Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

Meine Damen und Herren, wir fordern Sie hier und heute auf: Bringen Sie ein Sofortprogramm auf den Weg, und erklären Sie dem Parlament verbindlich, wie Sie die Mitarbeiter jetzt schnell bezahlen wollen! Zahlen Sie das Gehalt unbürokratisch aus, und nutzen Sie alle Möglichkeiten, um die Ursachen des Problems zu beheben!

Das Wichtigste ist aber, dass hier und heute ein Signal an die Studierenden ausgeht, dass es uns nicht egal ist, wenn sie unverschuldet in Finanznöte geraten.

(Dietmar Bell [SPD]: Dass Sie die Studienge- bühren wieder einführen wollen!)

Politik ist Kümmern. Also kümmern Sie sich auch!

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Dr. Paul.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier und daheim! Lieber Herr Dr. Berger, ich möchte das einfach einmal erwähnen: Ich hatte heute Morgen bei Ihrer Rede ein paar Mal – nicht an allen Stellen – das Bedürfnis, zu klatschen. Ich sage das, weil es eher selten vorkommt.

(Lachen von der CDU)

Worum geht es? – Es geht um die sogenannten – jemand hat das im Ausschuss mal so bezeichnet; ich weiß gar nicht mehr, wer – Heinzelmännchen im System der Hochschulen, die dafür sorgen, dass die Hochschulen auch stehen können in dem, was sie tun. Ohne diese Menschen geht gar nichts.

Ich habe eine Gemeinsamkeit mit Herrn Minister Walter-Borjans festgestellt: Er hat gerade erwähnt: „studentische Hilfskraft aus nicht reichem Elternhaus“. Das hat auf mich genauso zugetroffen. Auch ich hatte einmal mit Zahlungsverzügen zu tun, nicht nur in Bochum an der Ruhr-Universität, sondern sogar später an der privaten Universität Witten

Herdecke, was zeigt, dass die Privaten es auch nicht besser können.

Nur heute, Herr Borjans, ist das eine andere Nummer. Früher stand vielleicht einmal der Vermieter auf der Matte, und dann hätte man sagen können: „So und so ist das“; oder man hat sich bei Freunden durchgefuttert. Heute ist es so, dass nahezu automatisch Mobilfunkverträge gekündigt oder ausgesetzt werden, wenn die Menschen nicht zahlen können. Der Internetanschluss ist weg. Heutzutage ist das absolut existenzbedrohend; das muss mal klar gesagt werden!

(Beifall von den PIRATEN)

Da geht es nicht einfach um Kommunikation oder so etwas. Das produziert Stress, und wenn dann vielleicht bei dem einen oder anderen noch eine Prüfung ansteht, ist das umso schlimmer.

Aber das eigentliche Problem – ich möchte hier auch gar nicht diese Studiengebührendebatte wieder aufmachen – ist ein ganz anderes. Wer vor der Aufgabe steht, eine neue Software einzuführen – in dem Fall SAP; ich möchte die Software nicht kritisieren, das hebe ich hervor –, weiß, dass es Probleme geben wird. Das ist so. Er weiß das vorher, und dann muss er vorher dafür sorgen, dass für die kritischen Fälle Abhilfe geschaffen wird.

(Beifall von den PIRATEN)

Am Samstag letzter Woche hat sich meine alte Clique getroffen. Diesmal war einer dabei, den ich seit 35 Jahren nicht mehr gesehen hatte. „Was machst Du? Ah ja, du bist in der Politik.“ Er, sagte er, sei im Key Account Management von SAP. Nach zehn Sekunden fiel das Stichwort „LBV“, und er fing schallend an zu lachen.

Wenn man es bei den Verträgen für studentische Hilfskräfte mit Hunderten oder gefühlten Tausenden von verschiedenen Versionen zu tun hat und das vorher weiß, ist es umso wichtiger, Abhilfe zu schaffen, wenn man die Verträge auf eine neue Software umstellt. SAP besitzt den Vorteil, standardisieren zu können. In dem Fall wirkt es sich im ersten Moment eher als Nachteil aus. Wenn eine solche Aufgabe zugunsten des Gesamtbetriebs erfüllt werden muss, muss man vorher dafür sorgen, dass das Kind nicht in den Brunnen fällt und dass es nicht auch noch die Schwächsten im System trifft. Etwas anderes ist schlicht nicht hinzunehmen.

(Beifall von den PIRATEN)

Man muss – das ist ein konstruktives Angebot – einmal darüber nachdenken, ob so viele verschiedene Verträge wirklich notwendig sind.

Auf der anderen Seite – das macht mich persönlich betroffen – sind die Vorgänge um die monatelangen Zahlungsverzüge dazu angetan, dem Land Nordrhein-Westfalen als Wissenschaftsstandort Schaden zuzufügen. Was mich persönlich besonders trifft: Es

dient auch nicht dem Ansehen des öffentlichen Dienstes bei den Leuten, die betroffen sind und sich vielleicht überlegen, ob sie in den öffentlichen Dienst gehen. Das macht mich besonders betroffen. Ansonsten sind wir immer für konstruktive Lösungen zu haben. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Walter-Borjans.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Optendrenk, es scheint Sie ja unglaublich umzutreiben, dass ein nordrhein-westfälischer Finanzminister hin und wieder auch ins Schweizer Fernsehen kommt. Wenn Sie dabei schlecht schlafen können, dann kann ich Ihnen nicht helfen. Ich weiß nicht, was das mit diesem Thema zu tun hat. Aber an dieser Stelle kann ich Ihnen keine Besserung versprechen. Es könnte sein, dass sich das noch fortsetzt.

Jetzt aber wieder zum Thema zurück. Wir haben eine Umstellung auf SAP. Dass eine solche Umstellung, Herr Paul, nicht ohne Probleme läuft, weiß jedes Unternehmen, das so etwas irgendwann einmal gemacht hat. Das wusste auch das LBV.

Deswegen hat dieses LBV erstens im Juni 2012 an die Hochschulen geschrieben, dass es umstellt, und darauf hingewiesen, dass es hier Probleme geben könnte. Es hat im Januar 2013 erneut an die Hochschulen geschrieben und darauf hingewiesen. Es hat im Mai auch noch einmal geschrieben und mitgeteilt: Wir kriegen Probleme mit der Umstellung und auch mit der Überweisung der Zahlungen, weil zwischenzeitlich erkennbar geworden ist, dass die Planung des LBV, diese Umstellung natürlich nicht dann zu vollziehen, wenn die Welle von Neueinstellungen von Hilfskräften kommt, sondern sie vorher abgeschlossen zu haben, nicht funktioniert; die Umstellung auf SAP konnte bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewährleistet werden. Man sah: Die Umstellung schiebt sich in diese Welle hinein. Das war das Problem.

Das Problem habe ich nicht verschwiegen. Das habe ich auch nicht persönlich zu verantworten. Ich habe auch keine Überweisung persönlich unterlassen. Aber dass wir dieses Thema intern diskutiert und vorher Wert darauf gelegt haben, dass bitte schön diese Umstellung vor der großen Welle der Neu- und Wiedereinstellungen erfolgt, das können Sie wohl glauben. Aber es ist der Fall eingetreten, dass diese beiden Dinge zusammengekommen sind.

Die Hochschulen – mit dieser Anmerkung verschiebe ich nicht etwa die Last auf die Hochschulen – haben die Möglichkeit, etwas zu tun. Das habe ich

auch im Haushalts- und Finanzausschuss gesagt. Ich habe die Bitte an sie gerichtet, hier selbst schnell und unbürokratisch zu handeln, weil ja nie infrage stand, ob das Geld bezahlt werden soll oder nicht.

Es merkt doch jeder, dass diese Sprüche, die hier heute laufen – die Beschäftigten sollten ohne Geld arbeiten, das sei ein Schaden für den Wissenschaftsstandort Deutschland, wenn eine studentische Hilfskraft ihr Geld ein paar Monate später bekomme –, an den Haaren herbeigezogen sind.

Es handelt sich im Übrigen um den Kreis von Personen, bei dem Sie, liebe Opposition, 500 € pro Semester abkassieren wollten. Das haben wir ja abgeschafft. Dass das jetzt auf der anderen Seite für diejenigen, die Arbeit leisten, damit nicht einhergehen darf, dass sie ihr Geld nicht erhalten, ist doch klar.

Wer heute verkündet, die kriegten erst im September ihr Geld, der erzählt die Unwahrheit.

(Marcel Hafke [FDP]: Das haben Sie gesagt!)

Wir haben gesagt, dass es sein kann, dass die regulären Zahlungen für den Monat Mai oder Juni erst im September kommen könnten. Aber es gibt Abschlagszahlungen. Gäbe es eine Umstellung bei den Ministergehältern und die Minister erhielten in den ersten Monaten Abschlagszahlungen, dann würden die Minister das auch in Kauf nehmen können.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Das habe ich schon einmal.

Sie unterstellen doch, die Menschen müssten betteln gehen, ihnen würde der Strom abgedreht.

Ich sage noch einmal: Wir reden hier über einen Personenkreis, von dem ich nicht nur erwarte, sondern bei dem ich auch sicher bin, dass er in der Lage ist, sich bei seiner Universität zu melden, wenn er keine Reserven hat und eine Zahlung ausgefallen ist. Davon kann man doch wohl ausgehen. Da, wo diese Meldung erfolgt ist und die Meldung das LBV erreicht hat, ist auch ein Abschlag gezahlt worden.

Diese Horrormärchen, die Sie hier bringen, die müssen Sie aufkochen, die müssen Sie dramatisieren, die müssen Sie überzeichnen, weil Sie sonst irgendwann der Öffentlichkeit sagen müssen, dass Ihnen nichts anderes einfällt und dass Sie jedes Thema abkochen, bis nichts mehr übrig bleibt.

Wir sind gerade hier in der fünften oder sechsten oder siebten Runde dieses Themas. Es werden wahrscheinlich noch drei oder vier folgen. Aber ich glaube, dann hat jeder gemerkt, worum es Ihnen eigentlich geht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Dr. Berger.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rot-Grün hat heute Morgen eine große Chance verpasst, nämlich Verantwortung zu übernehmen für einen Vorgang, der uns alle befasst und – das darf ich sagen – den Sie von den Regierungsbänken und von den regierungstragenden Fraktionen nicht im Parlament haben wollen, der aber von den Betroffenen und von der Opposition ins Parlament getragen worden ist. Dass das so gekommen ist, das ist einer Regierung, einer Landesregierung unwürdig. Sie haben sich um Ihre Beschäftigten zu kümmern

(Beifall von der CDU)

und nicht die Opposition zu beschimpfen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben heute Morgen – ich fange einmal bei Herrn Schultheis an – gehört, es wäre unanständig, wäre Trittbrettfahrerei, wäre alles Mögliche, dass die Opposition dieses Thema hier aufbringt. Aber wenn Sie solche Vorwürfe an uns adressieren, dann können Sie vielleicht auch einmal Ihre ganze Energie dafür aufwenden, Ihre Landesregierung dahin zu bringen, dass dieses Problem endlich gelöst wird.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Mostofizadeh, bei Ihnen gilt – Sie gehören ja auch einer Fraktion an, die das große Latinum gerne abschaffen würde –: Si tacuisses, philosophus mansisses. – Sie haben in Ihrer ganzen Rede nicht einen Vorschlag gebracht, wie diese Situation zu verbessern sei. Sie haben uns nur beschimpft, aber nichts gebracht. Das ist zu wenig für jemanden, der Finanzpolitik in Nordrhein-Westfalen machen will.

(Beifall von der CDU und der FDP)