Protokoll der Sitzung vom 08.10.2020

Schauen wir heute auf unser Land, müssen wir feststellen, dass sich neue geistige Mauern gebildet haben, dass ein tiefer Riss durch unser Volk geht.

Die beiden vorliegenden Anträge sind ein deutliches Zeichen dafür – der Antrag der vier Altparteien, in dem sich deren augenblickliche Politik der Selbstvergessenheit nationaler Interessen und der Selbstaufgabe der eigenen Nation widerspiegelt, und der Entschließungsantrag der AfD, in dem die geistige Kraft des 9. Oktober 1989 gewürdigt wird, die eine Nation trägt: das Nationalgefühl und der Freiheitswillen.

Diesen Geist müssen wir heutzutage wiederbeleben, damit Deutschland als Kulturnation und Hochtechnologieland in Einigkeit und Recht und Freiheit eine tiefe und herzliche Freundschaft zu den europäischen Nachbarn und den Staaten dieser Welt pflegt. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Scharrenbach in Vertretung für Frau Ministerin Pfeiffer-Poensgen das Wort.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die deutsche Einheit steht heute wie kaum ein anderes Ereignis in der deutschen Geschichte für Freude, Erinnerung und Ermutigung.

Sie ist ein großer Glücksfall der deutschen Geschichte. Sie ist für alle im Osten wie im Westen Grund zur Freude. Für Deutschland ebenso wie für die europäische Integration hat sie eine wichtige historische Bedeutung. Sie gibt Mut, aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu begegnen.

Keine Frage: Das heutige freiheitliche und demokratische Zusammenleben, dessen Grundlage die deutsche Einheit ist, ist auch nach 30 Jahren noch immer Anlass zur Freude.

Dass die Menschen in den ostdeutschen Ländern frei in alle Welt reisen können und umgekehrt wir die Menschen in den ostdeutschen Ländern treffen und ihre Landschaft und Kulturschätze frei erkunden können, ist etwas, das damals niemand auch nur erhofft hat.

Die Wiedervereinigung ist ein einmaliges historisches Ereignis, das unser aller Anerkennung verdient. Die Landesregierung begrüßt daher die fraktionsübergreifende Würdigung des Mutes der Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, die den Prozess zur Einheit wesentlich vorangetrieben haben. Dank ihres Einsatzes, getrieben von dem tiefen Wunsch nach Freiheit, für die sie in friedlichen Demonstrationen gegen das

SED-Regime gekämpft haben, hatten Mauer, Brutalität und staatliche Unterdrückung am 9. November 1989 ein Ende.

Es bleibt die mahnende Erinnerung an die Zeit der Trennung, die auch dank der politisch Verantwortlichen in Ost und West überwunden werden konnte, die sich gemeinsam und mit Unterstützung der Freunde und Verbündeten für Demokratie, Freiheit und Wiedervereinigung eingesetzt haben.

Doch im Anschluss an die deutsche Einheit hatten die Menschen in den sogenannten neuen Bundesländern den größten Teil des Umbruchs zu bewältigen. Viele Leistungen und Gegebenheiten ihres bisherigen Lebens wurden infrage gestellt. Ihre Lebenssituation hat sich zum Teil grundlegend geändert – und das nicht immer zum Besseren. Für die Menschen im Westen hat sich hingegen kaum etwas geändert.

Bis heute führt das zum Teil zu unterschiedlichen Sichtweisen auf die damaligen Ereignisse und auf die Folgen für die Menschen, die Unternehmen und die Gesellschaft auf beiden Seiten des ehemaligen Eisernen Vorhangs.

Nach 1990 haben die – in Anführungszeichen – „alten“ Länder der Bundesrepublik die neuen Länder dabei unterstützt, im Sinne des Einigungsvertrags die Verwaltungsstrukturen partnerschaftlich nach föderalem Vorbild aufzubauen.

Nordrhein-Westfalen ist seitdem eng mit dem Partnerland Brandenburg verbunden. Viele Städte und Gemeinden in unserem Land haben dann auch Partnerschaften mit den schwesterlichen Kommunen in Brandenburg begründet.

An dieser Stelle sind auch die vielen Partnerschaften, die sich darüber hinaus zwischen öffentlichen und privaten Institutionen begründet haben, zu würdigen; denn sie und die Menschen haben die deutsche Einheit mit Leben gefüllt.

Diese großen und kleinen Leistungen verdienen Anerkennung und sind zugleich eine große Ermutigung.

Klar ist: Im wiedervereinigten Deutschland ist kein Platz für nationalistische und antidemokratische Kräfte, die immer wieder versuchen, in die Gesellschaft zu drängen.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung tritt dem entschieden entgegen. Dies entspricht unserer Verantwortung als freies und weltoffenes Land und dem tiefen Bewusstsein für Menschenrechte und Demokratie. Die deutsche Einheit ermutigt, für diese Werte wehrhaft einzustehen.

Dazu leistet auch die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen, die sich hinsichtlich der SED-Diktatur vor allem auf die Arbeit mit Zeitzeugen konzentriert, wichtige Beiträge; beispielsweise durch die vom Institut für Deutschlandforschung der

Ruhr-Universität Bochum begleiteten Zeitzeugengespräche mit ehemaligen politischen Häftlingen der SED-Diktatur.

Die Landesregierung hat aktuell ein digitales Erinnerungsbuch erstellt, das seit dem 3. Oktober auf der Website des Landes Nordrhein-Westfalen abrufbar ist. Das Buch ist – vielleicht haben Sie schon hineingeschaut – eine Sammlung persönlicher Erinnerungen, die Bürgerinnen und Bürger, Mitglieder der Landesregierung und DDR-Zeitzeugen mit der Wiedervereinigung verbinden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wiedervereinigung ist Anlass zur Freude, zur Erinnerung und zur Ermutigung. Die Verwirklichung der Einheit ist und bleibt auch in Nordrhein-Westfalen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Landesregierung wird sich dieser Aufgabe weiterhin gerne und kraftvoll widmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin Scharrenbach. – Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zu zwei Abstimmungen.

Erstens stimmen wir über den Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen ab. Die antragstellenden Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/11159. Wer möchte hier zustimmen? – Das sind SPD, Grüne, CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Vertreter der AfD. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 17/11159 in der gerade festgestellten Form angenommen.

Zweitens stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/11305 ab. Wer möchte hier zustimmen? – Das sind die Vertreter der AfD. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD, Grüne, CDU und FDP. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/11305 abgelehnt.

Ich rufe auf:

7 Rechtsradikale Symbole verbannen – Reichs

kriegsflaggen verbieten

Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/11174 – 2. Neudruck

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der SPD Herrn Professor Bovermann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben gerade 30 Jahre deutsche Einheit gewürdigt. Im Einigungsprozess haben Symbole wie die in der Verfassung verankerte schwarz-rot-goldene Bundesflagge eine große Rolle gespielt. Einmal mehr ist deutlich geworden, dass auch ein demokratischer Staat auf Symbole nicht verzichten kann. Es sind geronnene Werte, und sie tragen zur kollektiven Identität bei.

Zugleich darf der Staat nicht zulassen, dass Gegner der Verfassung sich der politischen Symbolik bemächtigen, sie mit ihren Inhalten füllen und diese gegen die Demokratie wenden.

Uns allen sind noch die Bilder von den Demonstranten mit Reichskriegsflaggen und Reichsflaggen auf den Stufen des Reichstags in Erinnerung. Schon seit Längerem verwenden unterschiedliche Gruppierungen diese Flaggen, wobei das Spektrum von der Partei Die Rechte über Pegida bis hin zu den selbst ernannten Reichsbürgern reicht. Sie alle eint die Ablehnung der Verfassungsordnung des Grundgesetzes.

Woher kommen diese Flaggen, und was bedeuten sie? – Seit 1867 existiert die Kriegsflagge des Norddeutschen Bundes; zur Erinnerung: weißer Grund mit schwarzem Balkenkreuz und preußischem Adler, im oberen Feld schwarz-weiß-rot mit dem Eisernen Kreuz. Sie wurde 1871 vom Kaiserreich übernommen, bis 1892 als kaiserliche Kriegsflagge bezeichnet und dann in Reichskriegsflagge umbenannt.

1921 trat an ihre Stelle eine neue Reichskriegsflagge: schwarz-weiß-rotes Grundtuch mit schwarzrot-goldenem Eck und dem Eisernen Kreuz. Mit der nationalsozialistischen Diktatur fiel der schwarz-rotgoldene Bezug dann einfach weg, und ab 1935 gab es nur noch die Variante mit dem Hakenkreuz.

Diese Reichskriegsflaggen standen für Kolonialismus und Imperialismus des Kaiserreichs, für Militarismus und Expansionspolitik im Ersten Weltkrieg. Sie waren Kennzeichen antirepublikanischer Parteien und Kriegervereine in der Weimarer Republik. Sie dienten den Nationalsozialisten in den ersten Jahren dazu, das nationalkonservative Bürgertum zu gewinnen.

Heute, da Hakenkreuzfahnen verboten sind, werden diese Reichskriegsflaggen zum Ersatz- und Identifikationssymbol rechtsextremer Gruppen umgedeutet.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen kurzen Exkurs zur Reichsflagge – schwarz-weiß-rot –, die 1892 eingeführt wurde. Zwar bestimmte 1919 die Weimarer Verfassung – Zitat –: „Die Reichsfarben sind schwarz-rot-gold.“ Zugleich wurde aber ein

verhängnisvoller Kompromiss eingegangen: Die Handelsflagge blieb schwarz-weiß-rot, mit den Reichsfarben in der oberen inneren Ecke.

Die faktische Gleichwertigkeit der beiden Trikoloren mündete in einem Flaggenstreit zwischen demokratischen Kräften – SPD, Zentrum und Linksliberale – auf der einen und den antirepublikanischen rechten Parteien auf der anderen Seite.

Von 1933 bis 1935 wurde Schwarz-Weiß-Rot zusammen mit der Hakenkreuzfahne wieder Reichsflagge. Aus sozialdemokratischer Sicht ist auch diese Flagge mit Blut befleckt und gehört verboten, auch wenn sie als Handelsflagge zeitweise durch die Weimarer Verfassung legitimiert war.

(Beifall von der SPD)

Zudem sind die juristischen Positionen leider nicht so eindeutig wie bei der Reichskriegsflagge. Daher bietet die SPD den demokratischen Fraktionen weiterhin Gespräche an, um nach einer rechtssicheren und bundeseinheitlichen Lösung auch im Hinblick auf die Reichsflagge zu suchen.

Lassen Sie mich zur Reichskriegsflagge zurückkommen, um die es heute geht. Die Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen haben sich auf den vorliegenden gemeinsamen Antrag verständigt. Das ist ein wichtiges Zeichen der Demokraten in diesem Hause.

Aktuell sind schon in einer Reihe von Bundesländern Erlasse zum Verbot der Reichskriegsflagge ergangen. Andere Länder denken darüber nach, ein Verbot einzuführen. Es ist an der Zeit, dass sich das Parlament des größten Bundeslandes positioniert.

Die wehrhafte Demokratie muss rechtsextremen Tendenzen auch im Bereich der politischen Symbolik entschieden entgegentreten. Wir müssen aber zugleich die demokratischen Symbole mithilfe der politischen Bildung noch stärker in das Bewusstsein der Bevölkerung rücken. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU und den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Herr Panske das Wort.