Protokoll der Sitzung vom 29.04.2015

Wir verfügen zurzeit über 602 mehr Planstellen bei der nordrhein-westfälischen Polizei als 2010. Das hat ursächlich damit zu tun, dass diese Landesregierung erhebliche Anstrengungen unternimmt, insbesondere im Bereich der Einstellung von Kommissaranwärterinnen und -anwärtern, die die Landesregierung deutlich erhöht hat.

Sie schildern jetzt das, was ich schon versucht habe, darzustellen, nämlich dass aufgrund der demografischen Entwicklung in der Zukunft ein größerer Personalbedarf entstehen könnte. – Das ist gerade Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersu

chung.

Wenn es tatsächlich zu einer solchen demografischen Lücke – so nenne ich sie einmal – kommen sollte, dann, um es etwas plakativ auszudrücken, handelt es ich um eine schwarz-gelbe Lücke. Diese ist darauf zurückzuführen, dass die Anstrengung, die diese Landesregierung für den Personalbestand der nordrhein-westfälischen Polizei unternommen hat, die ehemalige schwarz-gelbe Landesregierung nicht unternommen hat, sondern sie hat trotz vorliegendem Altersbericht, trotz in Kenntnis dessen, was in wenigen Jahren auf die nordrhein-westfälische Polizei zukommt, keine ausreichenden Einstellungen vorgenommen.

Danke schön, Herr Minister. – Herr Witzel hat eine Frage.

Vielen Dank, Herr Präsident, für die Gelegenheit zur Nachfrage. – Herr Minister Jäger, ich würde gerne auf Struktur, Standorte und Besetzungszeiten von Polizeiwachen vor Ort, einschließlich Funkstreifen und Bezirksdienststellen, zu sprechen kommen und Sie gerne fragen, ob Sie die Ansicht teilen, dass die Besetzung dort maßgeblich ist für Einsatzreaktionszeiten, polizeiliche Verfügbarkeit, bürgernahe Präsenz und deshalb eine personellen Ausdünnung und Schwächung einzelner Dienststellen und Kommissariate vor Ort oder sogar die Schließung weiterer Polizeiwachen oder eine Reduzierung von Streifenwagenbesetzungen deshalb abzulehnen ist, wenn keine zusätzlichen Gefahren für die innere Sicherheit in Kauf genommen werden sollen.

Herr Minister, bitte.

Herr Abgeordneter Witzel, ich versuche jetzt einen vierten Anlauf: Es gibt keinen Personalabbau bei der nordrhein-westfälischen Polizei. Im Gegenteil: Wir haben seit 2010 600 zusätzliche Planstellen zur Verfügung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Insofern ist das Szenario, das Sie gerade schildern, dass es zur Schließung von Wachen aufgrund von Personalmangel kommen sollte, nicht zutreffend.

Ich will Ihnen aber kurz erläutern, wie die Organisations- und Personalentscheidungen innerhalb der nordrhein-westfälischen Polizei bezogen auf die 47 Kreispolizeibehörden getroffen werden.

Die über 40.000 Polizeivollzugsbeamten werden nach der sogenannten BKV über die 47 Kreispolizeibehörden und die drei Landesoberbehörden verteilt. Grundlage für die Personalverteilung zwischen diesen 47 Kreispolizeibehörden ist beispielsweise die Häufigkeit von Verkehrsunfällen, die Häufigkeit von Delikten, also sozusagen das „Auftragsbuch“ der Polizei. Je nachdem, wie sich die jeweilige Lage in den 47 Kreispolizeibehörden darstellt, so wird das Personal vonseiten des Ministeriums dorthin zugewiesen.

Ob und in welchem Umfang Polizeidienststellen in einer solchen Kreispolizeibehörde betrieben, aufrechterhalten oder neu angemietet werden, entscheidet in der Regel die Kreispolizeibehörde selbst, weil nur sie die örtlichen, regionalen Kenntnisse darüber hat, wie beispielsweise eine gute Einsatzreaktionszeit zu entwickeln ist, wie die Wege innerhalb einer Stadt aussehen, wo es möglicherweise Hotspots gibt wie beispielsweise die Düsseldorfer Altstadt, wo es in der Tat Sinn macht, vor Ort eine Wache zu haben.

Sie sehen, es gibt keinen Personalabbau, es gibt einen Personalaufbau bei der Polizei in Nordrhein

Westfalen. Die Polizei in Nordrhein-Westfalen ist gut ausgestattet. Die Sachmittel sind in den letzten Jahren angemessen gestiegen. Das, was die Polizei an notwendigen Instrumenten zur Verfügung gestellt bekommen muss, hat sie auch zur Verfügung.

Danke schön, Herr Minister. – Als Nächster stellt Herr Nückel eine Frage. Bitte schön.

Danke sehr, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister Jäger, halten Sie eine Reduzierung der Zahl der Hundertschaften bzw. der jeweiligen Stärken, wie sie vom Polizeipräsidenten von Münster, Herrn Wimber, öffentlich gefordert wurde, angesichts der hohen Einsatzbelastung für realistisch?

Herr Minister.

Ich kenne keine Forderung des Polizeipräsidenten aus Münster, die so lautet. Ich will es umgekehrt formulieren: Ich habe aus Medien erfahren, dass es eine solche Diskussion gibt.

Wir verfügen in Nordrhein-Westfalen über 18 Einsatzhundertschaften. Eine Hundertschaft hat 123 Beamtinnen und Beamte. Die Personalplanung sieht so aus, dass jede Hundertschaft bei einer 41Stunden-Woche in der Regel im Jahr zwölf freie Wochenenden haben sollte. Diese zwölf freien Wochenenden je Einsatzhundertschaft sind zurzeit nicht vollständig zu gewährleisten. Das hat sehr viel mit den Einsatzlagen rund um den Fußball zu tun. Wir haben aufgrund der besonderen Aufstiegs- und Abstiegssituation in Nordrhein-Westfalen 10 % mehr Spiele in der ersten, zweiten und dritten Liga. Das sind 241 Spiele insgesamt.

Es hat auch etwas mit all den Montagsdemonstrationen in Düsseldorf und Duisburg von der sogenannten PEGIDA-Bewegung zu tun, die erhebliche Kräfte binden. Die allgemeine Demonstrationslage macht es erforderlich, dass Hundertschaften aus Nordrhein-Westfalen auch in anderen Bundesländern aushelfen. Zuletzt waren sie in Frankfurt und in Dresden.

Herr Nückel, daran können Sie erkennen: Die Auslastungszahlen der Einsatzhundertschaften sind bereits jetzt hoch. Bei einer Reduzierung der Zahl der Einsatzhundertschaften würde die Belastung je Hundertschaft noch einmal deutlich steigen. Deshalb warte ich gerne den Expertenbericht ab und gehe mit ihm so um, wie es alle tun sollten: Ich werde ihn lesen und mir dann ein Urteil bilden. – Es spricht vieles dafür, dass das Urteil am Ende lauten könnte, dass es nicht geboten ist, die Zahl der Einsatzhundertschaften zu reduzieren.

Danke schön, Herr Minister. – Frau Schneider von der FDP-Fraktion hat eine Frage.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Verehrter Herr Minister, schließlich steht bereits heute für den Polizeidienst von den rund 50.000 Beschäftigten bei der Polizei NRW jährlich aufgrund von knapp 1 Million Krankentage ein rechnerisches Vollzeitäquivalent von über 4.000 Beschäftigten dauerhaft nicht zur Verfügung. Allein 4.591 Beschäftigte der Polizei waren 2013 mehr als 31 Tage krank.

Nun meine Frage: Herr Minister, welche konkreten Vorstellungen haben Sie bezüglich Maßnahmen wie etwa eines wirksamen präventiven Gesundheitsmanagements bei der Polizei, um damit die Belastungen der Polizistinnen und Polizisten sowie die Ausfallzeiten zu senken? – Danke.

Bitte schön, Herr Minister.

Der Beruf des Polizeibeamten oder der -beamtin ist sehr anspruchsvoll. Er fordert in hohem Maße Physis, aber auch die Psyche. Diese im Beruf vorhandenen Belastungen werden nicht besser verarbeitet, wenn eine solche Organisation ebenso wie die gesamte Gesellschaft älter wird. Es ist in der Tat auch Gegenstand dieser Expertenkommission, zu analysieren, inwieweit es in der Zukunft möglicherweise aufgrund der demografischen Entwicklung zu einer früheren Zurruhesetzung kommt.

Mir ist es wichtig, dass wir die Polizeibeamtinnen und -beamten so fortbilden, ausstatten, begleiten und beraten, dass sie mit dieser schwierigen Situation im Beruf bestmöglich umgehen können. Dazu wollen wir im Rahmen der Dienstrechtsreform einerseits verpflichtend einführen, dass es in jeder Behörde ein Gesundheitsmanagement gibt. Wir geben keine konkreten Maßnahmen vor. Die Konkretisierung der Maßnahmen sollte je Behörde erfolgen, weil die individuelle Belastung in den unterschiedlichen Landesbehörden auch unterschiedlich aussieht.

In Nordrhein-Westfalen gibt es einen Sporterlass. Das ist ein weiterer Punkt. Danach werden Beamtinnen und Beamte in Teilen für Dienststunden freigestellt, wenn sie das Sportabzeichen absolvieren. Ferner betreuen wir die Beamtinnen und Beamten beispielsweise nach schwierigen Einsätzen durch Betreuerteams, damit auch die mit diesem Beruf einhergehende psychische Belastung verarbeitet werden kann.

Daran können Sie erkennen: Wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen, die ich jetzt gar nicht vollständig auflisten kann. Wir haben die Gesundheit

unserer Beamtinnen und Beamten sehr genau im Blick und versuchen, sie bestmöglich zu erhalten.

Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Brockes hat eine zweite und für ihn letzte Frage.

Herr Minister, im Haushaltsgesetz gibt es nach wie vor eine Deckelung auf 1.642 Neueinstellungen. Das heißt, mehr Stellen dürfen nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden, in dem Anwärterinnen und Anwärter aus dem Ausbildungsjahrgang drei Jahre zuvor ohne bestandene Laufbahnprüfung ausgeschieden sind.

Meine Frage: Warum wird diese Deckelung nicht aufgehoben? – Die Anwärter werden ja gebraucht, und die Ausbildungskapazitäten müssten bei der hohen Abbrecherquote ebenfalls vorhanden sein.

Bitte, Herr Minister. Sie haben das Wort.

Herr Abgeordneter Brockes, leider muss ich Ihnen auch in diesem Punkte widersprechen. Die Abbrecherquote ist nicht hoch. Sie ist – im Gegenteil – mit einer Größenordnung von 5 bis 7,5 % relativ niedrig. Das hat damit zu tun, dass wir bei den Auswahlverfahren sehr engmaschige Assessmentcenter haben, um die bestmöglichen Bewerberinnen und Bewerber für diesen Beruf zu gewinnen. Es ist ein dreijähriges Bachelor-Studium. Einige verlassen während der Ausbildung die Polizei aus ganz unterschiedlichen und individuellen Gründen. Einige stellen fest, dass es vielleicht doch nicht ihr Beruf ist. Manche fallen trotz intensivster Begleitung durch die Dozenten an der Fachhochschule durch die Prüfung. Aber wie gesagt: Das sind relativ wenige, nur 5 bis 7,5 %.

Was die von Ihnen unterstellte höhere Ausbildungskapazität bei der Polizei angeht, muss ich kurz erläutern, wie diese Polizeiausbildung in NordrheinWestfalen gegliedert ist. Es handelt sich um eine zweigeteilte Laufbahn. Laufbahnbeginn ist die gehobene Beamtenlaufbahn mit einem dreijährigen Bachelor-Studiengang an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung. Zeitgleich erfolgen in Blöcken Einsatztrainings in Selm-Bork und die Praxisausbildung in den Polizeibehörden. Diese Ausbildung ist extrem anspruchsvoll. Sie ist inhaltlich hochqualifiziert.

Um bildlich zu sprechen: Mit den 1.642 zusätzlichen Kommissaranwärterinnen und -anwärtern in diesem Jahr, im Jahre 2016 und im Jahre 2017 wird es, um es bildlich zu sagen, an der Fachhochschule richtig kuschelig.

Eine Organisation wie die Polizei hat Kernaufgaben, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Si

cherheit und Ordnung. Das ist nicht zu vernachlässigen. Eine solche Organisation kann nicht nebenher beliebig viel ausbilden. Es gibt natürliche Kapazitätsgrenzen. An der Grenze sind wir mehr oder weniger angekommen.

Herr Brockes, kurz und gut: Es bringt überhaupt nichts, wenn Sie in einem Haushalt Stellen ausweisen und dahinter nicht die entsprechenden Ausbildungskapazitäten haben.

Wir werden den Bericht der Expertenkommission bekommen. Das wird im ersten Halbjahr dieses Jahres sein. Darin wird die demografische Entwicklung wissenschaftlich begleitet dargestellt. Ich gehe davon aus, dass wir die Anstrengungen, die wir in den letzten vier Jahren bei der Einstellung von Anwärtern unternommen haben, aufrechterhalten

müssen. Ob und in welcher Größe trotzdem eine zusätzliche Lücke entstehen sollte – ich habe schon deutlich gemacht, wo die Ursache einer solchen Lücke liegt –, muss Gegenstand weiterer politischer Beratung sein. Es stellt sich die Frage, ob in der Zukunft Ausbildungskapazitäten erweitert werden können.

Letzter Punkt: Ich würde nicht dafür plädieren, die Qualität der Polizeiausbildung zugunsten einer höheren Quantität zu reduzieren. Die Anforderungen an den Polizeiberuf sind heute völlig anders als noch vor 20 Jahren. Das setzt eine sehr qualifizierte Ausbildung voraus, die wir nicht reduzieren wollen.

Herr Lürbke, bitte.

Vielen Dank, Herr Minister. – Ihre Ausführungen haben mich zu einer weiteren Nachfrage motiviert. Sie haben den Stellenüberhang von 600 Beamtinnen und Beamten angesprochen und die Leistungen der rot-grünen Landesregierung gerühmt. Ausweislich der Vorlage für den letzten Innenausschuss wird aber in der von Ihnen vorgelegten Tabelle deutlich, dass von diesen 600 Beamtinnen und Beamten – diesem Überhang, diesem Speckbauch – bereits unter Schwarz-Gelb etwa 500 dieser 600 Stellen veranlasst worden sind, weil sie nämlich auf erhöhte Einstellungszahlen in den Jahren 2007, 2008 und 2009 zurückgehen. Insofern ist die Mär, Rot-Grün wäre für diesen Überhang von 600 Beamten verantwortlich, eigentlich nicht haltbar. Sind Sie bereit, das anzuerkennen?

Herr Minister.

Herr Abgeordneter Lürbke, aus verschiedenen Diskussionen zwischen uns beiden wissen Sie, dass ich das nicht anerkenne, weil es schlichtweg falsch ist.

Ich will es noch einmal deutlich machen: Fritz Behrens hat im Jahre 2004, also vor elf Jahren, einen Altersbericht für die nordrhein-westfälische Polizei in Auftrag gegeben, weil auch vor der Polizei die demografische Entwicklung nicht haltmacht. Das war seine Erkenntnis im Jahre 2004. Über die Erstellung dieses Altersberichtes hinweg ist eine Landtagswahl erfolgt, die im Jahr 2005 zu veränderten politischen Mehrheitsverhältnissen in diesem Land geführt hat. Der Altersbericht für die nordrhein-westfälische Polizei ist dann, wie 2004 von Fritz Behrens in Auftrag gegeben, 2006 vorgelegt worden.

Aus diesem Bericht ist sehr präzise herleitbar, dass die damalige Einstellung seitens der schwarzgelben Landesregierung von nur 500 Anwärtern – später dann 1.100 Anwärtern – nicht im Ansatz ausreichend ist, um größere Lücken bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen zu schließen bzw. gar nicht entstehen zu lassen.

Ich will es noch einmal ganz deutlich machen: Durch die Anstrengung und die Unterstützung vor allem des Haushaltsgesetzgebers – indem wir seit 2010 die Einstellungszahlen auf 1.400 und jetzt für die nächsten drei Jahre auf jährlich 1.642 erhöht haben – kompensieren wir vieles von dem, was in diesen fünf Jahren vernachlässigt worden ist – grob und wider besseres Wissen vernachlässigt worden ist. Insofern, Herr Lürbke: Was wir als Landesregierung aufstellen, ist gut, und es ist auch gut, was dieses Parlament als Haushaltsgesetzgeber be