Lassen Sie mich an dieser Stelle an den ersten Glücksspielstaatsvertrag erinnern: Am 1. Januar 2008 trat er in Kraft. Am 8. Oktober 2010 scheiterte er vor dem Europäischen Gerichtshof, also knapp drei Jahre nach seinem Inkrafttreten.
Das ist – neben der Novellierung – einer der Gründe – der Minister hat das eben erwähnt –, dass wir uns heute auch wieder mit einem Glücksspielstaatsvertrag, mit einem Änderungsstaatsvertrag, beschäftigen müssen, weil wir nämlich auch der europäischen Gesetzgebung Rechnung tragen müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wir hatten Ihnen das damals prophezeit. Wir hatten schon in den Beratungen 2008 darauf hingewiesen, dass dieser Staatsvertrag nicht dem Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union entsprechen wird. Der EuGH bekräftigte zwar das Recht eines staatlichen Wettmonopols zum Schutz von Verbrauchern, aber die Richter kritisierten auch den Verstoß gegen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit und den nicht ausreichenden Versuch der Spielsuchtbekämpfung.
Deshalb orientieren wir uns an dem im rot-grünen Koalitionsvertrag festgehaltenen Grundsatz, am Prinzip der gesellschaftlichen Verantwortung sowie an Suchtprävention, Jugendschutz, der Kanalisierung illegalen Spiels, der Kriminalitätsbekämpfung, dem Schutz vor Manipulation und der Integrität der sportorientierten Glücksspielpolitik, welche nach unserer Auffassung die Förderung des Breitensports, der caritativen Organisationen, des Denkmalschutzes, der Kultur – das wissen Sie alle – sowie weiterer Verbände und Vereine aus dem gemeinnützigen Bereich sicherstellen. Dies ist von ganz enormer Bedeutung.
Wir werden uns daher im Ausschuss in einer möglichst zügigen, aber auch ausführlichen Beratung damit befassen. Ich unterstütze ausdrücklich den Wunsch des Ministers und hoffe, dass Sie uns dabei auch folgen können, möglichst ein zügiges Beratungsverfahren hinzubekommen – bei der Gewährung aller Rechte dieses Hauses und aller Fraktionen. Wir sprechen uns deshalb für eine konstruktive Beratung aus. Ich hoffe und freue mich auf gute Beratungen im Ausschuss und wünsche Ihnen ein herzliches Glückauf!
Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Biesenbach das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einiges von dem, was der Minister und der Kollege Töns gesagt haben, kann ich stehen lassen. Dem kann ich folgen. Das brauche ich nicht zu wiederholen. Das ist die Historie. Das sind die Ziele. Beides können wir bestätigen. Beides tragen wir mit.
Von daher ist vielleicht der Blick auf die Schwerpunkte des Glücksspieländerungsstaatsvertrages und des Entwurfs des Ausführungsgesetzes zu werfen.
Wir haben hier die Möglichkeit, ein Konzessionssystem für Sportwetten einzuführen. Das sind so die beiden wichtigen Dinge. Und wir haben – teilweise im Änderungsvertrag, teilweise im Ausführungsgesetz vorgeschlagen – eigentlich strenge Regelungen für Spielhallen. Insbesondere das Verbot von sogenannten Mehrfachkonzessionen hat ja zu erheblichen Debatten geführt.
Ich denke, Herr Minister, wir werden uns in den Ausschusssitzungen darüber ausführlich unterhalten. Die Ziele sind natürlich mitzutragen. Aber: Sind diese mit den vorgelegten Änderungen auch erreichbar? Sind sie umsetzbar?
Wir werden uns – wie immer – ferner mit den rechtlichen Ausführungen in der Kleinen Anfrage der Kollegen Abruszat und Höne auseinanderzusetzen haben. Auch sie gehören in das Thema. Die Anwaltskanzleien, die anschließend den Rechtsstreit führen wollen, haben Sie bereits benannt.
Dennoch werden wir, glaube ich, an einer Anhörung nicht vorbeikommen. In dieser Anhörung wird es darum gehen: Sind die Folgen in Bezug auf Suchtabhängigkeit so, wie sie geschildert werden? Denn sie sind ja nicht mehr unumstritten. Die Schilderungen sind nicht unumstritten. Ich verspreche mir gerade von den Anhörungen, dass wir dann auch die, die einer strengeren Regel skeptisch gegenüberstehen, überzeugen können, dass diese Regeln erforderlich sein werden, um eine Suchtgefährdung zu vermeiden. Aber das gilt es, Herr Priggen – Sie nicken gerade –, in der Anhörung überzeugend zu belegen. Dies wird im Anschluss auch die Debatte im Ausschuss erleichtern.
Ebenso ist in der Anhörung und der Ausschussarbeit zu klären, inwieweit finanzielle Folgen einzutreten haben, etwa für die Destinatäre. Wir haben noch keine Lösung dazu, wie sich der Wegfall von Zweckausgaben auswirkt. Aber die Folgenbetrachtung gehört natürlich auch zu einem Gesetz. Sie gehört auch zu dem, was wir wollen.
All die Arbeit soll – auch einverstanden – zügig und konkret im Ausschuss erfolgen. Dann werden wir hoffentlich abschließend hier zu einer konsensualen Lösung kommen. Wir bieten sie an. Wir stimmen natürlich der Überweisung an den Ausschuss zu.
Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Herrn Kollegen Priggen das Wort. Bitte schön.
Auch von meiner Seite aus, Herr Präsident, alles Gute an der neuen Stelle. Auf eine gute Zusammenarbeit!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann eigentlich nahtlos anschließen an das, was Kollege Biesenbach, Kollege Töns und auch der Innenminister vorhin schon gesagt haben.
Die Beschreibung der Situation, warum wir hier stehen: Auslaufen des alten Glücksspielstaatsvertrages, Probleme mit der EU-Rechtsprechung und der Änderungsstaatsvertrag, der bei uns im parlamentarischen Verfahren etwas hängt, weil durch die Neuwahlen alles in die Diskontinuität gefallen ist.
Richtig ist auch: Es braucht nur 13 Länder, nicht alle 16. Aber es ist sinnvoll, dass auch NordrheinWestfalen nachzieht, auch zügig nachzieht, weil wir im Rahmen der Aufgabenverteilung, bei der einzelne Länder einzelne Aufgaben für alle anderen übernehmen, eine wichtige Aufgabe zukünftig hier bei der Regierungspräsidentin in Düsseldorf haben.
Mein Kenntnisstand war auch, dass 13 Länder den Änderungsstaatsvertrag beschlossen haben und in Hessen in der nächsten Woche die zweite Lesung stattfinden soll. Das heißt, er wird damit am 1. Juli in Kraft treten.
Wir sollten gucken – wir haben ja auch noch einen Obleutetermin im Anschluss an diese Sitzung, bei dem wir uns über Anhörungen verständigen –, dass wir uns schnell und konsensual auf einen Termin und die Verfahrensweise einigen, damit wir in der angemessenen Gründlichkeit und mit den notwendigen Beteiligungsrechten im September die Anhörung durchführen können und möglichst im Oktober zu einer Beschlussfassung kommen, damit wir mit den anderen Ländern gleichziehen.
Der Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist in den anderen Bundesländern trotz wechselnder Regierungsmehrheiten immer beschlossen worden. Das heißt, es gibt ein hohes Konsenspotenzial, weil wir da zu gemeinsamen Regelungen kommen müssen.
Ich persönlich finde es auch erfreulich, dass sich die Position Schleswig-Holsteins ein Stück weit geändert hat und man sich dort der Position der anderen Bundesländer anschließt. Die neue Landesregierung in Schleswig-Holstein hat sich in Person des Ministerpräsidenten geäußert. Schleswig-Holstein möchte dem Vertrag auch beitreten, muss aber – richtigerweise – prüfen, mit welchen potenziellen Entschädigungsforderungen zu rechnen ist, weil auf der alten Grundlage Konzessionen vergeben worden sind, die bis zu einer bestimmten Jahreszahl
Gültigkeit haben. Da muss man schauen, wie die Schleswig-Holsteiner das sauber abwickeln können. Dann hätte man aber unter Umständen den Zustand, dass alle 16 Bundesländer den Staatsvertrag einheitlich tragen und man dann vernünftig damit arbeiten kann.
Detailfragen – unter anderem hinsichtlich der Destinatäre – müssen wir besprechen; das ist richtig. Geklärt werden muss auch, wie konkret die Regelungen in Bezug auf das Automatenspiel vor dem Hintergrund des dort vorhandenen Suchtgefährdungspotenzials zu fassen sind. Das können wir im Ausschuss und in der Anhörung aber in aller Gründlichkeit machen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Witzel. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da die FDP-Landtagsfraktion eine konstruktive Oppositionsrolle wahrnimmt, will ich zunächst einmal etwas Positives sagen: Im ganzen Beratungsverfahren des letzten Jahres hat Staatssekretär Lersch-Mense uns als Fachpolitiker sehr intensiv informiert. Wir haben regelmäßig Konsultationen gehabt und den Informationsstand gekannt. Das war bei anderen Staatsverträgen längst nicht üblich. Insofern ist am Beratungsverfahren keine Kritik zu üben.
Dass wir in unterschiedlichen Parteien und Fraktionen in unterschiedlichen Rollen sind und es in der Sache zu anderen Bewertungen kommen kann, ist klar. Das praktizierte Verfahren will ich hier aber ausdrücklich honorieren.
In der Sache sieht das Urteil für uns nicht so positiv aus – insbesondere dann nicht, wenn wir uns anschauen, dass der Europäische Gerichtshof in seinen letzten rechtlichen Entscheidungen unmissverständlich klargemacht hat, dass es in Deutschland zwingend auch neue Regelungen zum Glücksspielrecht geben muss.
Der allererste Entwurf für einen Glücksspieländerungsstaatsvertrag enthielt deshalb auch nur eine formale Öffnung des Glücksspielmarktes, die unzureichend war. Wäre er so ratifiziert worden, hätte er nichts von dem hinreichend erfüllt, was die Grundsätze von Kohärenz und Marktöffnung ansonsten bedingen. Im Gegenteil! Er hätte Marktwirtschaft und Wettbewerb beschränkt oder sogar verhindert. An dieser Stelle gab es Nachbesserungen.
Einer der markantesten Kritikpunkte war in § 9 Abs. 1 Nr. 5 zu finden. Dort ging es um die Beibehaltung der Netzsperren, die zum Beginn des Diskussionsprozesses eine große Rolle spielten. Da sagen wir als FDP-Landtagsfraktion im Rahmen der
sachlichen Abwägung: Gut, dass das in der aktuellen Version nicht mehr enthalten ist! Das ist eine richtige Entscheidung gewesen.
Eine teilweise Optimierung ist sicherlich auch darin zu sehen, dass ausgehend von der restriktiven Begrenzung der Sportwettenkonzessionen die Zahl von sieben auf 20 hochgesetzt worden ist.
Aber natürlich stellt sich auch hier die Frage: Reicht dies alles aus, um die europäischen Vorgaben damit zu erfüllen?
Wir haben deshalb als FDP-Fraktion mit Spannung das Notifizierungsschreiben der EU-Kommission erwartet. Diese hat nun deutlich gemacht, dass es dort durchaus noch offene Fragen gibt. Von grünem Licht kann bei ihren Äußerungen gegenüber den Staatskanzleien insgesamt also sicherlich nicht die Rede sein. Näheres weist die sogenannte Detailed Opinion der EU-Kommission aus.
Die EU-Kommission stellt sich immer noch die Frage der Gesamtkohärenz der Maßnahmen und erklärt, dass diese noch nicht abschließend in ihrer Gesamtwirkung beurteilt werden können.
Ein Nachweis über die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der Beschränkungen bei Sportwettenlizenzen fehlt der EU-Kommission nach wie vor. Daran hat alleine der Umstand der Erhöhung der Lizenzzahlen natürlich nichts geändert.
Die EU-Kommission definiert klare Kriterien, die zukünftig für rechtssicheres Glücksspiel gegeben sein müssen. In Erlaubnisverfahren müssen die Ausgestaltungen transparent und nicht diskriminierend sein. Vor allem müssen sie so sein, dass insbesondere staatliche Anbieter nicht bevorzugt werden. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode immer darauf hingewiesen, dass es ein großes Problem darstellt, wenn bei Sportwetten für private Anbieter deutlich höhere Hürden vorliegen als für staatliche.
Darüber hinaus kann die EU-Kommission nicht einschätzen, inwieweit die kritischen hohen Anforderungen der Lizenzerteilung überhaupt ein wirtschaftliches legales Glücksspielangebot ermöglichen. Auch in den Sprecherrunden waren wir uns immer einig, dass dies ein ganz wichtiger Bewertungsaspekt ist. Wir wollen nicht den illegalen Wettraum stärken, sondern das Glücksspielwesen – auch im Sinne des Präventionsgedankens – in legale Bahnen lenken.
Des Weiteren hat sich die EU-Kommission zu einem Bereich geäußert, bei dem man sicherlich geteilter Meinung sein kann. Nichtsdestotrotz bestehen auch hier, nämlich beim Verbot von Onlinecasinospielen und Onlinepoker, Fragezeichen seitens der EU. Die EU-Kommission hat deutlich gemacht, dass für sie der Nachweis von Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit noch nicht nachvollziehbar ist.
Das sind markante Prüfpunkte und Fragestellungen, die auch die EU-Kommission immer beschäftigt haben und die sie trotz der Neuerungen und Überarbeitungen für sich noch nicht abschließend dauerhaft und rechtssicher für die Zukunft bewerten kann.
Lassen Sie mich noch auf einen Aspekt im Zusammenhang mit der Gesamtdebatte des Glücksspiels und der Neuregelung hinweisen, nämlich die Frage der Zukunft des Rennwett- und Lotteriegesetzes, und zwar konkret bezogen auf den Bereich der Pferdewetten. Wir hätten gerne noch eine Darlegung der Landesregierung, wie dies eingeschätzt wird: Fällt die Rennwettsteuerrückvergütung? Bleibt sie bestehen? Kann hier zukünftig dem Tierzuchtauftrag und den damit verbundenen Leistungsprüfungen noch nachgekommen werden? Oder werden auf den Rennbahnen in Deutschland schlichtweg bald die Lichter ausgehen, weil ihnen durch solche Regelungen die Finanzierungsgrundlage entzogen wird? Haben die Länder konkrete Pläne, um solche Szenarien zu verhindern? Wenn ja: Wie sollen diese aussehen? – Das sollte von Vertretern der Landesregierung in dieser Debatte noch einmal aufgezeigt werden.
Eine ausführliche Fachanhörung macht natürlich Sinn. Es bleibt aber dabei: In der jetzigen Form lehnen wir diesen Entwurf des Glücksspieländerungsstaatsvertrages ab.
Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Fraktion der Piraten erteile ich jetzt zu seiner Jungfernrede Herrn Kollegen Marsching das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass ich nicht der Einzige bin, der hier ein bisschen in die Suppe spucken muss. Der Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist sowohl in meiner Partei als auch in der Netzgemeinschaft umstritten. Sie wissen, die dort enthaltenen Websperren haben die Aufmerksamkeit auf diesen Staatsvertrag gelenkt und zu einer großen Diskussion beigetragen.