Protokoll der Sitzung vom 20.02.2014

Bei einer Inklusionsquote von 17 % in den Jahren 2010 und 2011 hatten wir 532 Lehrerstellen bereitgestellt. Das steigern wir auf über 3.200 Stellen, um bis 2017 die Quote von 50 % zu decken; derzeit liegen wir bei 30 %. Das heißt: 2.700 zusätzliche Stellen! Das Land macht an der Stelle sehr viel, steckt sehr viel Personal hinein.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir sind also bereit, die Gesamtkosten, die der Gutachter ausgerechnet hat, plus einen Zuschlag für insgesamt fünf Jahre zu übernehmen.

Wir sind zudem bereit, bei der personellen Unterstützung zusätzliches Personal zu finanzieren und dafür auch noch einmal rund 10 Millionen € im Jahr zu übernehmen.

Um es ganz klar zu sagen: Wir können nicht den individuellen Rechtsanspruch auf Integrationshelfer, der den Kindern bundesgesetzlich zusteht, übernehmen. Das können wir nicht.

Man muss auch fairerweise sagen: Der individuelle Anspruch auf einen Integrationshelfer, der einem Kind in der Schule hilft, fällt sowohl in der Förderschule wie auch in einer anderen Schulform an.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das heißt: Hier entsteht keine neue, zusätzliche Aufgabe. Der WDR hat heute Morgen in einem Rundfunkbericht so schön gesagt. Es geht um Personal, das den Kindern hilft, wenn sie zum Beispiel zur Toilette müssen. – Das müssen sie aber in einer Förderschule genauso wie in jeder anderen Schule.

Es ist nun einmal so: Diese Aufgabe, die Erfüllung des individuellen Rechtsanspruchs, ist Teil des Bundessozialgesetzbuches. Diese Aufgabe hat der Bund den Kommunen zugewiesen. Wir können diese Aufgabe nicht übernehmen, weil wir dann eine Mauer durchbrechen würden, indem wir als Land freiwillig eine Bundesaufgabe übernähmen, um den Kommunen zu helfen. Das geht nicht.

Wir unterstützen auch personell. 10 Millionen € pro Jahr sind auch da eine faire Zahl.

Auch die Verteilung über Pauschalen an die Kommunen, wie Kollege Römer sie vorhin vorgestellt hat, ist ein faires Angebot.

Deswegen kann man eigentlich nur an alle, die beteiligt sind, appellieren, ein bisschen zu vergessen, dass es den 25. Mai gibt.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich glaube nämlich, das ist bei vielen, die hier tätig werden, ein Leitmotiv. Vielmehr sollte man nüchtern anerkennen, dass wir bereit sind, 175 Millionen € in die Hand zu nehmen, dass wir bereit sind, ein sehr faires Angebot zu machen.

Ich will mit dem Zitat einer Mutter von „mittendrin e. V.“, einem Elternverein, der sich um die Kinder kümmert, schließen. Die sagt zu unserer Debatte:

„Die aktuelle Ablehnung auch weitestgehender Zugeständnisse des Landes lässt jedoch Zweifel, ob eine Einigung im Kostenstreit um die inklusive Bildung überhaupt von allen Kommunalvertretern angestrebt wird. ‚Wir müssen den Eindruck gewinnen, dass es einigen Verhandlern gar nicht um mehr Geld für inklusive Bildung geht‘, sagt die Vorsitzende des Elternvereins „mittendrin e. V.“, Eva-Maria Thoms. Es wäre beschämend, wenn hier auf Kosten der betroffenen Kinder und Jugendlichen Stimmung für den Kommunalkampf gemacht würde.“

Herr Laschet, genau das haben Sie eben gemacht. Und das fand ich schäbig.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Danke schön, Herr Priggen. – Nun spricht für die Fraktion der Piraten Frau Pieper.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ein paar Worte zum Verfahren: Wir haben schon im Oktober unsere Bedenken geäußert, dass die Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden intransparent sind. Wir haben angemahnt, dass der Landtag angemessen informiert wird. – Und wieder erfahren wir die Ergebnisse aus der Presse. Das halten wir absolut inakzeptabel.

(Beifall von den PIRATEN)

Nun hat uns Frau Ministerin Löhrmann für die Landesregierung auf den Stand der Dinge gebracht. Immerhin! Dafür danke ich. Wir haben mit Spannung gewartet, was bis heute vielleicht noch passiert. Nun wissen wir: Es gibt ein Angebot der Landesregierung, und es gibt weitergehende Forderungen der kommunalen Spitzenverbände.

Wir wissen wohl auch alle, dass Frau Ministerin Löhrmann gehofft hat, uns heute etwas Besseres berichten zu können. Ich denke schon, dass man gehofft hat, dass es zu einem Abschluss kommt. Das ist leider nicht passiert.

Natürlich gibt es Interessen der Kommunen, und es gibt Interessen der Landesregierung. Diese

Schwarzweißdiskussion, die hier jetzt aufgemacht wird, kann ich nicht verstehen. Natürlich werden die Kommunen versuchen, möglichst viel Geld zu bekommen. Natürlich hat die Landesregierung wenig Geld und muss gucken, dass sie nicht überfordert ist. Hier solche Lager aufzumachen – entweder oder –, das halte ich nicht für zielführend.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Debatte heute Morgen hat ein bisschen was von „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Eigentlich war alles schon gesagt, und die Positionen waren immer klar. Die gebetsmühlenartige Wiederholung Ihrer Forderung, liebe CDU und FDP, die Konnexitätsrelevanz jetzt endlich anzuerkennen, zeigt: Sie sind richtig ausdauernd. – Respekt! Einen konstruktiven Beitrag für die Lösung der zahlreichen Probleme vor Ort kann ich aber nicht erkennen.

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Was würde denn passieren, wenn die Konnexität anerkannt würde? Ihr Geschrei möchte ich dann hören: Die Schuldenbremse muss eingehalten werden! Das Land muss sparen! – Die Sprüche sind ja bekannt.

Ach ja, ich erinnere mich: Die CDU will Studiengebühren einführen und Lehrerstellen streichen. Wenn wir ehrlich sind, wollen Sie eigentlich auch die Inklusion bremsen. Und das ist nicht die Bildung der Zukunft.

(Beifall von den PIRATEN, der SPD und den GRÜNEN)

An dieser Stelle möchte ich Frau Geesken Wörmann von der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Behinderter aus der Anhörung zitieren – mit Verlaub, Herr Präsident –:

„Ich kann vor weiteren Diskussionen um Konnexität usw. nur warnen: Der Mensch vor Ort versteht nicht, dass man sich in diesem Zusammenhang über diese Dinge unterhält und nicht über Inhalte. Ich kann nur davor warnen, denn damit wird man keinen Wahlkampf gewinnen.“

Aber genau das versuchen Sie, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP!

(Beifall von den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sie machen hier Wahlkampf unter dem Deckmäntelchen vermeintlicher Anteilnahme für die Betroffenen.

Richtig ist aber, dass die Schulträger Unterstützung für den Ausbau der inklusiven Angebote brauchen. Wir haben deshalb schon im letzten Haushaltsverfahren vorgeschlagen, als Sofortmaßnahme zur Unterstützung der Schulträger beim Ausbau des gemeinsamen Lernens Landesmittel bereitzustellen. Weiter haben wir die Landesregierung aufgefordert, mit den kommunalen Spitzenverbänden Gespräche zu einem Landesprogramm zum Ausbau der schulischen Inklusion aufzunehmen.

Damals haben Sie uns ignoriert, wenn nicht gar belächelt. – Damals sagten Sie im Schulausschuss, Frau Zentis, Sie könnten den Anträgen der Piraten nicht zustimmen, denn das Land könne sich weder in Schulträgeraufgaben einmischen noch in Aufgaben, die nicht Landesaufgaben seien.

Das sehen Sie jetzt offensichtlich anders. Hätten Sie damals unseren Vorschlag angenommen und den Kommunen ein echtes Angebot gemacht, befänden wir uns jetzt nicht in dieser Misere.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir wären sehr viel weiter, wenn dieser Weg gewählt worden wäre; denn dann stünden jetzt schon die Mittel für die Schulen bereit.

Die Frage der Kosten der Schulträger liegt schon länger auf dem Tisch. Vor gut einem Jahr haben wir das hier bereits klar formuliert. Das wollten Sie damals nicht wahrhaben, liebe Kollegen von Rot-Grün. Der Weg, den Sie stattdessen genommen haben, hat für Frust und Ärger gesorgt. Nun wird das Land doch noch einen beachtlichen Teil der Kosten übernehmen müssen. Ihre Vogel-Strauß-Politik ist gescheitert. Die Zeche zahlen Sie jetzt doch.

Dass Sie sich auf den Weg zu einem pragmatischen Kompromiss mit den kommunalen Spitzenverbänden gemacht haben, erkennen wir an. Das hätten Sie aber schon früher haben können, Herr Römer, wenn Sie sich damals ernsthaft mit unserem Vorschlag auseinandergesetzt hätten. Schön,

dass Sie ihn jetzt doch noch aufgegriffen haben. Wenden Sie sich demnächst gerne an uns. Wir beraten Sie gerne. Für pragmatische Lösungen sind wir bekannt.

(Beifall von den PIRATEN – Lachen von der SPD)

Der aktuelle Stand kann uns aber nicht zufriedenstellen. Es wurde viel Zeit verloren. Die Frage steht im Raum, ob die Schulen vor Ort bis zum Beginn des nächsten Schuljahres noch von der Unterstützung durch das Land profitieren können.

Man muss festhalten, dass beim Jahrhundertprojekt Inklusion einiges schiefgelaufen ist. Der Verzicht auf die Kostenfolgeabschätzung nach KonnexAG im Gesetzgebungsverfahren war falsch. Rot-Grün hat die Kosten, die auf die Schulträger zukommen, bisher immer kleingeredet. Rot-Grün hat das Vertrauen in den Inklusionsprozess beschädigt, verlässliche Rahmenbedingungen bislang verweigert.

Herr Laschet, da bin ich ganz bei Ihnen: Es hilft nicht, nur über Geld zu reden. Wir müssen tatsächlich auch noch über Standards und Rahmenbedingungen sprechen. Das ist mindestens genauso wichtig wie das Thema „Konnexität und finanzielle Unterstützung“.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir sehen weiterhin die Gefahr einer Inklusion nach Kassenlage. Wir fürchten, dass die schulische Inklusion in verschiedenen Kommunen in unterschiedlichem Tempo und leider auch in unterschiedlicher Qualität umgesetzt wird. Deshalb haben wir uns schon im Gesetzgebungsverfahren für eine Anerkennung von Mehrkosten der Schulträger ausgesprochen und haben im Haushaltsverfahren entsprechende Anträge eingebracht.

Es ist nun wirklich Zeit – wenn man ehrlich ist, eigentlich schon zu spät. Nehmen Sie jetzt das Geld in die Hand, unterstützen Sie die Kommunen, und schaffen Sie endlich Verbindlichkeit, was die Rahmenbedingungen betrifft! – Herzlichen Dank.