Jedes Großprojekt, das wir in Deutschland haben – das gilt insbesondere auch für dieses Nuklearfiasko, was wir da abzuwickeln haben –, ist von der Vergangenheit bis zur Gegenwart immer teurer geworden, als es ursprünglich geplant war. Deswegen glaube ich, dass man Studien von Greenpeace, die besagen, dass die 35 Milliarden € mitnichten ausreichen, ernst nehmen sollte.
Eine Rückstellung heißt ja nicht, dass man sie hinterher total in Anspruch nehmen soll; aber sie bedeutet, genug Geld in der Hand haben, um sich dieser Verantwortung nach dem Verursacherprinzip überhaupt erst stellen zu können. Dieser Verantwortung muss man sich doch auch stellen. Deswegen habe ich hier dafür plädiert, das nicht runterzurechnen. Greenpeace spricht von mindestens 44 Milliarden €, die notwendig sein werden. Nun kann man sagen: Da muss man andere Zahlen haben. Kollege Schulz möchte da wahrscheinlich von 440 Milliarden € reden. Es wird aber auf jeden Fall nicht ausreichen.
Deswegen tun wir gut daran, jetzt Modelle zu diskutieren, die nicht dem Steuerzahler zur Last fallen. Vielleicht tun wir bei den Gesprächen mit den Konzernen auch gut daran, zu überlegen, ob die nicht schon jetzt aus den Gewinnen, die sie bis heute aus der Nukleartechnologie einfahren – in Gronau und an jedem Atomkraftwerksstandort –, letztendlich nicht auch noch einmal Mittel in die Hand sollten, um ihre Rückstellungen zu erhöhen; denn nach dem Atomgesetz sind sie dafür verantwortlich, diese Kosten zu gewährleisten. Sie machen täglich Gewinne. Dann sollen sie im Prinzip auch täglich die Verantwortung übernehmen.
Herr Witzel, Herr Brockes, es wäre gut, wenn Sie das diesen Konzernen – denen Sie so stark vertrauen – bei Ihren intensiven Gesprächen, die Sie möglicherweise mit denen führen, vielleicht auch vermitteln würden. Sie haben ja so ein großes Vertrauen. Vielleicht führen Sie diese Gespräche ja bereits. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Markert. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Abgeordneter Rohwedder.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und draußen im Stream! Erst einmal möchte ich schöne Grüße von unserem energiepolitischen Sprecher an Sie, Herr Brockes, ausrichten. Wenn Sie zum Thema „Energiepolitik“ reden, kann man schon mal rausgehen. Da kommt nichts, bei dem zuzuhören sich lohnt.
Herr Markert von Bündnis 90/Die Grünen hat sich hier hingestellt und uns vorgeworfen, wir würden seit einigen Monaten versuchen, uns an die Antiatomkraftbewegung dranzuhängen. Herr Markert, das ist nicht Ihr Problem. Sie haben mit der Antiatomkraftbewegung nichts zu tun – seit Jahren schon nicht mehr.
Sie haben gesagt, Sie hätten in Brokdorf demonstriert. Herr Markert, als 1976 im Herbst in Flensburg Flugblätter mit dem Aufruf verteilt wurden, in Brokdorf zu demonstrieren, war ich darauf als presserechtlich Verantwortlicher erwähnt. Da waren Sie acht Jahre alt. Sie haben damals nirgendwo demonstriert.
Es ist aber sehr schön – genauso schön wie scheinheilig –, dass hier alle betonen, dass die Eigentümer der Atomanlagen die Finanzierung der Entsorgung übernehmen sollten. Das Land ist in keiner Weise Eigentümer des Atomkraftwerks, des sozialdemokratischen Staatsreaktors, THTR-300 Hamm-Uentrop. Dennoch hat diese Landesregierung – SPD und Grüne – im Haushalt 2014 eineinhalb Millionen € für dieses Atomkraftwerk eingestellt. Eigentümer sind unter anderem RWE und E.ON. Das zur Glaubwürdigkeit hier.
Die Unverfrorenheit von E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall schlägt die Gier und Unverschämtheit der Banken in der Krise um Längen. Genau wie bei der Finanzkrise haben Politik und Konzerne die Entsorgungskrise selbst verschuldet.
Jahrzehntelang wurden Jahr für Jahr mit den Atomkraftwerken Milliarden verdient. Jahrzehntelang flossen die Subventionen für den Atomstrom. Aufsummiert sind das bis heute – wie die Stiftung für Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft errechnete – mindestens 177 Milliarden €. Von der gesetzlich vorgeschriebenen sicheren Entsorgung in einem Endlager ist bis heute nichts zu sehen. Man lässt die restlichen Atomkraftwerke dennoch weiterlaufen – genau wie die Urananreicherungsanlage in Gronau und die Atomtransporter auf allen Wegen in Nordrhein-Westfalen.
Aufsichtsräten. Und ständig rollt der Rubel in Form von Parteispenden. Auch in NRW wurde so über die Jahre hinweg die politische Landschaft gepflegt.
SPD und Grüne im Bund – die Schröder/FischerRegierung – garantierten sogar die Laufzeiten bis in die 2020-er und verkauften das als Einstieg in den Ausstieg. „Schwarz-Geld“ zog dann die Verlängerungsoption – die zwischen den Zeilen – und musste sie nach Fukushima wieder zurücknehmen. Nach wie vor gilt: Die Zukunft gestaltet man am besten mit der Technik der Vergangenheit.
Wir dagegen meinen, dass die Probleme, die altes Denken verursacht hat, nur durch Umdenken gelöst werden können – zum Beispiel durch dieses hässliche kleine Ökostromgewächs, das man übersehen und vergessen hatte zu zertreten. Es war gewachsen und verdrängte mit aller Kraft die großen Kraftwerke. Es setzte sich gegen alle Widerstände durch; denn es bekam seine Energie einfach gratis und im Überfluss von Sonne und Wind. Damit hatte man nicht gerechnet. 25 % grüner Strom im Netz sind das Aus für die nuklearen Gelddruckmaschinen.
Nun wird es ernst. Der Rückbau der Atomkraftwerke: viel zu teuer. Das Endlager: gar nicht da und sowieso unbezahlbar. Bis dahin: Zwischenlagerung, die auch Geld kostet, Ewigkeitsschäden, Ewigkeitskosten. Also klagt man auf Schadensersatz auf dem normalen Rechtsweg oder – wie Vattenfall – außerhalb der Rechtsstaatlichkeit via Investorenschutz.
Man zerschießt das EEG und sabotiert die Energiewende. Ab 2017 bekommen die Schrottreaktoren eine gigantische Steuerbefreiung, damit sich ihr Weiterbetrieb lohnt. Dazu mit Erlaubnis des Präsidiums ein Zitat von Jochen Stay von „.ausgestrahlt“ auf der Energiewendedemonstration in Berlin am Sonnabend:
„Würden die Atomkraftwerke schneller als geplant abgeschaltet, verringern sich die riesigen Überkapazitäten im deutschen Strommarkt. Damit stabilisiert sich der Börsenpreis und die EEGUmlage sinkt. Doch die Bundesregierung plant das Gegenteil: …“
Jetzt noch einmal der Bezug zu NordrheinWestfalen. Die neue unbefristete Zwischenlagerung – „unbefristete Zwischenlagerung“ ist schon ein Widerspruch in sich – für 60.000 t Uranoxid in Gronau – durchgesetzt von Rot-Grün – wird nur einige Jahre reichen. Mehr als 12.500 t warten schon in Pierrelatte in Südfrankreich auf den Transport. Das geht aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage – Drucksache 16/5732 – hervor. Die Thorium- und Uran-Globuli aus Hamm lagern aufgrund von halbjährlich verlängerten Anordnungen ohne Genehmigung in Jülich. Was wird aus der GNS in Duisburg, dem Lager in Ahaus?
aus der Nukleartechnologie im Zusammenhang mit Stromproduktion in Nordrhein-Westfalen wurden von den vier Pro-Atom-Parteien hier im Landtag abgelehnt. Das alles reicht jetzt immer noch nicht. Es kommt der Vorschlag, die Atomkraftwerke samt Risiken und Kosten für den Ausstieg, für Zwischen- und Endlagerung in eine öffentlich-rechtliche Stiftung zu überführen. Das ist absurd. Das Risiko für Rückbau sowie Zwischen- und Endlagerung muss bei den Konzernen bleiben.
Ein letzter Satz: Und wenn das die Konzerne in die Insolvenz treibt – die übergangsweise nötigen Kraftwerke können mit neuen Eigentümern weiterlaufen. Wer verdient, der haftet. Alles andere wäre Betrug am Volk. – Danke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat ist es das Problem dieser Debatte – verschiedene Redner haben es schon betont; auch mein Kollege Wirtschaftsminister –, dass wir eigentlich keine Grundlage haben, auf der wir diskutieren.
Gleichzeitig wirft das trotzdem ein Schlaglicht darauf, worüber eigentlich diskutiert werden müsste. Wir können uns die ideologischen Einordnungen ein Stück weit sparen, weil das die Folie ist, die vor allem von den Piraten und ordnungspolitisch akzentuiert von der FDP genutzt worden ist. Aber das eigentliche Problem wird dadurch nicht gelöst.
Insofern finde ich es schon sinnvoll, darüber zu diskutieren. Ich finde es schon sinnvoll, dass dieses Thema auf der Tagesordnung steht,
weil endlich der Fokus dahin gelegt wird, wo er hingehört. Wir leisten uns seit zwei Jahren eine Debatte über Strompreise und Kosten. Wo die wahren Kosten eines Systems liegen, das vor 40 Jahren auf den Weg gebracht worden ist und ewig abzufinanzieren ist, macht diese Debatte sehr deutlich.
Im Übrigen geschieht das auch nicht zur Unzeit. Lassen Sie uns doch einmal vergleichen: Wie war das noch gleich bei dem sehr viel einfacheren Problem der Strukturierung der Abwicklung der Steinkohle? Wann ist denn die RAG gegründet worden? – 2007 ist die RAG-Stiftung gegründet worden, also elf Jahre, bevor der Ausstieg aus der Steinkohle Wirklichkeit wird.
Wann soll denn der Ausstieg aus der Atomenergie Wirklichkeit werden? – 2022! Das sind keine elf Jahre mehr, und wir haben noch nicht die Situation wie 2007 erreicht, dass es schon eine Zusammenführung der deutschen Steinkohle gegeben hat. Die Konstruktion, um in einen Fonds zu kommen, ist in Sachen Atomenergie überhaupt noch nicht erreicht. Wir haben also an dieser Stelle keine Zeit zu verlieren, diese Frage tatsächlich auf die Tagesordnung zu setzen.
Ich will an dieser Stelle die besonderen Interessen Nordrhein-Westfalens betonen. Wir sind ja ein Stück weit gebrannte Kinder und haben politisch hoffentlich einen Konsens, der in der Vergangenheit eher von Sozialdemokratie und Grünen getragen wurde, dass wir in Nordrhein-Westfalen keine Atomenergie haben wollten und wollen. Deshalb sind wir früher mit dem Problem beschäftigt gewesen, wie das später mit der Abwicklung laufen soll. Wir haben Erfahrungen mit Jülich. Wir haben Erfahrungen beim THTR.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns in Zukunft von den Möglichkeiten, die auf uns zukommen, haftungsmäßig freistellen. Wir müssen unsere Interessen formulieren. Wir haben in Nordrhein-Westfalen zwei große Energieunternehmen mit Arbeitsplätzen, die wir am Standort halten wollen. Es kann doch nicht sein, dass wir für die Abwicklung an anderen Orten bezahlen – möglicherweise auch noch mit der Belastung unserer Arbeitsplätze hier –, ohne eine klare Perspektive zu haben. Deshalb ist es so notwendig, sich jetzt dafür einzusetzen, Regelungen zu finden.
Wenn wir uns einig sind, dass wir weder die rechtliche Vermischung von Sachverhalten wie zum Beispiel des Schadenersatzes akzeptieren noch dass die öffentliche Hand spätere Risiken finanziert, dann bleibt doch die Frage: Wie können wir die öffentlichen Interessen sichern, wenn es um die Rückstellungen geht? Das ist das zentrale Moment.
Herr Kufen, ich bin ein bisschen irritiert. Schon die gestrige Debatte hat gezeigt, dass Sie etwas irrlichternd durch die Gegend laufen. Aber heute war das sozusagen der Ritt übers Kuckucksnest. Es war nicht wirklich etwas drin. Wohin soll es denn gehen? Wie strukturieren Sie denn das Thema? Sie haben ganz bewusst aus dem Koalitionsvertrag zitiert. Das war ein langes Zitat. Was kam am Ende bei den
Nein, da müssen wir schon unterscheiden. Insofern kommt es auch auf die CDU in NordrheinWestfalen und den Vorsitzenden der CDU an, der an den Verhandlungen teilgenommen hat: Was wollen Sie? Wie wollen Sie das Problem lösen?
Es ist erwähnt worden: Die Umweltminister haben den Beschluss gefasst – ich kann es noch einmal zitieren –, schrittweise eine Überführung der Rückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds zu machen. – Im Koalitionsvertrag steht allerdings nur: „Gespräche zu führen“.
Nun sind die Verhandlungen ja so offen gewesen, dass man ungefähr weiß, was wer wollte: Die Sozialdemokratie wollte diesen Weg gehen und konkret festschreiben, zu einem Fonds zu kommen, der die Rückstellungen sichert. Aber offensichtlich wollte die CDU-Seite das nicht. Das genau ist das Problem. In diese Lücke hinein wird die Diskussion im Moment geführt. Deshalb ist es notwendig, dass Sie zu einer Position kommen, damit die öffentlichen Interessen gesichert und gewahrt sind. Ich glaube, dass insbesondere die CDU in Nordrhein-Westfalen dabei eine Schlüsselstellung einnimmt.