Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/5486

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/5552

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPDFraktion Herrn Abgeordneten Kämmerling das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Stimme der Kommunen NordrheinWestfalens wird in diesem Haus seit nunmehr vier Jahren wieder gehört. Mit der Übernahme von Regierungsverantwortung im Jahr 2010 galt es für unsere Landesregierung, zunächst einmal die Folgen eines beispiellosen Raubzuges zulasten der Kommunen unseres Landes durch die schwarz-gelbe Landesregierung der Jahre 2005 bis 2010 zu heilen.

(Beifall von der SPD und Manuela Grochowi- ak-Schmieding [GRÜNE])

CDU und FDP hatten es in dieser Zeit geschafft, sich in Höhe von sage und schreibe 3 Milliarden € bei den Kreisen, Städten und Gemeinden zu bereichern. Über das Gemeindefinanzierungsgesetz hatte Schwarz-Gelb in NRW dafür gesorgt, dass sich die Kommunen zwangsweise an den Konsolidierungsversuchen des Landeshaushalts beteiligen mussten. Mit der Aufstockung des Gemeindefinanzierungsgesetzes im Jahr 2010 um 299 Millionen €– davon diente alleine die Hälfte der Reparatur der schwarz-gelben Befrachtung der Kommunen zugunsten des Landeshaushalts – wurde ein enorm wichtiger Schritt zugunsten der kommunalen Familie gemacht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Mit den rund 300 Millionen € im Rahmen des Aktionsplans Kommunalfinanzen, mit den rund 350 Millionen € im Rahmen des Stärkungspakts Stadtfinanzen und schließlich mit der Streckung des Konsolidierungszeitraums für Kommunen bis 2020 nach § 76 GO hat diese Landesregierung, hat Rot-Grün in NRW den Murks der heutigen Opposition repariert, mehr Gerechtigkeit hergestellt und beim Konsolidierungsfenster pragmatisch gehandelt.

(Beifall von der SPD – Christof Rasche [FDP]: Sehr gut!)

Ich könnte weiter ausführen, was Sie damals mit dem ELAG veranstaltet haben, könnte im Detail darauf eingehen, dass wir im Jahr 2011 noch 144 Kommunen im Nothaushaltsrecht hatten und warum es heute deren nur noch fünf sind. Der Blick zurück auf Schwarz-Gelb in NRW bringt uns aber nicht weiter.

Weiter bringt uns hingegen sehr wohl das kommunalfreundliche Handeln der Regierungsmehrheit. Die Anstrengungen der Landesregierung zugunsten der kommunalen Familie sind groß, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber auch eine so starke Landesregierung und ein so starkes Land NRW müssen vom Bundesgesetzgeber einfordern, dass auch dort die Zeichen der Zeit erkannt werden, ja dass auch dort im wahrsten Sinne des Wortes die Systemrelevanz unserer Rathäuser erkannt wird.

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

Die Übernahme von 100 % der Kosten der Grundsicherung im Alter ab dem Jahr 2014 ist ein erster richtiger Schritt des Bundes, initiiert durch die Unnachgiebigkeit der SPD-geführten Länder im Bundesrat.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der FDP: Oh!)

Diesem ersten Schritt müssen nun dringend weitere folgen. Ziel unserer gemeinsamen Kraftanstrengungen in NRW muss das sein, was dieses Hohe Haus bereits am 29. Oktober 2010 gefordert hat: Der Bund muss nachhaltig 50 % der Soziallasten der kommunalen Familie übernehmen, und zwar dynamisch.

Unsere Hoffnungen ruhen in dieser Sache auf dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag – einem Koalitionsvertrag, der weitgehende Entlastungen der Kommunen beinhaltet, die für viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ausschlaggebende Voraussetzungen dafür waren, dem Koalitionsvertrag im Rahmen eines Mitgliedervotums zuzustimmen.

(Beifall von der SPD)

Zu diesen weitgehenden Entlastungen gehört die Einführung eines Bundesteilhabegesetzes, und zwar nicht irgendwie, sondern so, wie es im Koalitionsvertrag im Sinne der Kommunen definiert ist. Die zugesagte Entlastung von jährlich 5 Milliarden € muss so früh als irgendwie möglich eintreten, das Bundesteilhabegesetz muss so früh wie möglich in Kraft treten.

Wir erwarten eine 100-prozentige Umsetzung der 5-Milliarden-Euro-Entlastung per anno spätestens bis zum Ende der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages und somit spätestens im Jahr 2017.

(Beifall von der SPD)

In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich zu begrüßen, dass die Bundesregierung in Aussicht gestellt hat, bereits in den Jahren 2015 und 2016 je 1 Milliarde € dringend benötigter Mittel für die Städte und Gemeinden zur Verfügung zu stellen.

Enorm wichtig ist, dass durch diese 1 Milliarde € pro Jahr eine unmittelbare Entlastungswirkung für die kommunalen Haushalte erzielt wird. Dies kann erreicht werden, indem der Bund bis zum Inkrafttreten eines Bundesteilhabegesetzes seinen Anteil an den KdU – den Kosten der Unterkunft – entsprechend aufstockt. Unerlässlich wären klare und verlässliche Aussagen des Bundes mittels einer Festschreibung in der mittelfristigen Finanzplanung.

Lassen Sie uns, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, gemeinsam das klare Signal senden, dass wir die Kommunen in der Vergeblichkeitsfalle ihrer überforderten Haushalte nicht alleine lassen. Lassen Sie uns heute klar formulieren, was wir vom Bund erwarten und wie wir uns den Weg vorstellen. Der heute vorgelegte Antrag ist hierfür das geeignete Mittel der Wahl. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Kämmerling. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Herr Kollege Mostofizadeh.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will an eine Bemerkung anknüpfen, die ich gestern Nachmittag auch schon bei einem anderen Tagesordnungspunkt gebracht habe. In der letzten Plenarsitzung hat die FDP mir vorgeworfen, dass ich Zitate des kommunalpolitischen Sprechers der FDP aus der letzten Legislaturperiode vortragen habe, dass ich gesagt habe, dass

(Kai Abruszat [FDP]: Herr Engel!)

Herr Engel – das war 2009 – unter anderem vorgetragen habe, dass Oberhausen den Haushaltsausgleich aus eigener Kraft schaffen müsse.

Wenn ich mir dann den heutigen parteipolitischen Antrag der CDU anschaue, dann beschleicht mich Sorge, weil Sie es nicht über sich bringen, die Interessen der Kommunen Nordrhein-Westfalens in Fragen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs auch im Bund vorzutragen. Das finde ich ausgesprochen schade und befremdlich.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Warum sage ich das an dieser Stelle? – 2010 gab es – Kollege Kämmerling hat darauf hingewiesen – einen Konsens, dass wir die Interessen der Kom

munen auch gegenüber dem Bund vertreten müssen.

Wenn Sie uns jetzt als Replik auf unseren Antrag ins Stammbuch schreiben, dass wir erst einmal unsere Hausaufgaben machen müssten, dass schon die Verfassung festschreibe, dass das Land und die Landesregierung für die Kommunen zuständig seien, dann macht das nur eines deutlich: Sie halten uns sicherlich nicht vor, dass wir nicht den Text der Verfassung kennen, sondern Sie wollen davon ablenken, dass Norbert Barthle, Obmann im Haushaltsausschuss des Bundestages, für die Koalition und vonseiten der CDU festgestellt hat, dass das, was bereits 2013 versprochen war – nämlich eine Entlastung von 5 Milliarden € für die Kommunen bundesweit –, infrage gestellt wird. Das stellen Sie mit dieser Formulierung infrage, und das finde ich abenteuerlich.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben ein Versprechen der alten Bundesregierung, dass es in der neuen Legislaturperiode eine Entlastung um 5 Milliarden € geben werde. Ich räume ein, dass auch unser Antrag dem Zeitablauf ein Stück weit Rechnung trägt. Aber damit dies nicht falsch interpretiert wird – der Antrag ist sehr filigran formuliert –, will ich noch auf ein paar Punkte hinweisen:

Wir haben gesagt, dass spätestens 2017 die volle Entlastung aus dem Bundesteilhabegesetz greifen muss. Wenn man den Mechanismus kennt, dann weiß man, dass dies voraussetzt, dass deutlich früher – spätestens im nächsten Jahr – erste größere Entlastungsstufen greifen.

Aus der Bemerkung, dass wir eine Verteilung der KdU wollen – ich habe gehört, dass die B-Länder sich das jetzt ganz anders vorstellen –, wird deutlich, dass wir dies zusätzlich fordern, denn solange die 5-Milliarden-Euro-Entlastung nicht kommt, muss an anderer Stelle zusätzlich etwas geschehen.

Dass Sie sich hier im Landtag der Argumentation von Herrn Dr. Schäuble anschließen, der Bund habe doch schon so viel für die Kommunen getan – etwa die volle Entlastung bei der Grundsicherung im Alter im Jahre 2014 –, und das als Entschuldigung dafür anführen, dass das 5-Milliarden-Euro

Versprechen nicht gehalten wird, macht mich fassungslos.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich hoffe, dass Sie das demnächst unterlassen. Dass CDU und SPD auf Bundesebene eine Koalition geschlossen haben, entspricht doch Ihren Parteitagsbeschlüssen. Warum Sie jetzt anfangen, im Landtagsplenum Probleme der Bundeskoalition in der Weise auszutragen, dass Sie Namen von Ministern nennen – in diesem Falle den von Frau Nahles – und suggerieren, ihre Zuständigkeit sei ein Problem für Nordrhein-Westfalen, verstehe ich

nicht. Sie tragen als Koalition im Bund gemeinsam Verantwortung. Sie müssen sich dieser Verantwortung als Parteien auch gemeinsam stellen. Alles andere wäre Rosstäuscherei, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Und von der SPD!)

Ich bitte darum, dass wir zu der Gemeinsamkeit zurückkommen, die wir 2010 formuliert haben. Das setzt voraus, dass wir die Entlastungen, die wir im Land Nordrhein-Westfalen vorgenommen ha

ben …Wir können gerne in der Sache darüber streiten, ob der Weg der Verteilung der richtige ist. Der Kollege Abruszat ist an der Stelle auch immer ganz Feuer und Flamme. Möglicherweise setzen wir die Parameter falsch an. Darüber können wir diskutieren.

Aber dass wir uns im Landtag in der Frage auseinanderdividieren lassen, ob 5 Milliarden € als Entlastung kommen müssen und ob sie schnell kommen müssen, finde ich nicht in Ordnung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir sollten unsere Möglichkeiten sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat – in dem Fall im Wesentlichen im Bundesrat – ins Spiel bringen, statt parteipolitisches Geplänkel zu veranstalten. Das aber macht die CDU mit ihrem Antrag ganz eindeutig.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Letzte Bemerkung: Unser Antrag dient erkennbar dazu, die Vorbereitungen zum Stichwort „Bundesteilhabegesetz“ und das, was wir gestern im Zusammenhang mit dem bundesstaatlichen Ausgleich diskutiert haben, vorzubereiten und aus Sicht Nordrhein-Westfalens Pflöcke zu setzen. Das kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn wir an einem Strang ziehen.

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich eindringlich darum, dass unserem Antrag zugestimmt wird. Die Differenzen und Nuancen, die es an anderer Stelle gibt, können wir gerne auf bundespolitischer Ebene austauschen. Aber im Bundesrat müssen wir zueinanderstehen und deutlich machen, dass KdU und die Entlastung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen großes Gewicht im Bundesrat haben müssen, denn sonst wird Nordrhein-Westfalen auf der Strecke eine ganze Menge Schaden nehmen. Dass der für unsere Kommunen und das Land sehr wichtige Altschuldenfonds dann auch noch in den Hintergrund tritt, daran können wir alle kein Interesse haben.

Ob eine Formulierung hier im Landtag einmal ein bisschen rechts- oder linksherum gedreht wird, interessiert in drei Jahren niemanden mehr. Aber ob wir im Bundesrat massiv aufgetreten sind und unsere Interessen vertreten haben, das wird Auswirkungen für die nächsten zwei Jahrzehnte haben. – Vielen Dank, liebe Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Kuper.