Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

Vielen Dank, Frau Kollegin Milz. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Velte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, meine Rede damit zu beginnen, dass ich mir Sorge mache, weil mich der Antrag der CDU mit großer Sorge erfüllt. Ich habe nun gesehen, dass noch weitere Sorgen dazugekommen sind.

Ich frage mich, wie das sein kann nach den Diskussionen im Ausschuss, nach einer Sachverständigenanhörung – ich weiß nicht, ob Sie bei der zugegen gewesen sind, Frau Milz, aber es hat schon eine gegeben –, nach Maßnahmen, nach Diskussionen um Hilfestellungen, nach vielen Fachgesprächen, in Anbetracht der Verabschiedung des Wohnungsaufsichtsgesetzes und in Vorbereitung der nächsten Anhörung. Dabei wird es auch darum gehen, ob denn die 7,5 Millionen, die das Land Nordrhein-Westfalen als einziges Bundesland zur Unterstützung der Kommunen, der Hilfeträger und vor allem der Menschen aufbringt, reichen oder nicht und wie es mit der Frage weitergeht: Wie können wir die Binnenwanderung unterstützen? Wie können wir den Menschen helfen? Wie können den Kommunen helfen?

Vor dem Hintergrund haben wir alle gemeinsam gesagt: Wir wollen dieses Thema im Konsens behandeln. Wir wollen dieses Thema kritisch und kontrovers diskutieren, aber im Konsens behandeln, um genau das zu vermeiden, was Sie mit Ihren Anträgen intendieren, dass man nämlich missverstanden und eventuell eben in Richtung rechts argumentiert wird.

Ich habe mir die Freiheit genommen, Ihren zweiten Antrag einmal mit den Maßnahmen abzugleichen, die im Land Nordrhein-Westfalen schon gemacht werden. Frau Milz, schauen Sie einmal her: Alles, was hier in meinem Ausdruck rot markiert ist, ist schon auf dem Weg in Nordrhein-Westfalen. Das haben wir im Ausschuss so diskutiert. Das haben wir durchaus kontrovers diskutiert, aber es ist da. Das macht den größten Teil Ihres Antrags aus.

In dem Antrag finden sich auch einige Punkte, die eindeutig Bundesaufgabe sind, bei denen wir immer gemeinsam gefordert haben, zum Beispiel bezüglich der Frage der Krankenversicherungen, dass der Bund uns dabei unterstützt. Dabei geht es auch um Verhandlungen mit den Ländern.

In dem Zusammenhang hätte ich mir auch gewünscht, dass wir uns vielleicht gemeinsam auf den Weg machen und die 200 Millionen, die in dem Zwischenbericht in den Raum gestellt werden, kritisch insoweit hinterfragen, ob sie den Kommunen nutzen. Denn die 150 Millionen sind für die „Soziale Stadt“. Und in Duisburg, in Dortmund, in Gelsenkirchen und überall sind diese Mittel bereits ausgeschöpft worden, weil die entsprechenden Stadtteile dort ausfinanziert sind. Das ist ein Problem. Insofern wäre aus Nordrhein-Westfalen das richtige Signal, zusammen dafür zu kämpfen, dass wir die Mittel bekommen, hier Integrationspolitik zu betreiben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich habe jetzt leider nicht mehr so viel Redezeit, will aber noch zwei Sätze zur Gesundheitsversorgung sagen, die Sie angesprochen haben, Frau Milz. Sie haben das hier weichgespült. In Ihrem Antrag steht nicht: niederschwellige Angebote für Menschen, die Gesundheitsfürsorge brauchen. Vielmehr steht dort: Diese Menschen sollen verpflichtet werden, an irgendwelchen Hygienemaßnahmen teilzuhaben,

eingeführt zu werden usw. Zum Zweiten steht darin – das ist eine Konzentration auf die Roma –: Alles, was mit Armut zusammenhängt, ist Roma.

Sie können sich als CDU-Fraktion anscheinend nicht vorstellen, dass hier auch gut ausgebildete, gut situierte Roma sind. Da gefällt mir eigentlich das besser, was der Landtag, dieses Hohe Haus, am 29. Januar 2014 beschlossen hat. Er hat nämlich ein eindeutiges Bekenntnis zur europäischen Personen- und Arbeitnehmerfreizügigkeit als Teil der Gestaltung europäischer Identität beschlossen und hat sich ausdrücklich gegen jene Stimmen gestellt, die Zuwanderinnen und Zuwanderern ihre verbrieften Rechte absprechen. Die CDU hat damals dagegen gestimmt. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Velte. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Stamp. 21 Sekunden!

Meine Damen und Herren! Ich habe nur wenig Redezeit. Deswegen möchte ich einen Punkt hier noch einmal benennen. Es geht nicht um die Diskriminierung einer bestimmten Gruppe. Wir werden – das ist eine Mammutherausforderung – einer Minderheit, die seit Jahrhunderten am Rande der Gesellschaften in Europa, speziell in Südost-Europa, leben, nicht gerecht, wenn wir nicht anerkennen und nicht aussprechen, dass die Situation der Roma auch eine besondere ist.

(Beifall von der CDU)

Wir wollen ihnen helfen, und deswegen müssen wir das auch beim Namen nennen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Stamp. – Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Löhrmann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil zu Beginn der Debatte Herr Biesenbach in seinem Beitrag damit argumentiert hat, dass das Bildungsniveau der Zuwanderer so niedrig sei. Ich finde, darin offenbart sich erstens eine sehr undifferenzierte Sicht und zweitens ein Bildungsverständnis, das stigmatisiert.

(Zustimmung von Bernhard von Grünberg [SPD])

Es klingt immer so durch, wenn Sie sagen, die Landesregierung schreibe in dieser intraministeriellen Arbeitsgruppe immer so schöne Papiere, als schaute sie vor Ort nicht so genau hin. Das möchte ich eindeutig zurückweisen. Bei unserem Bericht gehen wir so vor – das haben wir auch ausdrücklich so formuliert –, dass die Arbeit der interministeriellen Arbeitsgruppe immer wieder fortgeschrieben wird und stets rückgekoppelt wird.

Ich will Ihnen dazu einmal von zwei Schulbesuchen in Duisburg berichten – ich war in einer Grundschule und letzte Woche in einer weiterführenden Schule –: Ja, das stellt alle Beteiligten vor besondere Herausforderungen. Aber diese Beteiligten nehmen die Herausforderungen an. Und die Kinder und Jugendlichen, die ich erlebt habe, haben einen Bildungshunger und eine Lernbereitschaft gezeigt, die ich mir für alle Schülerinnen und Schüler wünschen würde.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Diese Lernbereitschaft und diese Ansätze strafen Sie Lügen. Das ist das Infame an Ihrer Argumentation.

Frau Ministerin, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Ich möchte erst meinen Gedanken zu Ende führen, dann selbstverständlich.

Die CDU agiert hier janusköpfig. Einerseits wollen Sie unsere Integrationsoffensive nicht verlassen, zu der Sie stehen und wofür wir Sie auch immer loben. Auf der anderen Seite bedienen Sie bestimmte Denkmuster – das haben viele Redner schon gesagt –, die Vorurteile schüren. Das Ganze wird dann noch in Zusammenhang gebracht mit dem Seehofer-Spruch: Wer betrügt, fliegt. – Das fällt Ihnen auf die Füße. Und das ist unserer gemeinsamen Integrationsoffensive nicht würdig.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Jetzt gerne die Zwischenfrage.

Es gibt eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Biesenbach. Bitte schön.

Frau Ministerin, der Nachdruck, mit dem Sie Ihre Ausführungen machen, hilft nicht darüber hinweg, dass Sie unsere Anträge wahrscheinlich gar nicht gelesen oder zumindest nicht verstanden haben.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Wir beklagen und beschweren uns nicht über das Bildungsniveau, sondern wir sagen: Das Bildungsniveau, mit dem diejenigen kommen und hier Arbeit suchen, reicht nicht aus, um damit längerfristig eine Perspektive zu haben. – Können Sie uns einmal sagen, was daran falsch ist? Bitte keine Angriffe gegen die CDU, sondern belegen Sie nur, was daran falsch ist! Dann können wir das gerne zurücknehmen. Darauf bin ich gespannt; denn auch in den Sachverständigenanhörungen ist das bisher nicht bestritten worden.

Frau Ministerin, bitte schön.

Ich zitiere aus Ihrem Antrag Drucksache 16/5489, den ich natürlich gelesen habe, vierter Absatz: Da steht, dass sie keinen Schulabschluss besitzen und dass sie aufgrund ihres niedrigen Bildungsniveaus „auch langfristig keine realistische Perspektive“ haben, „dauerhaft in den nordrheinwestfälischen Arbeitsmarkt integriert zu werden.“ Sie unterstellen also, dass ein Bildungsniveau bleibt und dass sich Bildung nicht entwickeln kann. Wir wissen, dass das Gegenteil der Fall ist, nicht nur bei

diesen Menschen. Sie haben Ihren Antrag offenbar selbst nicht verstanden, lieber Herr Biesenbach.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Abschließend möchte ich noch einen weiteren Punkt ansprechen: Ich bin der Einladung von Romani Rose gefolgt, das Dokumentationszentrum der verfolgten Sinti und Roma in Heidelberg zu besuchen. Herr Rose, dessen Interviews alle ohne Fehl und Tadel sind, auch was die Auflistung von Problemlagen angeht und wie man damit umgeht, hat erklärt, die Sinti und Roma seien zutiefst beschämt und verletzt, in welcher Weise soziale Problemlagen einer Volksgruppe zugeschrieben würden. Sie sagen, das würde man mit niemandem sonst tun.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das fällt Ihnen auf die Füße. Ich finde, das ist einer Partei unwürdig, die ein C in ihrem Namen führt.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Unglaublich!)

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Mir liegen keinen weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind damit am Schluss der Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, erstens über den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/5489. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/5489 an den Innenausschuss – federführend –, an den Integrationsausschuss, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung, an den Ausschuss für Kommunalpolitik sowie an den Ausschuss für Europa und Eine Welt. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/5490. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/5490 an den Integrationsausschuss – federführend –, an den Innenausschuss, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung, an den Ausschuss für Kommunalpolitik sowie an den Ausschuss für Europa und Eine Welt. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann dem nicht seine Zustimmung geben? – Wer enthält

sich? – Damit ist auch diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf:

2 Gemeinsame Kraftanstrengung von Bund,

Land und Kommunen fortführen – Finanzielle Entlastung von Städten, Gemeinden und Kreisen im Zuge des angekündigten Bundesteilhabegesetzes sicherstellen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/5486