Das ist der Hintergrund unserer heutigen Unterrichtung!

Das höchste Gut des Parlamentes ist das Budgetrecht, das Bestimmen darüber, was mit dem Vermögen des Landes passiert. Hier ist es zu einem Handeln über das Vermögen des Landes gekommen, über das das Parlament zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht unterrichtet war.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das muss an dieser Stelle auch thematisiert werden, wenn wir vor einem neuen Vermögensverlust stehen!

Was die Frage nach der Offenlegung der Verträge angeht, so haben wir aus den Unterlagen nachvollzogen, dass das Parlament seinerzeit in einer Verschlusssache unterrichtet worden ist. Wir gehen dem noch nach und werden Sie auf diesen Vorgang hinweisen.

In dem aktuellen Fall prüfen wir auch, ob und in welcher Weise wir in dieser rechtlich schwierigen Situation dem Informationsbegehren von außerhalb nachkommen. Wir haben selbstverständlich kein Problem damit, über das, was rechtlich möglich ist, sofort offen zu informieren.

Zum Zweiten. Ich hoffe, ich habe deutlich gemacht, Herr Deppe: Es geht nicht mehr darum, Schaden vom Land abzuwehren. Der Schaden ist bereits entstanden.

(Beifall von der SPD)

Es geht darum, weiteren Schaden zu verhindern. Alles andere wäre eine Illusion.

Es geht drittens darum – auch deshalb diese Unterrichtung –, in einer rechtlich schwierigen Situation politische Rückendeckung dafür zu bekommen, den eigentlichen Zweck, warum wir einen Landesbetrieb Wald und Holz haben, warum wir einen Staatswald weiterführen, vor allem gegenüber der heimischen Sägewirtschaft zu begründen. Denn wenn wir per Einstweiliger Verfügung zur Vertragseinhaltung gezwungen würden, müssten wir langjährige Lieferbeziehungen, langjährige Verflechtungen mit der heimischen Wirtschaft kappen. Das ist die große Sorge. Da erwarte ich politische Unterstützung: um einerseits die rechtlichen Verpflichtungen, die uns das Landgericht aufgegeben hat, für 2013/2014 zu erfüllen und um andererseits gleichzeitig gewachsene Verpflichtungen und heimische Arbeitsplätze zu schützen. Das ist ein Spagat, der der politischen und rechtlichen Unterstützung bedarf. Deshalb diese Unterrichtung heute Morgen.

(Beifall von der SPD)

Ein weiterer Punkt, Herr Deppe, den Sie bis heute nicht haben erklären können – das ist in der heutigen Debatte noch mal klar geworden –: Bei aller Dramatik der damaligen Situation wissen alle Expertinnen und Experten, die etwas von Holz verstehen, dass Holz eine verderbliche Ware ist. Man kann nach einem solchen Ereignis allenfalls erreichen, dieses Holz noch drei bis vier Jahre zu vermarkten.

Warum dann ein Vertragsabschluss über sieben Jahre erfolgt ist, haben Sie bis heute nicht erklären können. Das kann doch nur damit zusammenhängen, dass man den Bestrebungen des Vertragsnehmers, zu einer Marktbereinigung zu kommen, zumindest indirekt zum Erfolg verhelfen wollte. Anders kann ich mir nicht erklären, warum man über

sieben Jahre Vermögen des Landes an einen einzigen abgibt.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)