Protokoll der Sitzung vom 05.12.2014

Nur Applaus von den Piraten – das finde ich auch bezeichnend. Aber Sie können Ihre Zustimmung zu diesem Gedanken anderweitig zum Ausdruck bringen, nämlich indem Sie Whistleblowern durch die Annahme unseres Antrags Schutz gewähren.

(Beifall von den PIRATEN)

Herr Finanzminister, Sie haben die Steuersklerose im Bereich der Einkünfte aus Kapitalerträgen gestoppt. Sie haben sich gegenüber der Schweiz beim automatischen Informationsaustausch durchgesetzt. Respekt – auch wenn ich hinsichtlich Ihrer Wahl der Mittel bekanntlich anderer Ansicht war. Aber das ist Ihr politischer Erfolg. Das muss ich ganz objektiv und der Vollständigkeit halber einmal anerkennen.

Wie geht es weiter im internationalen Steuerrecht? Sie gefallen sich ja, Herr Minister, wie ich damals in der Debatte lernen musste, in grünen Strumpfhosen. Aber als Steuer-Robin-Hood brauchen Sie nicht nur den Kurzbogen, der gegen die Steuerhinterziehung von Millionären und Multimillionären wirkt. Sie brauchen in Ihrem Repertoire auch den Langbogen, der die Milliardäre und Multimilliardäre erreicht, die Konzernmultis. An diesem langen Bogen mangelt es zurzeit, und zwar in ganz Europa.

(Beifall von den PIRATEN)

Erste Vorschläge für einen Langbogen gegen internationale Konzerne stehen in unserem Antrag. Um welche konkreten Maßnahmen geht es? Es geht um die Verhinderung mutwilliger Verlagerungen von Gewinnen in Steueroasen, um sogenanntes Country-by-Country-Reporting; dass man also in einer Bilanz sehen kann, wo welche Gewinne und Steuern anfallen oder eben nicht.

Und man kann ähnlich wie bei der Versagung der Abzugsfähigkeit von Zinsausgaben auch bei Ausgaben für Lizenzen und Patente fragen, ob diese denn tatsächlich von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen werden dürfen, wenn sie in einem anderen EU-Land lediglich zu 5 % besteuert werden. Wir Piraten sagen da Nein.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir brauchen eine Mindestbesteuerung, die ihren Namen verdient, und nicht die lächerlichen 15 %, die zurzeit in der Diskussion rund um die BIPsArbeitsgruppe, die sich mit diesem Thema beschäftigt, rumgeistern. Dass auf europäischer Ebene gemeinsame Regelungen möglich sind, zeigt doch gerade das Zustandekommen des automatischen Informationsaustauschs, wenn nur der politische Wille vorhanden ist. Die Steuerhinterziehung Vermögender wird bekämpft, während ein Vorgehen gegen Großkonzerne unmöglich sein soll – das glaubt doch niemand mehr!

Wir können es daher nicht zulassen, dass der aus dem technologischen Fortschritt resultierende

Wohlstandsgewinn alleine den Aktionären von Großkonzernen und deren Managern zugutekommt. Die Automatisierungsdividende darf nicht privatisiert und gleichzeitig steuerfrei gestellt werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Wir Piraten bleiben dabei: Die aufgedeckte Steuerprivilegierung von Großkonzernen und Vermögenden ist die asoziale Variante der Legalität und gehört abgeschafft!

(Beifall von den PIRATEN)

Wir Piraten laden alle Fraktionen im Rahmen der Ausschussberatungen dazu ein, ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Zimkeit.

Zunächst, Herr Präsident, muss ich mich bei Ihnen entschuldigen, ich habe Sie in meinem Redebeitrag vorhin versehentlich als Vizepräsident angesprochen, obwohl Sie amtierender Präsident waren. Ich bitte, das zu verzeihen.

Wir nehmen die Einladung zur Diskussion und vielleicht zu einem gemeinsamen Vorgehen in dieser Frage gerne an. In dem Antrag werden wichtige Fragen angesprochen. Ob die benannten Instrumente und Adressaten alle die richtigen sind, sollten wir diskutieren. Wir wissen: Die Bekämpfung von Steuerungerechtigkeit, Steuerhinterziehung und

Steuerunehrlichkeit ist ein Markenzeichen dieser Landesregierung. In diesem Fall sind wir inhaltlich gar nicht so weit auseinander. Wir sollten das ausführlich im Ausschuss weiterdiskutieren.

(Beifall von der SPD und den PIRATEN)

Danke, Herr Zimkeit. – Für die Fraktion der CDU spricht der Abgeordnete Stein.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits im Juli 2013 haben die G-20-Finanzminister den Aktionsplan „Base Erosion and Profit Shifting“ – kurz: BEPS – der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verabschiedet. Dabei geht es um Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung multinational tätiger Unternehmen. Dieser Aktionsplan beinhaltet einen umfassenden Maßnahmenkatalog gegen steuerschädlichen Wettbewerb. Ziel ist die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der teilnehmenden Staaten bei gleichzeitiger Sicherung der Steuereinnahmen.

Inzwischen gibt es auch einen 15 Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog, der breite internationale Zustimmung erfahren hat. Ein Baustein in diesem Kontext ist auch die Verbesserung der Transparenz im Hinblick auf aggressive Steuerplanung.

Vor drei Monaten hat das Bundesfinanzministerium ein Symposium zur internationalen Steuerpolitik ausgerichtet. Im Fokus standen dort die ersten Ergebnisse der internationalen Arbeiten zur Bekämpfung internationaler Steuergestaltungen. Die Probleme, um die es geht, haben nämlich internationale Ursachen.

Sie resultieren aus den internationalen Wirtschaftsbeziehungen, während das Steuerrecht eine nationale Kompetenz ist und – diese Anmerkung sei mir hier erlaubt – nicht allein auf der Länderebene Nordrhein-Westfalens geregelt werden kann. Das ist klar. Es ist also wichtig, dass wir zu international abgestimmten Lösungen kommen. Wir benötigen einen gemeinsamen internationalen Ordnungsrahmen,

den die einzelnen Staaten in der ihnen eigenen Gesetzgebung beachten.

Die internationalen Arbeiten sollen bis zum Ende des Jahres 2015 fortgeführt werden. Dann wird abschließend feststehen, an welchen Punkten das internationale Regelwerk Schwächen aufweist und geändert werden muss.

Für uns steht fest, dass internationale Steuergestaltung eingeschränkt werden muss, damit die Wettbewerbsgerechtigkeit aller Unternehmen erhalten bleiben kann. Da, wo es nötig ist, muss dann auch das nationale Recht den weiteren Entwicklungen angepasst werden.

Für meine Fraktion ist klar: Einzelne Maßnahmen oder Vorstöße von Bundesländern können nicht zum Erfolg führen. Es sollte vielmehr eine enge Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund geben, damit dieser bei der EU und der OECD auf die gewünschten Ziele hinwirken kann.

Der Überweisung Ihres Antrages in den Fachausschuss stimmen wir natürlich zu. – Für Ihre Aufmerksamkeit möchte ich mich herzlich bedanken.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Stein. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Stein, herzlichen Glückwunsch zu dieser Jungfernrede als Neuparlamentarier der CDU-Fraktion.

(Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Mit Blick auf die intensiveren Debatten, die wir in den Ausschüssen sicherlich führen werden, möchte ich mich auf drei Punkte zu Ihrem Antrag beschränken.

Erstens: der Themenkomplex „Luxemburg-Leaks“. Die Enthüllungen der Journalisten aus mehreren Ländern sind nicht nur zu begrüßen, sondern bringen uns erstmalig und einmalig Einblick in die Steuerpraktiken von Unternehmen in den europäischen Nachbarländern. Das bestärkt uns alle darin, noch größere Anstrengungen gegen die Steuervermeidungsstrategien international tätiger Großkonzerne und das aggressive Steuerdumping einiger Mitgliedstaaten innerhalb der Europäischen Union zu unternehmen.

Aus unserer Sicht ist der aggressive Steuerwettbewerb gerade der Niederlande, Luxemburgs, Irlands und Österreichs ein Bruch des europäischen Rechts, der alle Mitglieder zur loyalen Zusammenarbeit verpflichtet. Deshalb stellt sich unsere Fraktion im Landtag hinter die Initiative der grünen Fraktion im Europäischen Parlament, die einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung systematischer Steuervermeidung in den EU-Mitgliedstaaten fordert. Ich denke, dass ein Untersuchungsausschuss das wirksamste Instrument für eine volle Aufklärung der staatlichen Begünstigung von Steuerprellern ist, wie durch die Luxemburg-Leaks enthüllt.

Zudem müssen EU-Kommissionspräsident Jean Claude Junker und Finanzminister Schäuble sehr schnell beweisen, dass sie die Interessen der europäischen Bürger vor die Interessen der steuervermeidenden Großunternehmen und Steueroasen stellen. Viele Vorschläge sind längst da. Bislang fehlte allerdings meiner Meinung nach der politische Wille. Die Gelegenheit von Luxemburg-Leaks darf unserer Meinung nach nicht ungenutzt bleiben. Politische Tatenlosigkeit würde den Europafrust auch unverantwortlich verstärken.

Zweitens. Themenkomplex „Lizenzboxen“: Viele Staaten bieten internationalen Großkonzernen eine willkommene Plattform für aggressive Steuergestal

tung mittels steuergünstiger Lizenzboxen. Ich unterstütze das Anliegen des Piratenantrags, diesem Steuersparbetrieb von Unternehmen einen Riegel vorzuschieben.

Der Finanzminister aus Hessen hat jüngst eine Bundesratsinitiative gegen Steuerdumping vorgestellt und spricht sich darin für die Einführung einer sogenannten Lizenzschranke aus. Er schlägt vor, dass künftig Lizenzzahlungen ins Ausland nur dann voll abzugsfähig sind, wenn sie der Empfängerstaat mit mindestens 25 % besteuert. Das ist sicherlich eine interessante Initiative, damit durch konzerninterne Lizenzzahlungen die bislang in Deutschland erzielten Gewinne nicht weiter kleingerechnet und in Länder verschoben werden können, wo sie kaum besteuert werden.

Drittens. Die Schließung von Steuerschlupflöchern und die Bekämpfung von Steuerhinterziehung sind für uns im Landtag und für die Landesregierung wichtige Bausteine zur gerechteren Finanzierung der öffentlichen Aufgaben. Nordrhein-Westfalen ist dabei bundesweit eines der führenden Länder und hat in der Vergangenheit bereits wichtige Impulse für die nationalen und internationalen Fortschritte auf diesem Gebiet gesetzt. Ich schließe mich da meinem Kollegen Zimkeit an, dass wir – das muss ich Ihnen leider sagen – an dieser Stelle keines Antrages der Piraten bedurft hätten, um uns da noch einmal zu motivieren. Ich denke vielmehr, dass wir da schon an vorderster Front stehen und kämpfen.

Ich freue mich auf die Ausschussberatung und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Engstfeld. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Witzel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gestrige Entscheidung des Europäischen Parlaments, die Aufklärung von Lux-Leaks und die Bekämpfung von Steueroasen sowie Steuervermeidung zum Gegenstand zweier ausführlicher Sonderberichte zu machen, begrüßt die FDP-Landtagsfraktion ausdrücklich.

Wir wollen Aufklärung und auch nähere Einzelheiten erfahren zu der Fragestellung, welche Geschäftsmodelle mit welchen Steuergestaltungen im EU-Ausland in den letzten Jahren genutzt worden sind. Die Bürger dürfen vom Europäischen Parlament zu Recht erwarten, dass dieses an der Spitze der Aufklärung und Aufarbeitung von Angeboten problematischer Steuervermeidungspraktiken einzelner Mitgliedstaaten innerhalb der EU steht.

Die Sonderberichte bieten daher eine gute Gelegenheit, einerseits vergangene Praktiken umfassend aufzuklären und andererseits endlich einen

Rahmen für transparenten und fairen Steuerwettbewerb zumindest in Europa zu erarbeiten.

Wünschenswert wäre es sicherlich, wenn es absehbar gelänge, auch zu einer darüber hinausgehenden internationalen, idealerweise auch weltweiten Verständigung über zulässige Steuerpraktiken einerseits und Steuervermeidungsstrategien andererseits zu kommen, die im Sinne eines fairen Wettbewerbs in einer sozialen Marktwirtschaft nicht länger hinnehmbar sind. Auswüchse gibt es in der Tat, von denen auch zahlreiche bekannt werden bzw. in der Vergangenheit publik geworden sind. So etwas kann denen nicht recht sein, die sich so gründlich wie möglich an Steuergesetzgebung halten.