Protokoll der Sitzung vom 04.09.2015

BUND-Vertreter bereit war, ein Gebot für diese Flächen abzugeben.

Das alles ist ein ganz normaler Vorgang in diesem Land: So macht uns zumindest die Ministerpräsidentin weis.

Meine Damen und Herren, das, was dort abgelaufen ist, ist schon abenteuerlich genug. Dann kommt es plötzlich zur Kehrtwende im Ministerium. Es hat angeblich einen Koalitionskrach gegeben, bei dem sich dann Herr Duin durchgesetzt hätte. Herr Duin, bei allem Respekt für Ihr Engagement: Es tut mir leid genug, unter welchen Bedingungen Sie Wirtschaftspolitik, wenn man das so nennen kann, in diesem Land betreiben müssen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dann kam es zu einem sogenannten Kompromiss. Dieser Kompromiss sah vor, jetzt von dem Vorkauf abzusehen, aber den Verkauf unter Auflagen zu genehmigen. Allerdings ist es der Rechtsabteilung beim Umweltminister, die ja begabt ist, Projekte zu verhindern, gelungen, den Eindruck zu erwecken, als habe man nachgegeben; aber gleichzeitig hat man Kriterien und Auflagen in diesen Kompromiss hineingebaut, die das Umsetzen dieses Projektes vor Ort unmöglich machen. Meine Damen und Herren, so kann Wirtschaftspolitik in diesem Land Nordrhein-Westfalen nicht aussehen!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wer jetzt glaubt, das sei nur ein Problem der Emscher-Lippe-Region, es gäbe ja noch drei weitere Flächen, die im LEP für die großflächige Ansiedlung von Industrie identifiziert seien: Liebe Genossinnen und Genossen auf dieser Seite, liebe Kolleginnen und Kollegen auf der Seite, ich kann Ihnen nur eines sagen: Keine dieser Flächen hat Rechtskraft! Keine einzige dieser Großflächen hat Rechtskraft! Das Land Nordrhein-Westfalen kann zurzeit einem ansiedlungswilligen Großunternehmen keine Fläche in Nordrhein-Westfalen anbieten. Und das nennt man hier Wirtschaftspolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Nicht nur, dass der Umweltminister die Öffentlichkeit täuscht, er führt auch die Inhaber der Landesplanung, nämlich die Ministerpräsidentin und ihren Wirtschaftsminister, permanent vor. Die bedanken sich artig und höflich und müssen sich bieten lassen, dass der Umweltminister von weisen Entscheidungen der Ministerpräsidentin redet. Es ist ihm wieder gelungen, derart zu täuschen, dass ihm selbst die Ministerpräsidentin auf den Leim gegangen ist, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn gleich wieder Herr Priggen ans Mikro tritt und erklärt, dass Herr Remmel doch nur den Landwirten helfen wollte: Meine Damen und Herren, der Land

wirt, der glaubt, dass Herr Remmel im hilft, der glaubt auch, dass Ostern und Weihnachten am selben Tag stattfinden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, Herr Remmel hat doch nur eines vor: Er möchte dieses Industriegebiet verhindern. Und dabei war bereit, in Kauf zu nehmen, dass sich Betriebe erweitern können, die er an anderer Stelle beim Bau ihrer Ställe massiv behindern will. Das ist Politik à la Remmel!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, es gab ja Schiedsrichter, die auch das eine oder andere Spiel in gewisser Weise beeinflusst haben. Die Ränge glaubten an ein faires Fußballspiel – genauso wie wir in der Region glaubten, wir hätten eine faire Chance.

Am Ende aber musste sich einem der Eindruck aufzwingen, dass das Ergebnis feststand, obwohl bei den Rängen der Eindruck erweckt werden soll, hier sei noch etwas offen. So wird in NordrheinWestfalen Wirtschaftspolitik betrieben: auf niedrigstem Niveau.

Ich frage mich eigentlich auch – da tut mir der Wirtschaftsminister schon fast leid –, ob nicht mittlerweile der Kurdirektor in Bad Zwischenahn mehr Einfluss auf Wirtschaftspolitik hat als der Wirtschaftsminister in diesem Land auf die Wirtschaftspolitik dieses Landes.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Hier haben wir eine Region, die mit der höchsten Arbeitslosigkeit gebeutelt ist, eine Region, die Realfläche verliert, auf der man Gewerbe und Industrie ansiedeln kann. Der Kreis Recklinghausen hat seit 2010 62 ha Gewerbe- und Industriefläche verloren. Ich will Ihnen auch erklären warum, damit auch Herr Priggen es endlich begreift:

Wir haben geltendes Baurecht, Herr Priggen, und geltendes Baurecht sorgt dafür, dass heute Wohnen und Arbeit nicht mehr zusammengehen. Wenn das heute geltende Baurecht vor 100 Jahren gegolten hätte, wäre das Ruhrgebiet gar nicht entstanden, meine Damen und Herren. Das ist die Realität, unter der wir zurzeit Baurecht betreiben, meine Damen und Herren!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen noch einmal an dieser Stelle: Geben Sie der Region endlich die Chance, das, was sie versucht, selbstständig durch eigene Kraft auf den Weg zu bringen, auch tun zu dürfen, meine Damen und Herren.

Herr Priggen und Herr Remmel, akzeptieren Sie doch einfach das, was in der Region ausgehandelt worden ist! Der Kreis Recklinghausen steht unter den Umständen, die dort vor Ort mit der Kammer und mit den Landwirten erarbeitet worden ist, nach

wie vor bereit. Die Landwirte können in den vorhandenen Verträgen bis zur Realisierung des Projektes Pächter bleiben. Sollte es aus anderen Umständen nicht zur Realisierung kommen, wird Landwirten diese Fläche zum Kauf angeboten.

Das ist der Kompromiss, der vor Ort erarbeitet worden ist. Zu diesem Kompromiss steht der Kreis, zu diesem Kompromiss steht die Politik im Kreise Recklinghausen. Dann akzeptieren Sie diesen Kompromiss, und lassen Sie endlich zu, dass Wirtschaftspolitik in diesem Land wirklich auch passieren kann! Alles andere wäre ein Skandal, meine Damen und Herren! – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hovenjürgen. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Ellerbrock.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Äußerungen des Kollegen Hovenjürgen ist in der Sachdarstellung nichts hinzuzufügen. So war es, so ist es, das müssen wir diskutieren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich fünf Problemkreise ansprechen.

Erster Problemkreis: Landesentwicklungsplan – Theorie und Praxis, Schein und Wirklichkeit. Der Landesentwicklungsplan soll die strategischen Ziele der Landesentwicklung darstellen. Seine Ziele sind zu beachten. Der Entwurf, Kollege Remmel – Sie hatten mich darauf noch einmal aufmerksam gemacht; da stimme ich Ihnen ja zu –, ist nicht zu beachten, ist zu berücksichtigen.

Meine Damen und Herren, diese Fläche, über die wir heute reden, war schon im Landesentwicklungsplan VI, dem Vorläufer dieses gültigen Landesentwicklungsplans, vorhanden. Seit Jahrzehnten soll diese Fläche entwickelt und genutzt werden können.

Heute zeigt sich, dass wir in einem Diskussionsprozess sind, der deutlich macht: Diese Landesregierung nimmt die eigenen Ziele nicht ernst und stellt die Ziele des Landesentwicklungsplans ins Belieben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Interessant ist, dass der Kreis die Ziele der Landesentwicklung gegen die Landesregierung durchzusetzen sucht. Das kann nicht richtig sein. Das ist nicht nur schlimm für die Wirtschaftspolitik und die Umweltpolitik des Landes, sondern das ist auch ein Affront gegenüber denjenigen, die sich bei dem Entwurf des Landesentwicklungsplans mit 10.000 Seiten Stellungnahmen, mehr als 1.000 Anregun

gen und in 50 Veranstaltungen des Landes engagiert haben. Sie merken nun, die Landesregierung stellt die Ziele ins Belieben und meint sie ja doch nicht so ernst.

Zweitens. Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen? Es gilt nicht nur im Landesentwicklungsplan, Flächen vor konkurrierender Nutzung planerisch zu sichern, nein, der nächste Schritt ist zwingend: Die Flächen müssen verfügbar gemacht werden. Das bedeutet nicht, dass das Land Großgrundeigentümer werden soll. Nein, wir können mit den Grundeigentümern und mit den Nutzern entsprechende Verträge schließen, die auch den Kaufpreis heute schon definieren – gegebenenfalls mit Preisgleitklauseln –, die auch definieren den Verzicht auf Einrede derjenigen, die heute Flächeneigentümer sind, wo später eine entsprechende landespolitisch abgesicherte Entwicklung stattfinden soll.

Drittens. Wir müssen uns auch um den Problemkreis Ausgleichs- und Ersatzflächen kümmern. Der Kollege Remmel hat ja recht, wenn er sagt, die Landwirtschaft klage darüber, dass Flächen aus der landwirtschaftlichen Produktion herausgenommen werden. Herr Remmel, Ihre Argumentation wäre umso glaubwürdiger, wenn nicht gerade nachwachsende Rohstoffe und Ausgleichs- und Ersatzflächen gerade der Landwirtschaft dringend benötigte Flächen für die Nahrungsmittelproduktion entziehen würden.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Auch hier gilt es, Konsequenzen zu ziehen, Konsequenzen dahin gehend, dass man die Ausgleichs- und Ersatzflächen anders versteht. Es geht in unserem dicht besiedelten Industrieland nicht mehr darum, zusätzliche Naturschutzflächen zu definieren. Wir sollten uns erst einmal darum kümmern, die bestehenden zu sichern, zu entwickeln und aufzuwerten. Das ist der Naturschutz der Zukunft, nicht in die Fläche zu gehen und sie liegenzulassen. Das ist wichtig. Entwickeln statt liegenlassen.

Meine Damen und Herren, der alte Landesentwicklungsplan VI und auch dieser sind der beste Naturschutzplan gewesen, den wir jemals hatten. Auf diesen LEP-VI-Flächen hat sich leider nichts getan. Sie sind immer naturschutzwürdiger geworden und werden somit immer schwerer für eine gewerblichindustrielle Ansiedlung nutzbar zu machen sein. Deswegen sind heute schon die Ausgleichsmaßnahmen für die Flächen und die Konzeption zu entwickeln.

Viertens. All diese Konsequenzen hätte ich von unserer Ministerpräsidentin als Chefin der Landesplanung erwartet.

(Beifall von der FDP)

Das ist eine Führungsfrage.

(Ralf Witzel [FDP]: Wo ist sie eigentlich?)

Diese Führungsfrage lässt sich nicht damit festmachen, dass man Konsens bis zum Nonsens sagt und erklärt: Ich will die Inwertsetzung beschleunigen, indem ich die Verfahren verkompliziere, indem ich einen langen Pachtzeitraum in den Raum stelle. Nein, es hätte praxisorientierter Führung bedurft. Die vermisse ich bei dieser Ministerpräsidentin.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Der vermeintliche Lösungsansatz, den Sie gewählt hat, ist das, was ich seit 1965 unter dem Stichwort „Verwaltungsvereinfachung“ in Nordrhein-Westfalen kenne: Verwaltungsvereinfachung durch mehr Detailregulierung. Sie sagt Verfahrensbeschleunigung beim LEP VI durch mehr Hindernisse. Das kann nicht richtig sein.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Fünftens. Meine Damen und Herren, jede Region hat das Recht auf eine eigene Vision. Wenn sich das auf dieser Fläche nicht verwirklichen lässt, Herr Kollege Hovenjürgen, dann bleibt es so, wie es ist. Wir reden nur über Risiken und nicht über Chancen, wir reden nicht über verpasste Chancen. Das ist eine Führungsaufgabe der Ministerpräsidentin, die leider auch in diesem Punkt versagt hat.