Vielmehr müssen wir die Leistungs- und Lernbereitschaft, die Wissbegierigkeit der Kinder ganz anders unterstützen.
Frau Ministerin, statt Realschulen und Gymnasien zu benachteiligen, um sie dann langfristig im Sinne von „eine Schule für alle“ einzuebnen, sollten wir allen Schulformen die gleiche Förderung zukommen lassen und hier im Hause insgesamt diese Strukturdebatten überwinden.
Ein Punkt, zu dem hier heute noch nichts gesagt worden ist, in dem ich aber persönlich ein großes Potenzial sehe, das wir heben sollten, ist mehr Schulfreiheit. Ich bin der festen Überzeugung, dass vor Ort Eltern, Schüler, aber vor allem die vielfach frustrierten Lehrerinnen und Lehrer sehr viel besser wissen, wie man den Unterricht pädagogisch und organisatorisch besser durchführen kann. Ich glaube, dass sie es oftmals besser wissen als die Schulträger, als die Bezirksregierungen, und, meine Damen und Herren, auch als die Landesregierung.
Deswegen möchte ich nicht, dass wir immer nur weiter an Schulstrukturen herumdoktern, sondern dass wir den Mut haben, den Schulen mehr organisatorische, mehr pädagogische, aber auch mehr finanzielle Freiheit zu geben. Das ist ein Punkt, an dem wir hier gemeinsam arbeiten können, und zwar in Richtung eines Schulfreiheitsgesetzes.
Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Abhängigkeit von der sozialen Herkunft. Das wird dann immer gleich verbunden mit Migrationshintergrund. Wir haben unter der Regierung von CDU und FDP hier in Nordrhein-Westfalen für alle vierjährigen Kinder verbindliche Sprachstandstests mit der entsprechenden anschließenden Förderung eingeführt. Sie haben das damals kritisiert. Wir können heute –
ich erlebe das bei meinen Besuchen in den Grundschulen – die ersten Erfolge deutlich erkennen. Ich muss aber hinzufügen: Daran müssen wir weiterarbeiten. Da müssen wir noch besser werden. – Dazu haben Sie als Regierung Gelegenheit.
Lassen Sie uns die frühkindliche Förderung weiterentwickeln. Dadurch kann man Nachteile aufgrund der sozialen Herkunft am besten ausgleichen.
Hier haben wir eine gemeinsame Verantwortung. Denn „kein Kind zurücklassen“ – das reklamieren Sie ja immer für sich –, das ist – das haben wir damals auch bewiesen – in erster Linie unser Ansatz. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die IQBLändervergleichsstudie in den mathematisch
naturwissenschaftlichen Fächern hat erstmals auch den Migrationshintergrund von Schülerinnen und Schülern abgefragt und deren Ergebnisse in den Tests in den Fächern Mathematik und Biologie mit den Ergebnissen von Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund verglichen.
Nun hat NRW neben den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin sowie den westdeutschen Flächenländern den höchsten Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, der in der Untersuchung zwischen 20 und 40 % an der Gesamtzahl betrug. Bei den ostdeutschen Bundesländern, die in der Studie besonders gut abgeschnitten haben, lag dieser Anteil bei weit unter 10 %.
Während sich die Resultate der Schüler ohne Migrationshintergrund in beiden Fächern über dem bundesweiten Mittelwert von 500 Punkten befanden, waren die der Schüler mit Migrationshintergrund mit bis zu 40 Punkten unter diesem Wert, was in der Untersuchung einem Leistungsrückstand von bis zu zwei Jahren entspricht. Ähnliche Werte haben übrigens auch alle anderen westdeutschen Bundesländer, unabhängig von der jeweiligen Farbe der Landesregierung.
Die Werte für Schüler aus Migrantenfamilien – mit Ausnahme von Schülerinnen und Schülern aus Aussiedlerfamilien – sind nicht zu beschönigen und geben Anlass zur Sorge; das ist heute mehrfach gesagt worden.
Einmal mehr offenbart sich, dass das eigentliche Problem nicht bloß ein fachliches der Fächer Mathematik und Physik ist, sondern vor allen Dingen ein sprachliches. Die gute Beherrschung der deutschen Sprache, aber vorausgehend natürlich auch der eigenen Muttersprache ist eine wichtige Grund
lage für die sprachliche Erschließung des Unterrichtsstoffes, nicht nur im Fach Deutsch, sondern auch in Fächern wie Mathematik, Physik, Biologie usw. Es wird ein hoher Grad an sprachlicher Abstraktion von Schülerinnen und Schülern abverlangt, und es ist problematisch, wenn Schüler nicht über ihre Ausgangssprache, ihre Alltagssprache hinauskommen können.
Die Problematik, dass Kinder und Jugendliche mit einer anderen Muttersprache als Deutsch in Mathematik zum Teil nicht die erforderlichen Leistungen erbringen können, ist bereits durch Studien wie die der OECD im Jahre 2007 belegt worden. Ich zitiere hier Michael Meyer und Susanne Prediger. Sie bezeichnen die sprachliche Erschließung im Unterricht in dem Aufsatz „Sprachenvielfalt im Mathematikunterricht“ als notwendige Fähigkeit der Schüler, zwischen ihrer eigenen Alltagssprache und der im Unterricht vorkommenden Fachsprache mittels einer Bildungssprache zurechtzukommen. Folgerichtig ist die adäquate Beherrschung und Förderung der Zweitsprache Deutsch nicht nur Gegenstand des Deutschunterrichts, sondern als Querschnittsaufgabe auch in Fächern wie Mathematik und Physik geboten. Meyer und Prediger geben dazu in dem gerade erwähnten Aufsatz eine ganze Reihe von didaktisch-pädagogischen Handlungsempfehlungen für den Unterricht, die aber auch Sprecherinnen und Sprechern der Muttersprache Deutsch zugutekommen.
Darum brauchen wir besonders geschulte Lehrkräfte, die nicht nur ihren Unterricht kompetent vorbereiten, sondern auch Kenntnisse im Bereich „Deutsch als Zweitsprache“ haben. Dies muss verpflichtender Bestandteil der Lehrerausbildung sein, bei der es noch vor wenigen Jahren möglich war, Lehrer zu werden, ohne sich jemals pädagogisch damit auseinandergesetzt zu haben, dass wir Vielfalt in Klassenzimmern haben. Gleiches gilt auch für die Fortbildungsangebote im Bereich „Deutsch als Zweitsprache“, die eigentlich noch ausgebaut gehören.
In dem Zusammenhang möchte ich das Projekt „ProDaZ“ erwähnen, welches die Universität Duisburg-Essen zusammen mit der Mercator-Stiftung im Jahre 2010 initiiert hat. Hierbei werden neue Formen der Lehrerausbildung erprobt, bei der neben der fachlichen Ausbildung auch die Ausbildung im Bereich „Deutsch als Zweitsprache“ eingeschlossen ist. Die Etablierung eines Kompetenzzentrums ist dabei ebenso vorgesehen, und mit der landesweiten Einrichtung der kommunalen Integrationszentren, die in dem Bereich führend aktiv sind, bieten sich zukünftig gute Voraussetzungen für die weitere Verankerung von Deutsch als Zweitsprache in der Lehrerausbildung und im Unterricht. Auch eine moderne Förderung der muttersprachlichen Kompetenz der Schüler darf dabei nicht fehlen.
toren gerade in die Communities hinein brauchen und bei wichtigen Bildungsfragen einbeziehen müssen. Wir haben es jetzt in der Hand, durch gezielte Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass nicht nur die Resultate Nordrhein-Westfalens in den nächsten Ländervergleichen besser werden, sondern dass wir auch mehr Chancengerechtigkeit in der Schule und später im Beruf haben.
Ich würde mich freuen, wenn möglichst viele politische Kräfte dabei an einem Strang ziehen, so wie es beim viel zitierten Schulfrieden der Fall war. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zwei Dinge ergänzen: Ich freue mich, dass wir uns einig sind, dass es unsere gemeinsame Verantwortung ist, hier Abhilfe zu schaffen. Es sind viele wichtige Dinge gesagt worden, einige Dinge fand ich nicht ganz so wichtig, aber wir sind uns einig, dass wir wesentliche Verbesserungen bei den Schulleistungen nur dann erreichen können, wenn der Stellenwert der Bildung in unserer Gesellschaft wieder steigt,
Deshalb erlauben Sie mir an dieser Stelle eine Anmerkung aus aktuellem Anlass: Die finanziellen Spielräume in unserem Land sind begrenzt. Die notwendigen Investitionen in die Bildung der nächsten Generation und damit in die Zukunft unseres Landes werden wir nicht alleine leisten können. Ich möchte Sie, verehrte Kollegen und Kolleginnen der SPD-Fraktion, daran erinnern, dass Sie hier wiederholt erklärt haben, sich für die Aufhebung des Kooperationsverbotes einzusetzen.
Der zweite Punkt, der mir noch viel wichtiger ist, ist: Wir werden die Debatte nicht erfolgreich führen können und zu Veränderungen kommen, wenn wir nicht akzeptieren, dass Lernerfolg und Bildung nicht nur abhängig von der Qualität der Schulen sind. In der Debatte ist an keiner Stelle über die Verantwortung der Eltern geredet worden. Wenn wir das nicht
in den Blick nehmen und auch da Ansatzmöglichkeiten suchen, überlegen, wie wir die Eltern ins Boot holen, wie wir dafür sorgen, dass die Bildung in den Familien und im Bekanntenkreis, in der Gesellschaft insgesamt einen höheren Stellenwert bekommt, dann werden wir nur ganz kleine Früchte ernten. Ich bitte, das zu bedenken. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur noch einmal ganz kurz: Was die Forderung „Aufhebung des Kooperationsverbots“ angeht, rennen Sie bei der Landesregierung offene Türen ein; Ihren Appell, Frau Pieper, müssen Sie eher an die CDU richten.
Die grundsätzliche Frage, nämlich dass wir uns wünschen, dass sich der Bund auch stärker an den sozialpolitischen Fragen, die für Schule und Bildung heute wichtig sind, beteiligt, haben wir hier mehrfach aufgeworfen. Da haben wir eine große Übereinstimmung. Das reicht von der Schulsozialarbeit über ein Ganztagsschulprogramm bis zu der Forderung, dass der Bund die sozialpolitische Leistung bezahlt, die er der Schule abverlangt, nämlich unabhängig vom Förderort der Kinder Integrationshelfer zu haben. Wenn der Bund das bezahlen würde, wären wir hier einen Schritt weiter. Auch da haben wir Konsens.
Ich möchte eine Feststellung zu einer Sache treffen, die mir jetzt zum wiederholten Mal aufgefallen ist. Herr Kaiser hat hier sehr konstruktiv erklärt, wir müssten uns das zusammen anschauen. Er hat vor Verurteilungen und einseitigen Schuldzuweisungen gewarnt und das nicht für gut befunden. – Das fand ich in Ordnung; daran kann man anknüpfen.
Der Beitrag von Frau Vogt ging aber in eine völlig andere Richtung. Er war einseitig und nahm Bezug auf einen Gesetzentwurf, der überhaupt noch nicht beschlossen ist und mit der Schulleistungsstudie wirklich gar nichts zu tun haben kann. Ich finde das unglaubwürdig. Das diskreditiert im Grunde auch den konstruktiven Ansatz, den Herr Kaiser hier vorgetragen hat.
Wir erleben hier eine janusköpfige CDU. Das muss ich einfach einmal feststellen. Frau Vogt, vielleicht liegt es aber auch daran, dass Sie beim nächsten Tagesordnungspunkt keine Redezeit bekommen haben, dass Sie also dachten, Sie müssten das jetzt
Es ist mir ja nur aufgefallen. Zu einem geordneten Vorgehen gehört auch, dass man die Dinge ein bisschen auseinanderhält. Auch damit kommt man besser voran.
Zu Herrn Stamp möchte ich nur sagen: Ich zweifele nicht an Ihrer Lesefähigkeit und nicht an Ihren mathematischen Kenntnissen. Aber ich möchte für den Fall, dass Sie es nicht gehört haben, wiederholen: Wer mich kennt, weiß, dass ich, wenn es solche Befunde gibt, nicht zur Tagesordnung übergehe und nicht denke, dass mit der heutigen Aktuellen Stunde das Thema vorbei ist.
Doch, ich habe eben angekündigt, ich werde Wissenschaftler zusammenholen. – Ich beziehe auch immer gerne diejenigen ein, die mir kritische Zuschriften schicken. Das habe ich bei dem Komplex „Matheabitur“ so gemacht; da haben wir einen Workshop veranstaltet. Auch bei der Diskussion um G8 habe ich das so gemacht. Dann holen wir uns die Leute an einen Tisch und diskutieren mit ihnen. Ich beziehe auch die Sachsen ein: Was machen die da besser, und was können wir von ihnen lernen?