Das ist der Geist, der in Wuppertal herrscht: der Geist der Toleranz, getragen von den Vertretern der Konfessionen, von der Stadtgesellschaft und allen bürgerlichen Parteien, von allen Repräsentanten der Stadt. Wir stehen untereinander in einem vielfältigen Kontakt und Dialog. Wir begegnen uns als Wuppertaler. Wir stehen gerade auch jetzt zusammen und damit an der Seite unserer muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die nichts mit der ShariahPolice zu tun haben, nichts mit dem Ungeist salafistischer Hetzer.
Betrachten wir einmal die Opfer: Opfer sind zunächst einmal unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Lassen wir es nicht zu, dass sie in einer doppelten Opferstruktur gefangen werden, indem sie unter den Generalverdacht als nicht integrierte und nicht integrierbare potenzielle oder real extremistische Angehörige einer Parallelgesellschaft gestellt werden und die Diskussion hauptsächlich hierum kreist.
Opfer sind zum Beispiel junge Muslimas, die von einer Horde Männer nachts genötigt und verängstigt werden, denen damit untersagt werden soll, eine Disco zu besuchen, und die sich derzeit nicht außer Haus trauen. Opfer sind junge verführbare Männer und ihre Familien, die für scheinbar heilige Kriege rekrutiert und verheizt werden sollen.
Es war auch ein Angriff auf unsere freiheitliche Verfassung. Aber wie sieht es nun mit unserer Verfassung aus? Um sie muss man sich grundsätzlich immer sorgen – vollkommen richtig. Aber wir wissen auch, dass sie stabil ist, dass sie durch unsere von vielen gelebten und weltweit von Millionen ersehnten Werte getragen wird, dass sie durch unsere
Was sind nun diese Einsichten? – Es ist die Einsicht, dass die universalen Menschenrechte dem Wunsche der Unterdrückten, dem Wunsche der Unfreien aller Zeit und aller Orte entsprechen. Unsere Rechte sind nicht die Rechte der Machthaber, es sind die Rechte der zunächst Machtlosen. Das Recht auf Entfaltung der Person braucht die Masse der Beherrschten, nicht die geringe Zahl der Herrscher.
Das ist genau das Gegengewicht zu den gedanklichen und staatlichen Verhältnissen in den Kriegs- und Krisengebieten unserer Welt. Es ist die Einsicht, dass Menschen vor der ungezügelten Macht der Herrscher und der falschen Prediger geschützt werden müssen. Es ist die Einsicht, dass kein Staat Paradiese schaffen kann und kein Herrscher im Besitz historischer oder religiöser Wahrheiten ist. Und es ist die tiefe Einsicht, dass politischer Messianismus oder nationales Führertum nicht in einer vollendeten Gesellschaft oder dem ewigen Leben münden, sondern in Tyrannei und Tod.
Es ist die Einsicht, dass die Entwicklung des Menschen, sein Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit Raum und Grenzen braucht: Raum, in dem er seine Biografie selbstständig schreiben und bestimmen kann, Grenzen dort, wo er beginnt, anderen ihren Raum zu nehmen. Es geht also nicht um ein: „Jeder mache, egal was er will“, sondern um ein immer wieder wachsam zu behütendes, immer wieder behutsam zu behandelndes und immer wieder neu zu justierendes Miteinander.
Unsere Werte werden wir mit allen Mitteln des Rechtsstaates verteidigen. Ich bin daher der Wuppertaler Polizei für ihr engagiertes und schnelles Handeln dankbar. Ich bin dem Innenminister dankbar, schnellstens ein Verbot für das Tragen der Westen ausgesprochen zu haben. Ich bin dankbar dafür, dass wir mit Mitteln des Landes Beratungsstellen für das Projekt „Wegweiser“ einrichten können. Ich bin den Wuppertaler Moscheegemeinden dankbar, die mit ihrer Arbeit über die Gefahren des Salafismus aufklären und dafür sorgen, dass sich gerade ihre jungen Gemeindemitglieder immun gegenüber den scheinbaren Verlockungen zeigen.
Als Gesetzgeber ist es unsere Pflicht und unser vornehmstes Recht, jedes rechtsstaatliche Mittel einzusetzen, um durch das Gesetz unsere Demokratie und unsere Bürger zu schützen. Besonders ist es uns auferlegt – und wir sind da in einer weltweit betrachtet luxuriösen und von vielen beneideten Situation –, den Geist dieser Demokratie auch leben zu dürfen.
Das werden wir in Wuppertal gemeinsam tun. Wir werden nach den leidvollen Erfahrungen der letzten Woche nur umso mehr zusammenrücken. Denn eines geben wir den Radikalen, egal welcher Couleur, nicht: Wir geben Ihnen nicht unsere Gemeinschaft, nicht unsere Werte, wir geben ihnen keinen Nährboden für ihre Ideologien, nicht unsere Angst und auch nicht das Auseinanderdividieren der Demokraten. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Präsidentin Gödecke eben ankündigte, dass Herr Innenminister Jäger mehr Redezeit brauche, um grundsätzlich klarzustellen, wie es bei diesem Thema weitergehen solle, da hatte ich die Hoffnung, dass wir hier wirklich mal ein Konzept vorgetragen bekommen. Aber was wir dann hören konnten, das waren Allgemeinplätze und Verallgemeinerungen und nicht eine einzige konkrete Maßnahme. Für einen Innenminister, der sich hier immer wie ein Sheriff hinstellt, ist das deutlich zu wenig, Herr Jäger.
Dass die CDU im Ausschuss gefehlt hat, ist doch keine Entschuldigung dafür, dass Sie uns hier nach wie vor ein Konzept vorenthalten. So kann das nicht weitergehen.
Ich muss ganz ehrlich sagen: Bei dieser Landesregierung fühle ich mich – auch als Bürger in Nordrhein-Westfalen – bei diesem Thema nicht mehr vernünftig aufgehoben.
Sie tragen – Herr Körfges hat das angesprochen; in Ihrer Begründung zu der heutigen Aktuellen Stunde steht das auch, Frau Beer – das Projekt „Wegweiser“ immer wie eine Monstranz vor sich her. Dann müssen Sie sich aber auch mal damit auseinandersetzen, was dort tatsächlich passiert. Der Innenminister hat doch gerade bewiesen, dass er überhaupt nicht verstanden hat, worum es bei diesem Projekt eigentlich geht.
Er hat nämlich behauptet, das Projekt sei nicht für mich gedacht. Meine Damen und Herren, das Projekt ist bewusst für alle Bürgerinnen und Bürger gedacht, damit sie Hinweise geben können. Wenn sie sehen, dass irgendjemand abgleitet, muss so eine Einrichtung für sie doch erreichbar sein. Anders geht es überhaupt nicht. Kommen Sie hier doch nicht mit solchen Bemerkungen!
Das gilt – bei aller Wertschätzung – leider auch für Staatssekretär Klute, der heute im „GeneralAnzeiger“ verkündet hat, wie toll das Projekt „Wegweiser“ funktioniere und wie fantastisch die Zusammenarbeit mit den Verbänden sei. DITIB ist nach wie vor nicht dabei – und andere auch nicht –, weil „Wegweiser“ zusammen mit dem Verfassungsschutz durchgeführt wird, gegen den sie wegen der NSU-Ermittlungen große Vorbehalte haben.
Ich habe den Eindruck, dass Sie die Sachverhalte überhaupt nicht kennen. Und das ist bei einem derart sensiblen Thema vollkommen unangemessen.
Gestatten Sie mir noch eine letzte Bemerkung an die Adresse der Kollegin Schäffer und anderer, die sich hier zum Umgang mit diesen Jugendlichen geäußert haben. Silvio K., Pierre Vogel, Sven Lau – das sind alles keine türkisch oder arabisch klingenden Namen. Diese Personen sind, wie man ein bisschen flapsig sagt, Bio-Deutsche. Sie können nun wirklich nicht anführen, dass die als Hassprediger unterwegs sind, weil sie hier aufgrund ihres Glaubens diskriminiert worden sind. Das sind ganz üble Gestalten. Das muss man auch in aller Klarheit benennen. Dem muss man mit aller Härte des Rechtsstaats begegnen. Man kann nicht immer alles auf eine schlimme Kindheit zurückführen.
(Hans-Willi Körfges [SPD]: Das hat kein Mensch getan! – Sigrid Beer [GRÜNE]: Das hat niemand gesagt!)
Das tun wir auch bei Neonazis nicht. Wir brauchen hier einen gemeinsamen Konsens dahin gehend, dass wir uns als Zivilgesellschaft, als Bürgergesellschaft, genauso, wie wir uns gegen Neonazis stellen, auch gegen militante Salafisten stellen. Das sind wir unserem Land, das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern schuldig. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich war vor nicht einmal zwei Wochen mit Kolleginnen und Kollegen aller Landtagsfraktionen bei der feierlichen Gründung des Landesverbandes NRW des Zentralrats der Muslime in Wuppertal. Zusammen haben wir alle, ob Christen, Muslime oder Juden, das friedliche Miteinander der Religionen in der Stadt Wuppertal gewürdigt.
Dass keine vier Tage später eine Gruppe religiös verblendeter Extremisten in Warnwesten aus dem Baumarkt als sogenannte Shariah-Police auf der
Sittenstreife durch Wuppertal zog, hat mich sehr geärgert. Mich hat die Dreistigkeit jener jungen Männer geärgert, die sich mit ihrem Auftritt als selbst ernannte Sittensheriffs in einer Art und Weise über das geltende Recht und die Ordnung gestellt haben, die man im religiösen Kontext durchaus auch als unislamisch bezeichnen kann.
Für den allergrößten Teil der hier lebenden Musliminnen und Muslime ist es selbstverständlich, sich an Gesetze zu halten. Sie sind ebenso wie ich darüber verärgert, dass eine kleine Gruppe Extremisten mit solchen Aktionen dem Ansehen des Islam in Deutschland derart geschadet hat.
Die Diskussionen und Berichte der letzten Tage haben leider auch den Effekt gehabt, dass die Rechnung der sogenannten Neosalafisten nach größtmöglicher Aufmerksamkeit aufgegangen ist. Der klägliche Versuch von Neonazis, mit einer ähnlichen Aktion auch ein Stück von diesem Kuchen abzubekommen, sei hier nur am Rande erwähnt.
Diese unerwünschte Aufmerksamkeit künftig zu vermeiden wird für uns alle eine große Herausforderung werden. Hier ist neben der nötigen Wachsamkeit auch Sachlichkeit bei der Thematik geboten.
Diese Sachlichkeit habe ich in den Redebeiträgen von FDP und CDU zu dieser Aktuellen Stunde vermisst; denn sie werfen Rot-Grün einfach Versagen vor.
Ich finde, dass Innenminister Ralf Jäger richtig gehandelt hat, indem er die Sicherstellung besagter Polizeiwesten veranlasst hat und die Polizei in einem Erlass angewiesen hat, mit allen Mitteln gegen diese selbst ernannte Sittenpolizei vorzugehen.
Während Vertreter der Union lauthals nach noch schärferen Gesetzen rufen, bin ich der Meinung, dass wir bereits bestehende Gesetze wirksam ausschöpfen müssen.
Ich bin auch der Meinung, dass wir das Problem mit gewaltbereiten Salafisten und deren Ideologie, die sich klar gegen die freiheitlich-demokratische Gesellschaft richtet, nicht alleine mit strafrechtlichen Mitteln angehen können. Vielmehr müssen wir auch die zivilgesellschaftlichen Akteure sowohl auf muslimischer Seite als auch auf der gesamtgesellschaftlichen Seite stärken.
Das geht natürlich nur, indem man sich auf Augenhöhe begegnet. Rot-Grün hat daher den Dialog mit den Muslimen in NRW seit Übernahme der Regie
rung im Jahre 2010 forciert. Gemeinsam arbeiten wir an verschiedenen Stellen daran, dass der Islam als ein selbstverständlicher Teil Nordrhein-Westfalens wahrgenommen wird und Muslime sich hier angenommen fühlen.
So haben wir fraktionsübergreifend die Einführung des islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache beschlossen.