Protokoll der Sitzung vom 08.10.2020

Vielen Dank. – Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Herr Panske das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Flaggen und Fahnen sind nicht nur ein bunter Fetzen Stoff. Flaggen und Fahnen haben für die Menschen seit jeher eine wichtige Funktion. Sie zeigen Zugehörigkeit, sie zeigen Haltung, sie signalisieren in ihrer Symbolik von Gestaltung und Farbgebung auch Botschaften – eindeutig für jedermann erkennbar. So

beschreibt man es auch treffend im Wortbild: Man zeigt Flagge.

Die Flagge symbolisiert Zugehörigkeit und Haltung. Das kenne ich ganz besonders auch für mich selbst. Als Berufsoffizier habe ich an der Flagge unserer Bundesrepublik meinen Diensteid geleistet. Die Bundesflagge ist das Symbol von Einigkeit, Recht und Freiheit. Sie ist die Fahne, die jedermann zeigt, dass dies das Land der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Meinungsfreiheit, der Gleichheit, der Grundrechte ist.

Gerade als Soldat ist es wichtig, dass man weiß und verinnerlicht hat, wofür die Flagge steht und warum Männer und Frauen diesem Land, den Menschen in diesem Land und ihren Werten treu dienen.

Beim letzten Tagesordnungspunkt haben wir uns an den Tag der Deutschen Einheit vor 30 Jahren erinnert. Auch für die Menschen in der DDR hatte unsere Flagge der Freiheit eine besondere Bedeutung. Wir alle haben die Bilder noch ziemlich präsent im Kopf: Die Menschen aus dem anderen Teil Deutschlands zeigten unmissverständlich Flagge, dass sie endlich auch Einigkeit, Recht und Freiheit erlangen wollten – mit schwarz-rot-goldenen Flaggen als Symbol der Sehnsucht nach Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, unteilbaren Grundrechten und Achtung des Individuums; als Kampfansage an einen Unrechtsstaat.

Das ist genau das Gegenteil von dem, was rechte Parteien, Rechtsextremisten, Rechtsradikale und auch Reichsbürger uns mit der Verwendung der Reichskriegsflagge seit Jahren zeigen wollen. Sie lehnen diesen Staat ab. Sie lehnen die Rechtsstaatlichkeit ab. Sie halten Grundrechte für teilbar und entbehrlich. Sie negieren mit blankem Rassismus die Würde ganzer Bevölkerungsgruppen. Sie setzen auf Willkür. Sie verachten unsere Verfassung und die darin gefassten Rechte und damit unsere gemeinsamen Werte und Maßstäbe, auf deren Basis unsere aufgeklärte, humanistisch geprägte Gesellschaft das Zusammenleben zum Wohle aller gestalten will – friedvoll und respektvoll.

Die Extremisten und Reichsbürger zeigen offen, dass sie Feinde unserer Verfassung oder wenigstens zentraler Teile davon sind. Und wie zeigen sie das? – Mit Symbolen und Flaggen, damit es jeder sieht und erkennt und sich möglichst viele auch noch hinter diesen Symbolen und Flaggen vereinen.

Wir haben es vorhin von Herrn Professor Bovermann schon gehört: Erschreckende Realität war vor einigen Wochen der sogenannte Sturm auf den Reichstag unter der Parole „Wir holen uns unser Land zurück“. So nannten die Extremisten in ihren Netzwerken ihren Sturm auf die Herzkammer unserer Demokratie.

Dabei schwenkten sie ebendiese Reichskriegsflaggen, und zwar nicht nur als Symbol anderer Meinung,

sondern als Symbol für den Kampf gegen diesen Staat, gegen unsere Verfassung und gegen die öffentliche Ordnung.

Das Schwenken von Reichskriegsflaggen ist daher keine bloße Meinungsäußerung mehr. Das Schwenken dieser Flaggen überschreitet sowohl durch ihre historische Bedeutung als auch aufgrund der aktuellen Intention das, was die Grenze der Meinungsfreiheit durch unser Grundgesetz absichert. Der Sturm auf die Demokratie mit dieser Flagge in der Hand ist der klassische Beweis dafür. Es ist die Beweisführung, dass es mehr ist als nur ein Protest, der die öffentliche Ordnung gefährdet.

Diese Einschätzung wurde übrigens auch schon von der Justiz, von einigen Obergerichten bestätigt. Und wir haben es schon gehört: Mehrere Bundesländer haben bereits Erlasse in dieser Richtung auf den Weg gebracht.

Die unübersehbare Kampfansage per Reichskriegsflagge gegen unseren freiheitlichen Rechtsstaat und gegen unsere Demokratie dürfen wir nicht einfach hinnehmen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Unsere Verfassung ist wehrhaft. Deshalb ist es richtig, dass wir nicht nur äußerlich ein Zeichen setzen, sondern auch rechtsstaatliche Mittel in die Hand nehmen.

Der gemeinsame Antrag der demokratischen Fraktionen ist ein sichtbares, aber auch ein starkes Signal gegen alle Feinde der Demokratie. Zeigen also auch wir Flagge für unsere Verfassung, für unsere Demokratie, für unseren Rechtsstaat, unsere Grundrechte und für unsere Werte! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich erteile jetzt für die Fraktion der FDP dem Abgeordneten Lürbke das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Pandemiejahr 2020 stellt die Bürgerinnen und Bürger, die Gesellschaft und uns als Politik auf den verschiedensten Ebenen vor Herausforderungen, die, wenn wir ehrlich sind, vor Kurzem noch undenkbar erschienen. Natürlich – und das gehört zu einer pluralistischen Demokratie ausdrücklich dazu – ist die Art und Weise, wie wir mit der Pandemie und den Folgen umgehen, immer auch Gegenstand von Kritik und Auseinandersetzung.

Ich finde es ausgesprochen wichtig, dass wir gerade in Krisenzeiten die Grundrechte auf Versammlungs-

und Meinungsfreiheit nicht nur ein-, sondern auch hochhalten. Sie zu schützen und zu verteidigen ist der Ausdruck unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das gilt auch und gerade dann, wenn es wehtut.

Auf vielen Demonstrationen und Veranstaltungen in den vergangenen Wochen und Monaten wurden Dinge gesagt, wurden Botschaften plakatiert und Symbole gezeigt, die – um es vorsichtig auszudrücken – mitunter wirklich nur schwer zu verdauen waren. Natürlich gehört das dazu. Natürlich müssen wir das aushalten. Allerdings bedeutet das nicht, dass der Rechtsstaat willen- und tatenlos zusieht, wenn Grundrechte dazu missbraucht werden, politische Symbole und verfassungsfeindliche Positionen öffentlich zur Schau zu stellen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Um es klar zu sagen: Die wehrhafte Demokratie ist aus meiner Sicht nicht nur eine leere Worthülse, sondern ein Auftrag, immer dann besonders wachsam und in der Konsequenz auch handlungsfähig zu sein, wenn antidemokratische Kräfte versuchen, die Stärken der Demokratie für ihre Zwecke einzuspannen.

Und ein solcher Fall ist das Zeigen der Reichskriegsflagge. Schwarz-Weiß-Rot – das ist mehr als eine historische Farbkombination und eine Flagge einer vergangenen Monarchie. Schwarz-Weiß-Rot – das ist im Grunde die Antithese zu Schwarz-Rot-Gold. Unter der schwarz-weiß-roten Reichskriegsflagge zogen im nationalistischen Freudentaumel Hunderttausende in die Gräben des Ersten Weltkriegs, aus denen die Allerwenigsten zurückkehrten. Der erste industriell geführte Massenvernichtungskrieg kostete rund 17 Millionen Menschen das Leben und gilt völlig zu Recht als die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts.

Auch außerhalb von Europa hat die Flagge nur Unheil gebracht. Da reicht der Blick nach Namibia und zum Völkermord an den Herero, der schätzungsweise 40.000 bis 60.000 Herero und 10.000 Nama das Leben gekostet hat – alles unter schwarz-weißroter Kriegsflagge.

Als sich nach 1918 die junge Weimarer Republik anschickte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Deutschland zu etablieren, versammelten sich unter den Farben Schwarz-Weiß-Rot monarchistische antidemokratische bis hin zu nationalistischen Kräften, die der jungen Republik von Anfang an schwer zusetzten. Selbst wenn die Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme vordergründig mit der alten Reichskriegsflagge brachen, so hatten sich die Nazis bereits in den 20er-Jahren in Symbolik und Rhetorik eng an das Vermächtnis der schwarz-weiß-roten Ideale angelehnt.

Bereits dieser kurze historische Überblick reicht, um zu erkennen, dass die Farben Schwarz-Weiß-Rot

alles sind, nur nicht Teil unserer demokratischen Grundordnung.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Allein die Tatsache, dass rechtsextreme Parteien wie die NPD auch nach 1945 immer wieder auf die Farbkombination zurückgegriffen und auch dieser Tage die sogenannte Reichsbürgerbewegung im besten Falle unkritisch, im schlechtesten Fall ganz bewusst diese vermeintlich traditionsreiche Farbenlehre fortführen, zeigt doch, welche Geistes Kind Menschen sind, die im Jahr 2020 Reichskriegsflaggen schwenken.

Es ist an der Zeit, hier ein für alle Mal klare Kante zu zeigen und eine Linie zu ziehen, die deutlich macht, was geht und was eben nicht geht. Unser Grundgesetz, unsere Grundwerte standen und stehen nach wie vor in bewusster Abgrenzung zu den Irrungen und zum Schrecken, die dieses Land noch vor wenigen Jahrzehnten genommen und verursacht hat. Es steht jedem frei, seine Meinung zu zeigen, zu äußern, auch wenn die Meinung unbequem, provokant oder verletzend ist.

Das geschichtsvergessene, moralisch mehr als fragwürdige Anlehnen an dunkle Zeiten durch das Zeigen der Reichskriegsflagge hat in NRW aber jetzt ein Ende. Es ist im wahrsten Sinne Zeit, diese Flagge einzuholen. Und das ist gut so. Ich freue mich sehr, dass wir das in einer gemeinsamen Initiative hier auf den Weg bringen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der Grünen spricht nun die Abgeordnete Frau Schäffer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der versuchte Sturm auf das Reichstagsgebäude am 29. August dieses Jahres wurde hier schon angesprochen. Ich muss sagen, dass auch mich diese Bilder zutiefst erschrocken haben, aber weniger wegen der mitgeführten Reichskriegsflaggen, sondern vor allem wegen des gewaltsamen Aktes: der Bedrohung des heutigen Bundestagsgebäudes. Und dass diese Drohgebärde einherging mit dem Zeigen genau dieser Symbole, hat sein Übriges noch dazugetan.

Es ist gut und richtig, dass wir heute das Verbot der verschiedenen Varianten der sogenannten Reichskriegsflagge beschließen. Ich will aber auch sagen, dass schon vor dem 29. August 2020 diese Symbole ein Problem für unsere vielfältige und demokratische Gesellschaft waren. Wenn man sich Bilder von rechtsextremen Kundgebungen und Neonaziaufmärschen vor Augen führt, dann muss man sagen, dass

diese Flaggen schon seit vielen Jahren von Neonazis als Erkennungszeichen genutzt werden. Es findet kaum eine rechtsextreme Versammlung statt, bei der diese Symbole fehlen.

Das ist auch eigentlich klar; denn die Flaggen des Nationalsozialismus dürfen sie nicht zeigen, weil sie längst verboten sind. Deshalb haben sie auf andere Flaggen zurückgegriffen. Es ist klar, welche Gesinnung diejenigen, die mit Reichskriegsflaggen aus der Zeit von vor 1935 herumlaufen, vertreten.

Man muss eines ganz deutlich sagen: Das Zeigen solcher Symbolik ist auch Teil einer sogenannten Raumergreifungsstrategie von Neonazis. Das formulieren Rechtsextreme ja auch selbst. Das dürfen wir auf gar keinen Fall dulden. Deshalb finde ich diese Debatte und diesen Antrag sehr wichtig. Denn damit sendet der Landtag eine klare Botschaft aus, dass wir aktiv gegen Rechtsextremismus vorgehen.

Im wahrsten Sinne des Wortes betreiben wir heute Symbolpolitik. Es geht um Symbole im wahrsten Sinne des Wortes. Manchmal hat der Begriff „Symbolpolitik“ so einen negativen Touch. Aber hier ist das genau richtig; denn es geht um Symbole. Wir wollen diese Symbole von Neonazis nicht im öffentlichen Raum sehen. Deshalb ist der Antrag auch richtig.

Es gibt aber noch ein weiteres gutes Argument für das Verbot. Das hat Herr Lürbke gerade schon angesprochen. Die Reichskriegsflaggen stehen auch für eine Zeit des deutschen Kolonialismus, die aus meiner Sicht in unserer Gesellschaft bis heute eigentlich nicht richtig aufgearbeitet wurde. Deutschland hat zwar im Vergleich zu anderen Staaten eine recht kurze Kolonialgeschichte, aber sie war nicht weniger gewaltsam als die anderer Kolonialmächte.

Wir müssen uns auch immer fragen, was Symbole und rechtsextreme Aufmärsche, bei denen diese Symbole gezeigt werden, mit den Menschen machen, die gesellschaftlichen Minderheiten angehören, also Menschen mit Migrationsgeschichte, schwarzen Menschen.

Diese Symbole erinnern vielleicht auch an eine Zeit, die für massive Menschenrechtsverletzungen steht und auch für Genozide, die von Deutschland ausgingen. Auch deshalb ist es wichtig, ein Signal in unsere vielfältige Einwanderungsgesellschaft zu senden, dass wir genau diese Symbole eben nicht tolerieren und dass sie in unserer Gesellschaft nichts zu suchen haben.

Ich möchte mich noch einmal bei der SPD-Fraktion ganz herzlich dafür bedanken, dass sie diese Debatte angestoßen hat. Wir sind ja nicht das einzige Bundesland, das darüber debattiert, sondern auch Bremen und Niedersachsen haben das schon entsprechend aufgegriffen. Aber ich freue mich sehr, dass wir das heute hier im Landtag diskutieren und

den gemeinsamen Beschluss treffen, weil ich wirklich meine, dass das ein wichtiges Signal ist.

Eines ist klar – ich glaube, dessen sind wir uns auch alle bewusst –: Mit dem Verbot von Flaggen oder bestimmten Symbolen verschwindet natürlich die Ideologie nicht. Das wissen wir. Das wissen wir auch, wenn wir rechtsextreme Organisationen verbieten. Aber trotzdem ist es wichtig, das zu tun. Es ist richtig, das zu tun, weil es eben auch ein Signal in die Gesellschaft aussendet, und das wollen wir ja auch – das Signal, dass wir als demokratische Fraktionen im Landtag gemeinsam gegen Rechtsextremismus einstehen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Frau Schäffer. – Für die AfD spricht der Abgeordnete Herr Tritschler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein bekanntes Handlungsmuster aus totalitären Staaten: Immer wenn es für die Mächtigen politisch eng wird, wird ein echter oder unechter, ein innerer oder äußerer Feind aktiv, und man lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit auf diesen Feind und auf das Regime, das ihm vermeintlich entschlossen und tatkräftig entgegentritt. Die regimetreuen Medien begleiten diesen Krieg der gerechten Sache mit passenden Jubelmeldungen.