Ziel meiner Fraktion ist es, Familien dort zu unterstützen, wo sie Hilfe benötigen, damit sie ihre Aufgaben verlässlich und aus eigener Verantwortung heraus erfüllen können. Wir wollen ein positives Klima für Familien, wir wollen ein NordrheinWestfalen, das Kindern Chancen eröffnet und ihnen Wege bereitet. Wir wollen ein zukunftsfähiges Nordrhein-Westfalen, das auch in Zeiten demografischer Veränderungen stark und liebenswert bleibt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Vielen Dank, Frau Schulze Föcking, ich kann mich Ihrem Dank an diejenigen, die den Bericht erstellt haben und daran beteiligt waren, durchaus anschließen. So sollte auch meine Rede beginnen. Das möchte ich ausdrücklich sagen.
In anderen Punkten – das haben Sie sicher auch nicht anders erwartet – unterscheiden wir uns. Das ist auch ganz gut so, weil wir von vielen Bürgerinnen und Bürgern oft hören: Die Parteien wollen doch immer alle das Gleiche. Was sollen wir da eigentlich noch diskutieren?
Die Familienpolitik ist aus meiner Sicht – und an Ihrer Rede hat sich das teilweise auch wieder gezeigt – ein Thema, bei dem wir unterschiedliche Ansichten verfolgen und möglicherweise auch unterschiedliche Ziele und Wege im Auge haben. Zu diesem Zweck ist – Sie haben es ebenfalls erwähnt – die Enquetekommission „Zukunft der Familienpolitik in Nordrhein-Westfalen“ unter anderem auch eingerichtet worden. Aber darum soll es heute konkret nicht gehen.
Wie gesagt: Mein ganz herzlicher Dank gilt Frau Ministerin Schäfer und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haus, die diesen Bericht mit ermöglicht haben. Mein Dank gilt auch dem Beirat und vor allen Dingen den Familien, die dazu beigetragen haben, dass wir nun nach 25 Jahren – es ist schon erwähnt worden – wieder eine umfangreiche Information zur Lage der Familie vor Augen haben.
Schließlich handelt es sich um Aufgaben zur Zukunftsgestaltung unseres Landes. So viel Zeit muss sein.
Den mitwirkenden Familien gilt, wie gesagt, mein ganz besonderer Dank. Ich danke ihnen dafür, dass sie sich Zeit für diese Dialogveranstaltungen und die Auseinandersetzung genommen haben. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Probleme, die der vorliegende Bericht benennt: Die größten Probleme von und für Familien sind Zeit und Zeitsouveränität. Es würde aber meines Erachtens dem Inhalt und Umfang des Berichts nicht gerecht, würden wir seine Aussage auf diese eine Thematik beschränken.
Der bereits in unserer rot-grünen Koalitionsvereinbarung festgeschriebene Bericht beleuchtet vielmehr eine Vielzahl von Themen – sie sind bereits angeklungen – des Familienlebens, des Alltags, von Sorgen und Wünschen, von Hindernissen, aber auch von Gelingendem an dem Ort, an dem Menschen unterschiedlicher Generationen füreinander Verantwortung übernehmen. So lautet auch die Definition, die der Bericht gewählt hat.
Lassen Sie mich nun nur einige wenige Befunde nennen, die aus meiner Sicht deutlichen Veränderungsbedarf – da stimme ich völlig zu – signalisieren. Inzwischen hinreichend bekannt ist, dass viele Mütter den Wunsch haben, ihre Erwerbstätigkeit auszudehnen, wohingegen viele Väter den Wunsch nach kürzerer Arbeitszeit haben. Die Realität sieht aber anders aus. Das ist bereits in der bisherigen Arbeit unserer Enquetekommission thematisiert worden, und es wird uns auch weiterhin beschäftigen.
Der Umsetzung dieser Wünsche stehen jedoch Anforderungen der persönlichen und der familiären Existenzsicherung entgegen, vor allem aber Anforderungen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Väter und Mütter werden am Arbeitsplatz eben nicht in diesen Rollen bzw. Funktionen gesehen, sondern schlicht in ihren Funktionen für den Job, der gemacht werden soll.
Ich will hier ausdrücklich nicht diejenigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ansprechen, die bereits eine ganze Menge in dieser Hinsicht geändert haben.
Aber ich appelliere ganz deutlich an diejenigen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die nach wie vor beispielsweise Teilzeit und Führungsposition als ein Ding der Unmöglichkeit betrachten, die nach wie vor ausschließlich Arbeit im Betrieb für den Beweis von Arbeitseinsatz halten und die familienbewusste Arbeitszeitmodelle für – so will ich es einmal nennen – überflüssige Spielerei halten. Besonders Väter mit
Wünschen nach mehr Familienzeit sind von dieser traditionellen Ausgestaltung der Arbeitswelt betroffen.
Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass hier eine Öffentlichkeitskampagne – so wichtig Information und Sensibilisierung an dieser Stelle sind – nicht ausreichend für Veränderung sorgen kann. Spürbare Verbesserungen können meines Erachtens nur verbindliche Regelungen schaffen – sei es in Tarifvereinbarungen, sei es in gesetzlichen Regelungen.
Ich will auf ein weiteres Ergebnis der Familienbefragung eingehen – auch das haben Sie, Kollegin Schulze Föcking, angesprochen –: Zahlreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote für Familien sind denjenigen, die ihrer besonders bedürfen, nicht bekannt und werden von ihnen deshalb auch nicht genutzt. Die Befragung zeigt, dass dies besonders häufig auf Familien mit niedrigem Bildungsstand, Familien mit niedrigem Einkommen und Familien mit Migrationshintergrund zutrifft.
„Es geht darum, mehr Eltern zu erreichen, die zwar Unterstützungsbedarf haben, die Angebote aber nicht von sich aus nutzen.“
Diese Anforderung aus den Eckpunkten müssen wir meines Erachtens sehr zügig umsetzen und die Familienberatungs- und -bildungsangebote verbindlicher aufsuchend gestalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mich freut die Erkenntnis des Berichts, dass die Verbindungen zwischen den Generationen als sehr gut und hilfreich eingeschätzt werden – ich zitiere –, „weshalb ‚von sich auflösender Solidarität zwischen den Generationen nicht gesprochen‘ werden kann“.
Allzu oft – das stelle ich zumindest öfter fest – wird dieser positive Sachverhalt nicht ausreichend gesehen. Er ist aber ein Wert für Familien in unserem Land.
Sehr positiv bewerte ich auch den Umgang des Berichts mit der Frage, ob Familien mit Migrationshintergrund ein besonderes – besser: gesondertes – Augenmerk zukommen soll. Nicht nur angesichts der aktuellen Situation, die zahlreiche Familien unterschiedlichster Herkunft nach Deutschland und damit auch in unser Bundesland führt, ist die Betrachtung ihrer spezifischen Chancen und Bedarfe vorausschauend und absolut angebracht. Auch im Hinblick auf die Geschichte unseres Landes, die zahlreiche Integrations- und Migrationsbewegungen erlebt hat, ist es wichtig, dem gerecht zu werden und ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, ohne dass dies segregierenden Charakter in diesem Bericht oder in unserer Politik haben soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss sei mir eine grundsätzliche Anmerkung erlaubt. Ausgehend von der Zeitproblematik von Familien stelle ich fest, dass Familien ihre Zeit in die Organisation und die Bedarfe anderer einbauen müssen. Nicht Familienzeit bestimmt die Aufteilung des Alltags, sondern vor allem die Zeit für Erwerbsarbeit. Daraus spricht die Wertung, die Familie genießt. Sie ist eben nicht Taktgeber in unserer Gesellschaft, sondern hat sich immer noch nach anderem und anderen zu richten, deren Funktionieren reibungslos erfolgen muss, beispielsweise Produktionsabläufen.
Völlig unterschätzt wird meines Erachtens die Leistung von Familien als Investoren in unserem Land – in Bildung, in Konsum, in Mobilität. Familien investieren in gelingendes Aufwachsen, in zufriedenstellende Lebensgestaltung der erwerbstätigen Generation. Sie erbringen Leistungen für würdiges und gesundes Altern.
Diese – lassen Sie es mich so nennen – Produkte und ihre Wachstumschancen sollten Maßstab für uns sein. Sie sollten die Kennziffern bilden, nach denen wir den Zustand unseres Landes bemessen. Dann kann gelingen, was der Bericht benennt: Familien gestalten Zukunft. – Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich meinen persönlichen Dank – auch im Namen der FDP-Fraktion – an die Ministerin richten. Ich möchte Ihnen recht herzlich für die geleistete Arbeit der letzten fünf Jahre danken. Auch wenn wir auf dem Weg nicht immer einer Meinung waren, habe ich sehr bewundert, dass Sie stets äußerst respektvoll mit uns diskutiert haben, immer einen fairen Diskurs gesucht haben und die andere Meinung akzeptiert und respektiert haben. Vielen Dank für diese Arbeit!
Frau Ministerin, wir müssen heute auf Ihren Wunsch hin aber noch eine wichtige Grundsatzdebatte über die Familienpolitik führen. Sie haben einen Familienbericht in Auftrag gegeben und vorgelegt. Ich bin froh, dass wir ihn heute in dieser Form diskutieren können, weil er doch einige Elemente enthält, über die man unterschiedlicher Auffassung sein kann.
Wichtig ist in unserer heutigen Zeit mit Sicherheit das Thema „Zeit, Zeitmanagement, Zeitknappheit“. Familienpolitik besteht aber nicht nur aus Zeitpolitik, sondern umfasst viel mehr.
len anschaut, stellen wir leider einige Aspekte fest, bei denen Nordrhein-Westfalen noch Aufholbedarf hat. In den letzten Jahren – unter Schwarz-Gelb angefangen, unter Rot-Grün fortgeführt – ist zwar viel im Bereich des U3-Ausbaus passiert. Aber – die CDU hat es freundlicherweise angesprochen – Nordrhein-Westfalen ist mit einer Betreuungsquote von 24 % immer noch bundesweites Schlusslicht. Hier liegt noch ein großer Aufgabenbereich vor dieser Landesregierung, Fahrt aufzunehmen.
Wenn man sich die Daten weiter anschaut, stellt man fest, dass die Landesregierung sie an der einen oder anderen Stelle sehr individuell interpretiert hat, eigene Schlussfolgerungen gezogen hat und gewisse Punkte nicht in den medialen Fokus gestellt hat.
In diesem Bericht ist zum Beispiel keine Aussage vorhanden, ob für Familien eher gute Betreuungsmöglichkeiten wichtig sind oder eher Familienzeit vorne steht. Gerade wenn die SPD sich dieses Thema so auf die Fahne schreibt, wäre es doch wichtig, eine solche Aussage einmal in einem Familienbericht zu behandeln.
Der zweite Punkt baut auf der ersten Aussage auf. In dem Bericht steht: 39 % der Eltern möchten mehr Familienzeit haben. – Aber genauso wichtig ist – das geht in der Debatte immer wieder unter –, dass 37 %, also nur 2 % weniger, eine exzellente, bedarfsgerechte Kitabetreuung haben möchten, die offensichtlich noch nicht vorliegt. Sonst wäre der Wunsch nicht so groß.
Dann kann man das Ganze einmal weiterspinnen. Sie haben gefragt, warum manche Eltern in Nordrhein-Westfalen keinen Kitaplatz für unter Dreijährige in Anspruch nehmen. Nach den statistischen Auswertungen sind das 65 % der Eltern. Ihre Aussage ist, dass diese Eltern das gar nicht haben möchten. Wenn man sich den Familienbericht aber genau anschaut, stellt man fest, dass 20 % dieser Eltern gar keinen Betreuungsplatz bekommen haben.
Damit kommen wir zum eigentlichen Skandal hier in Nordrhein-Westfalen: 155.000 U3-Plätze haben wir in Nordrhein-Westfalen. Diese stehen für ungefähr 35 % aller Kinder zur Verfügung, und insgesamt reden wir von rund 285.000 Kindern ohne Betreuungsplatz. Wenn man jetzt davon ausgeht, dass von diesen 285.000 Kindern ein Fünftel gar keinen Platz in Nordrhein-Westfalen gefunden hat, dann fehlen in Nordrhein-Westfalen 57.000 Plätze für U3Kinder. Insofern ist es für mich unverständlich, dass diese Landesregierung keinen einzigen zusätzlichen Cent in den Haushalt eingestellt hat, um U3Investitionen auf den Weg zu bringen. Das ist einfach zu wenig, meine Damen und Herren.
Wenn wir über eine bedarfsgerechte Kitabetreuung sprechen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auch Familienzeit ermöglicht, müssen wir natürlich auch über die Auskömmlichkeit der Finanzierung sprechen. Da ist in den letzten Jahren sicherlich viel getan worden. Das haben wir auch nie in der Summe, sondern nur in der Ausführung kritisiert. Man muss sich aber auch einmal anschauen, was Schwarz-Gelb in das Gesetz geschrieben hat:
Wir haben hineingeschrieben, dass die Dynamisierung überprüft werden soll, dass die Kindpauschalen überprüft werden sollen. – Das Gesetz wurde an dieser Stelle einfach missachtet.
Fünf Jahre diskutieren wir in diesem Parlament über die Auskömmlichkeit der Kindpauschalen und darüber, ob sie konnexitätsrelevant sind oder nicht. Mittlerweile ist die Situation so brenzlig, dass mehrere Träger und insbesondere die Kirchen gesagt haben, dass nächstes Jahr 80 % der Kitas defizitär laufen.
Was macht diese Landesregierung zurzeit? Es wird einfach keine Aktivität entfaltet, um dieses Problem anzugehen. Wir finden keine zusätzlichen finanziellen Mittel im Haushalt. Es gibt keinen Gesetzentwurf, der das auf den Weg bringt. Es wird noch einmal das Angebot von der Opposition wahrgenommen, gemeinsam diesen Weg zu gehen und die Träger dabei zu unterstützen.