Protokoll der Sitzung vom 09.04.2014

Herr Laschet, wenn wir über „Verlässlichkeit“ reden, gehört auch dazu, dass Sie für ein Energiekonzept Verantwortung übernehmen, das Sie in einer Bundesregierung mitgetragen und mitbeschlossen haben und das heute noch gilt. Zur Wahrheit und Klarheit gehört auch: In diesem Energiekonzept steht, dass es prognostisch bis 2030 eine Halbierung der Braunkohleverstromung geben wird. Das müssen Sie den Menschen sagen, wenn Sie über die Beschlüsse, die heute noch gelten, reden. Das steht nämlich dort drin. Aber wie soll das umgesetzt werden? Auch dazu muss eine Landesregierung bei einer Genehmigung Stellung nehmen. Auch an der Stelle muss es Verlässlichkeit geben, wenn man sich an Fakten orientiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben Verlässlichkeit bewiesen, indem wir im Koalitionsvertrag deutlich formuliert haben, dass die Effizienzgewinne bei den Kraftwerken auch den Menschen zugutekommen. Das vollziehen wir mit unserer Entscheidung.

Wir sind auch verlässlich, wenn wir aktuell auf Bundesebene für bessere Rahmenbedingungen in der Energiewende werben. Wir setzen uns zum Beispiel

an erster Stelle dafür ein, dass die energieintensive Industrie in Nordrhein-Westfalen – am Anfang der Wertschöpfungskette – weiter am Standort produzieren kann und deshalb Ausnahmen braucht.

Wir setzen uns dafür ein, dass der Eigenstromausbau – insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien und auch der KWK – weiter vorangetrieben werden kann.

Ja, wir setzen uns dafür ein, dass erneuerbare Energien am Standort ausgebaut werden können, Herr Lindner.

(Christian Lindner [FDP]: Furchtbar!)

Herr Lindner, an der Stelle haben Sie offensichtlich etwas nicht verstanden. Oder umgekehrt: Ich meine, Sie haben sich von der Energiewende schon verabschiedet.

(Christian Lindner [FDP]: Von Ihrer schon!)

Wenn es um die Frage geht, wo es billiger und kostengünstiger ist, gibt es vielfältige Untersuchungen, die sagen: Ausbau dort, wo der Verbrauch ist, ist billiger.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Studien belegen, dass es 2 Milliarden € billiger pro Jahr ist, wenn wir in Verbrauchsnähe ausbauen.

Im Übrigen sprechen Sie sich gegen Wertschöpfung hier am Standort aus. Deshalb sind Sie kein verlässlicher Vertreter der Interessenslage NordrheinWestfalens.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Laschet, ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie die Speicherfrage in den Mittelpunkt gestellt haben. Ja, auch wir sind der Überzeugung: NordrheinWestfalen ist ein Speicherland – in aller Breite: Kurzfristspeicher, Mittelfristspeicher, Langfristspeicher! Die brauchen wir alle. Wir brauchen die Forschung und Entwicklung. Wir brauchen die Technologie. Aber wir brauchen auch Politiker, Herr Laschet, die dann stehen, wenn es in der Küche einmal heiß wird. Wir brauchen auch Sie, Herr Laschet. Wir hatten zur Eifel eine Entscheidung zu treffen, bei der gestanden werden musste. Aber Sie haben nicht gestanden.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ein Teil der CDU hat doch händeringend danach gefragt, wie die Haltung des Landesvorsitzenden ist. Der Landesvorsitzende hat an dieser Stelle gekniffen. Ich hoffe, dass Sie bei der nächsten Entscheidung, die im Sauerland oder an der Nethe nötig wird, nicht wieder kneifen. Ich danke Ihnen heute dafür, dass Sie das klargestellt haben. Ich verlasse mich auf Sie.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Sehr verehrten Damen und Herren, die getroffene Entscheidung ist eine Ableitung aus dem Koalitionsvertrages. Wir werden in der Folge wie dargestellt dafür sorgen, eine Leitentscheidung vorzubereiten und das Umsiedlungsverfahren entsprechend zu begleiten. Mitte 2015 soll es abgeschlossen sein.

Unterm Strich wird in der Debatte deutlich: Die Landesregierung ist der Garant der Verlässlichkeit. Die Landesregierung hält das ein, was im Koalitionsvertrag niedergelegt ist.

Herr Laschet steht an der Kippe der Energiewende.

(Armin Laschet [CDU]: Was heißt denn hier „Kippe“?)

Herr Lindner hat sich davon bereits verabschiedet. Die Landesregierung ist der verlässliche Garant der Energiewende in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Thiel.

Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Tagebau Garzweiler! Ich gehöre zu den Abgeordneten, die mit Leidenschaft für die Interessen ihrer Region eintreten, und freue mich, dass ich dazu jetzt Gelegenheit habe.

Der Tagesordnungspunkt lautet: „Zukunft des rheinischen Braunkohlereviers – weiteres Verfahren zu Garzweiler II“. Ich möchte meiner Enttäuschung über den Antrag von CDU und FDP Ausdruck verleihen. Ihr Antrag vom 1. April geht am Thema vorbei, Ihre Reden heute auch.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Lindner, Sie lächeln mich so freundlich an. Das ist schön. Aber was sagen Sie den Leuten vor Ort? Was sagen Sie den Menschen, Herr Laschet? Wo steht die CDU in der Frage: Soll Holzweiler umgesiedelt werden oder soll es nicht umgesiedelt werden? Dazu erklären Sie sich nicht.

(Christian Lindner [FDP], ein Dokument hochhaltend: Das widerspricht der geübten Praxis!)

Sie zitieren Zeitungen. Sie verstecken sich hinter anderen. Sie haben keine eigene Meinung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Egal was herauskommt. Für Sie ist es egal. Sie nehmen das, was kommt und machen es sich zu Eigen. Verlässlichkeit, meine Damen und Herren, sieht anders aus.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Am 28. April tagt der Braunkohlenausschuss. Dort steht die Entscheidung für den dritten Umsiedlungsabschnitt an. Die dafür notwendige energiepolitische Begründung der Landesregierung liegt vor. Ich werde als Mitglied im Braunkohlenausschuss der Umsiedlung zustimmen.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Damit ist die wesentliche Voraussetzung für den Fortgang des Tagebaus gesichert. Das wissen Sie alle ganz genau. Das bedeutet Klarheit für die von Umsiedlung betroffenen Menschen, Klarheit für die Arbeitnehmer und ihre Familien. Dazu hört man von Ihnen – und ich sage: ganz bewusst – gar nichts.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Arbeitsplätze sind auf Jahrzehnte gesichert. Im Rheinischen Revier können allein bis 2030 100 Millionen Jahrestonnen Braunkohle gefördert werden. Das entspricht dem jetzigen Umfang. Und ich sage Ihnen: Mehr ist energetisch auch gar nicht umzusetzen.

1,2 Milliarden Tonnen Braunkohle aus Garzweiler II – die Zahlen wurden schon genannt, ich wiederhole sie gerne –, 1,6 Milliarden Tonnen aus Hambach und 0,4 Milliarden Tonnen aus Inden – das sind die Fakten. Sie malen den Ausstieg der Braunkohle an die Wand. Ich sage Ihnen: Ein Ausstieg sieht doch ganz anders aus.

Die Braunkohle aus dem Rheinischen Revier wird zur Sicherung und preiswerten Energieversorgung Deutschlands weiter einen wesentlichen Beitrag leisten können. Das gewährleistet neben dem Klimaschutz auch die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit der Energiepreise.

Das ist die Botschaft der Entscheidung für den dritten Umsiedlungsabschnitt. Das ist Planungssicherheit. Dazu schweigen Sie – aber auch das ist eine Botschaft.

Auch über 2030 hinaus wird im Tagebau Garzweiler weiter Braunkohle abgebaut. Das ignorieren Sie penetrant. Es ist fachlich klargestellt: Der Rahmenbetriebsplan Garzweiler II wird zeitlich nicht eingeschränkt. Tagebau ist bis mindestens 2045 möglich. Und das begrüßen wir ausdrücklich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ebenso begrüßen wir, dass an der Erstellung der neuen Leitentscheidung für die Zeit nach 2030 die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften beteiligt werden und dass auch technische und wirtschaftliche Zusammenhänge eingebracht werden, wie in der gemeinsamen Erklärung von Hannelore Kraft und dem Vorsitzender der IG BCE, Michael Vassiliadis, nachzulesen ist. Natürlich wird auch der Bergbautreibende beteiligt, und, ich denke, die Einwohner von Holzweiler ebenfalls.

Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU und von der FDP, Sie fordern, Perspektiven für die Re

gion aufzuzeigen. Damit rennen Sie Türen ein, die wir schon vor Jahren geöffnet haben.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Im Koalitionsvertrag der rot-grünen Landesregierung geht es um nachhaltige Perspektiven für das Rheinische Revier. Mit dem Landesprogramm „Innovationsregion Rheinisches Revier“ soll gemeinsam mit der Region frühzeitig auf Strukturveränderungen reagiert werden. Es geht um eine moderne, nachhaltige Industrie- und Strukturpolitik. Die Frage – das wissen wir alle – ist doch nicht, ob Strukturwandel stattfinden wird, sondern wie.

Es geht erstmals in Deutschland – das ist, glaube ich, hier noch nie so richtig betont und klargestellt worden – um präventiven Strukturwandel. Bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist, wollen wir etwas tun. Für uns ist das eine riesengroße Chance und eine riesengroße Herausforderung. Wir wehren uns nicht gegen Veränderungen, gehen vergeblich dagegen an, sondern wir wollen unser Energie in die Gestaltung der Zukunft investieren.

Herr Laschet, Sie sagten in Ihrer Rede, die Zukunft finde nur in den Hochschulen und entsprechenden wissenschaftlichen Instituten statt. Das stimmt nicht. Zukunft findet auch bei den Arbeitnehmern statt. Dafür tun die eine ganze Menge – jeden Tag mit harter Arbeit. Das sollten Sie mal anerkennen.