Nur eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann man nicht machen: Man kann nicht hier Dinge beklagen, sich auf der anderen Seite aber den notwendigen finanziellen Konsequenzen verweigern. Im Grundgesetz steht das, was wir gemeinsam zitiert haben, in Art. 1. Weit dahinter sagen wir etwas zur Finanzverfassung. Und ich sage Ihnen an der Stelle ganz deutlich: Die Menschenwürde steht auch vor der schwarzen Null und ist für mich Staatsziel.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihnen sagen, was peinlich ist. Peinlich ist es, sich hierhin zu stellen
und sich zu Recht über bestehende Verhältnisse aufzuregen, aber unmittelbar zuvor mit dem Vorsitzenden der AfD in tabubrechender Weise öffentliche Gespräche geführt zu haben.
Ich hoffe, dass wir gemeinsam die richtigen Konsequenzen aus den Vorgängen ziehen, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Körfges, es liegen mir zwei Kurzinterventionen vor. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Herrn Kollegen Körfges gebeten, direkt am Rednerpult stehen zu bleiben,
weil während seiner Rede der Wunsch nach zwei Kurzinterventionen geäußert wurde. Die erste Kurzintervention wurde von Herrn Kollegen Kern angemeldet, die zweite von Herrn Kollegen Herrmann. – Herr Kollege Kern, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Kollege Körfges, es tut mir leid, nein, es tut mir nicht leid: Ich kann es Ihnen jetzt nicht durchgehen lassen, dass Sie hier so ein Blendfeuerwerk für die Öffentlichkeit zünden und von den eigentlichen Problemen abzulenken versuchen.
Zunächst einmal: Die Reihe von Fragen, die sich gerade selbst am Rednerpult schuldbewusst gestellt haben, hätten Sie jetzt nicht zu stellen brauchen. Denn die Fragen haben wir Ihnen schon vor Wochen gestellt, aber die Antworten sind leider ausgeblieben.
Ich möchte auch Ihrem Versuch entgegentreten, hier ein Bild zu malen von den „bedauerlichen Einzelfällen“, was das Fehlverhalten und das Versagen der privaten Sicherheitsdienste angeht. Ich möchte nicht über die Symptome, sondern lieber über die Ursachen sprechen, und an Sie einfach eine Frage richten: Meinen Sie nicht auch, dass sich derjenige, der Humanität auf private Unternehmen outsourct, nicht wundern darf, wenn dann mit Unmenschlichkeit Gewinn gemacht wird?
Lieber Herr Kollege Kern, ich bin auf die Ausgliederung von Aufgaben eingegangen. Ich bin sehr froh darüber, dass jetzt aus Anlass dieser schrecklichen Ereignisse die Gelegenheit wahrgenommen wird, die Strukturen insgesamt zu überprüfen. Ich will aber nicht in jedem Einzelfall hingehen und das Private kontrahieren mit Partnern, die ja durchaus auch Wohlfahrtsverbände oder gemeinnützige Organisationen sein können. Das will ich nicht generell infrage stellen.
In einer Frage gebe ich Ihnen aber recht – und das Herr Minister Jäger aus meiner Sicht auch sehr überzeugend dargelegt –: Es kann nicht sein, dass Menschen Hausrecht wahrnehmen, die dazu in keiner Weise qualifiziert sind, die nicht in einem unmittelbaren Beschäftigungsverhältnis stehen und die darüber hinaus, liebe Kolleginnen und Kollegen, womöglich straffällig geworden sind. Dazu müssen wir die notwendigen Vorkehrungen treffen.
Ob die Ereignisse nun Anlass sind, um sich von privaten Anbietern insgesamt zu distanzieren, müssen wir im Einzelnen untersuchen. Angesichts der dramatischen Zahl von Menschen, die bei uns Schutz und Hilfe suchen, halte ich generelle Aussagen dazu jedoch für ausgesprochen schwierig.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Körfges, Sie haben die Sitzung des Innenausschusses schon erwähnt. Wir haben vor der Sommerpause einen Bericht des Ministeriums über den Planungsstand bezüglich Neuaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber und der aktuellen Situation in den Einrichtungen beantragt. Dazu gab es dann nach der Sommerpause in der Septembersitzung eine Antwort. Teil der Antwort war, dass Gespräche mit Flüchtlingsorganisationen, Betreibern usw. stattfinden, in denen Fragen der Unterbringung erörtert werden, und dass für diese Gespräche Vertraulichkeit vereinbart wurde. Dazu könnte zum Beispiel auch das Gespräch vom August mit dem Bürgermeister von Burbach gehört haben.
Wir haben gefragt, ob wir Kenntnis über diese Berichte bzw. darüber erlangen können, was der Inhalt dieser Gespräche ist. Würden Sie uns zukünftig unterstützen, dass die Vertraulichkeit aufgehoben wird, wenn wir noch einmal die Frage nach den Berichten stellen und wissen möchten, was darin steht?
Da muss man sehr stark differenzieren, Herr Kollege Herrmann. Auf der einen Seite ist es richtig, dass jetzt Dinge im Zusammenhang mit diesen schrecklichen Ereignissen aufgearbeitet werden. Dazu gehören sicherlich auch Einzelvorgänge.
Auf der anderen Seite ist es an dieser Stelle ganz wichtig, zwischen den vielen, die dort ihre Arbeit ordentlich und vernünftig für die Menschen erledigen, und den wenigen, die sich in schändlicher Art und Weise benehmen, zu differenzieren. Im Hinblick darauf, dass es in der Regel eine Vertrauensbasis zwischen dem Ministerium und den Organisationen und Strukturen gibt, sollte man von Fall zu Fall das
Ich halte es für ganz schwierig, wenn man sich bei dieser Frage daran versucht, absolut richtige Antworten kurzfristig zu entwickeln; denn das kann bezogen auf solche komplexen Sachverhalte nicht gutgehen. Das ist eine der Konsequenzen, die ich für mich persönlich ziehe.
Wir müssen insgesamt besser hinschauen, denke ich. Da haben Sie uns an Ihrer Seite. Auf der anderen Seite gibt es aber durchaus einen geschützten vertrauensvollen Bereich zwischen privatrechtlich tätigen Anbietern und der Regierung. Das fällt dann auch unter den geschützten Bereich des Regierungshandelns. – Ich bedanke mich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Übergriffe auf Asylbewerber hier in Nordrhein-Westfalen sind ekelhaft, sie sind, wie die Ministerpräsidentin dankenswerterweise deutlich gemacht hat, beschämend, und sie sind menschenrechtsverletzend. Es geht zuallererst um Menschen, deren Würde nach unserem Grundgesetz unantastbar ist – Menschen in einer Fluchtsituation, und zwar ganz egal, woher sie kommen und welche Fluchtgründe sie haben.
Herr Körfges, Menschenrechtsverletzungen hier in Zusammenhang mit der schwarzen Null zu bringen, ist allerdings nur noch schäbig.
Meine Damen und Herren, bei den Übergriffen stellt sich neben der strafrechtlichen Verantwortung auch die Frage der politischen Verantwortung. Herr Minister Jäger, Sie bedauern; aber echte Verantwortung weisen Sie von sich. Zitat: „Gegen diese kriminelle Energie hilft auch die beste Kontrolle nicht.“
Da muss ich doch einmal fragen: Welche Kontrolle denn? Wie war es denn mit der Bezirksregierung Arnsberg in den letzten Monaten unter ihrer Verantwortung? Sie sind doch die ganze Zeit schon völlig überfordert. Sie haben ja auch selbst in ihrer Pressekonferenz eingeräumt, dass zum Zeitpunkt von Übergriffen ein Mitarbeiter der Bezirksregierung auf dem Gelände anwesend war.
Meine Damen und Herren, dass Regierungspräsident Bollermann heute in der „Rheinischen Post“ erklärt, die Bezirksregierung sei überhaupt nicht überfordert gewesen, ist angesichts der Bilder aus Burbach wirklich erschütternd.
Es ist doch ein schlechter Witz, dass ein Bundesland bei jedem öffentlichen Auftrag von jedem Unternehmen verlangen kann, die Arbeitsbedingungen von Mitarbeitern bis ins letzte Subunternehmen im Ausland zu garantieren, und es gleichzeitig nicht schafft, in seinen eigenen Landeseinrichtungen für Flüchtlinge keine vorbestraften oder rechtsradikalen Sicherheitsleute zu beschäftigen. Das ist indiskutabel –
gerade vor dem Hintergrund, dass der Bürgermeister von Burbach Staatssekretär Nebe über Missstände und Überbelegung bereits Anfang August informiert hat. Ich sage bewusst: Missstände und Überbelegung. Ich habe das auch gelesen. Diese Überbelegung ist aber bereits seit Anfang August bekannt gewesen. Sie sind eben nicht vor Ort gewesen und haben sich nicht darum gekümmert.
Das Ministerium ist gewarnt worden, dass es Probleme in Burbach gibt. Es ist nicht adäquat reagiert worden. Dafür tragen Sie die politische Verantwortung, Herr Minister.