Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch am Tag danach ist nicht die Stunde der Verschwörungstheoretiker und Weltuntergangspropheten.
Lieber Herr Kollege Dr. Blex, Ihre Rede hat meiner Einschätzung nach schon gewisse Grenzwerte überschritten.
Herr Kollege Klocke, bei Ihrem Beitrag habe ich mich gefragt: Was sagt denn wohl Ihr Parteifreund Kretschmann dazu?
Lassen Sie mich zu Beginn eines klar und deutlich feststellen: Die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger ist ein hohes Gut. Es ist das höchste Gut, dem wir uns verpflichtet fühlen. Gleiches gilt für unser Klima. Auch hier fühlen wir uns in der Pflicht, das haben wir mehrfach betont. Wir wissen also, worum es geht.
Die Diskussion um die Luftbelastung durch Stickoxide beschäftigt uns schon seit geraumer Zeit. Seit 2010 sind europaweit die Grenzwerte aus der EULuftqualitätsrichtlinie einzuhalten: 40 µg NOx pro Kubikmeter Luft als Jahresmittelwert.
Das Verwaltungsgericht in Düsseldorf hatte am 13. September 2016 mit dem Urteil zur Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen den Luftreinhalteplan Düsseldorf die Bezirksregierung aufgefordert, den Luftreinhalteplan so fortzuschreiben, dass der Stickstoffdioxidgrenzwert schnellstmöglich eingehalten wird. Die Sprungrevision vor dem Bundesverwaltungsgericht sollte zur Klärung beitragen, welche Rechtsgrundlagen hierfür bestehen.
Gestern nun kam es zum Urteilsspruch. Das Bundesverwaltungsgericht hat dabei über die Frage entschieden, ob es eine Rechtsgrundlage gibt, die es erlaubt, über Fahrzeuge mit einer bestimmten Antriebstechnik ein Fahrverbot zu verhängen. Diese Rechtsfrage hat das Gericht bejaht. Damit hat es eine abstrakte Rechtsfrage beantwortet. Es hat nicht darüber geurteilt, ob Fahrverbote in den betroffenen Kommunen einzuführen sind.
Die Luftreinhaltepläne werden zurzeit in vielen Städten und Kommunen überarbeitet. Die Prüfung und Entscheidung, ob und inwieweit Dieselfahrverbote die Luftqualität verbessern und dabei helfen, die gesetzlichen Grenzwerte von 40 µg NOx pro Kubikmeter Luft einzuhalten, liegt bei den Bezirksregierungen. Ihnen obliegt es daher auch, darüber zu entscheiden, ob Fahrverbote verhältnismäßig sind.
Es muss also zwingend ein Kompromiss zwischen Gesundheitsschutz und Mobilitätswahrung der Menschen gefunden werden. Hierfür steht den Behörden ein ganzer Mix an geeigneten Maßnahmen – einem Werkzeugkasten vergleichbar – zur Verfügung. Dabei ist die Verhängung von Fahrverboten nur ein Instrument unter vielen und kann angesichts der Schärfe des Eingriffs nur Ultima Ratio sein.
Auch der blauen Plakette erteilen wir weiterhin eine Absage; denn sie regelt nur die Ausnahme von Fahrverboten, die wir ja vermeiden wollen. Fahrverbote beschränken nicht nur die individuelle Mobilität und das innerstädtische Wirtschaftsleben, sondern sie bedrohen Handel, Handwerk und Mittelstand in ihrer Existenz.
Fahrverbote würden zur Unterbrechung von Wertschöpfungsketten führen und damit einen schweren wirtschaftlichen Schaden verursachen. Sie hätten nicht zuletzt gewaltige Auswirkungen auf die zahllosen Pendler in Nordrhein-Westfalen, die sich im Vertrauen auf die Industrie Dieselfahrzeuge gekauft haben und auf ihrem Weg zur Arbeitsstätte auf ihr Fahrzeug angewiesen sind.
Auch für Arbeitgeber würde sich die Situation im Hinblick auf die verfügbaren Arbeitskräfte verschlechtern. Die öffentliche Versorgung, der Nahverkehr, die Einsatzfahrzeuge wären ebenso beeinträchtigt. Kurz: Das würde einen erheblichen Eingriff in die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Unternehmen bedeuten.
Zudem tragen nicht allein Dieselabgase zur Überschreitung der Grenzwerte bei. Es gibt weitere Hintergrundbelastungen in den Städten, zum Beispiel durch andere Verkehrsträger und Industrieanlagen.
Es macht also wenig Sinn, diese Faktoren losgelöst voneinander zu betrachten. Vielmehr gilt es, die Stickoxidkonzentration in der Luft weiter wirksam zu senken. Dafür steht eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Verfügung, die in den letzten Monaten auch jenseits der Fahrverbote aufgezeigt worden sind.
Aus Sicht der Verkehrspolitik warne ich im Übrigen davor, allzu leichtfertig auf die Verhängung von Fahrverboten zu setzen und dabei die sich neu bietenden Chancen einer nachhaltigen Stärkung des ÖPNV zu verpassen. Gefragt ist jetzt eine Unterstützung bei der Umsetzung der Maßnahmen durch die Bundesregierung, damit Anreize zur Modernisierung der Fuhrparks geschaffen werden. Dazu kommt die Nachrüstung von Bussen im ÖPNV, die wir in Nordrhein-Westfalen bereits unterstützen und umsetzen.
Vonseiten des Verkehrsministeriums NordrheinWestfalen sowie der Verkehrsverbünde werden moderne multimodale Verkehrskonzepte entwickelt, die die Kombination von Bus, Bahn, Fahrrad und Pkw benutzerfreundlicher machen.
Ein Schlüssel liegt auch in der Digitalisierung zur Entwicklung von Logistikkonzepten und intelligenten Ampelschaltungen. Nur schlagwortartig nenne ich an dieser Stelle die technologieoffene Förderung von emissionsarmen und emissionslosen Antriebsformen.
füllt ist, die es ermöglichen, die Stickstoffdioxidgrenzwerte bis 2020 einzuhalten. Wir haben dabei vollstes Vertrauen in unsere Landesverwaltung, dass im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten alles ausgeschöpft wird, um Dieselfahrverbote zu vermeiden. Unsere Verwaltungen mit ihren sehr fähigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden hier kreative Lösungen finden.
Gestern kam bereits die Meldung über den WDR, dass die Bezirksregierung Düsseldorf bis mindestens 2020 keine Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhängen will. Mit diesem doch positiven Signal freuen wir uns auf die weitere Debatte. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Voussem, ich war ein bisschen überrascht, dass Sie gar kein Zitat gebracht haben. – Aber das nur am Rande.
Das Bundesverwaltungsgericht hat gestern entschieden – ich glaube, das war keine Überraschung, sondern es war abzusehen, wie es entscheiden würde – und sehr deutlich gemacht: Die EU-Richtlinie muss erfüllt werden, und es müssen alle Instrumente genutzt werden, um die Luftreinhaltung zu ermöglichen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erklärt, dass auch ein Fahrverbot von den Kommunen zu erwägen ist. Dazu sind zahlreiche Übergangsfristen und Ausnahmen definiert worden, aber im Kern – und das ist das Hauptproblem, liebe Kolleginnen und Kollegen – obliegt es nun den Städten und Gemeinden in unserem Land, bei den Luftreinhalteplänen nachzusteuern und dabei die Verhältnismäßigkeit zu wahren.
Es gibt, wenn Sie sich die Presse anschauen, eine sehr einhellige Meinung dazu: Die Kommunen in unserem Land sind nun in der Zwickmühle – und da dürfen wir sie nicht lassen. Es jetzt die Aufgabe der Landesregierung, die Kommunen aus dieser Zwickmühle herauszuführen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns als NRW-SPD bereits im Wahlkampf sehr deutlich gegen Dieselfahrverbote ausgesprochen. Ich habe der Debatte bisher entnommen, dass dies auch keiner will. Da sind wir uns, glaube ich, alle einig. Fahrverbote dürfen nur das letzte Mittel sein, um die vorgegebenen Richtwerte einzuhalten. Käme ein Fahrverbot in Nordrhein-Westfalen, dann wären von
den 3,1 Millionen zugelassenen Dieselfahrzeugen 2,6 Millionen betroffen. Das sind rund 83 % aller Dieselfahrzeuge in unserem Land. Deswegen liegt es nun an der Landesregierung, hier dringend einen Maßnahmenkatalog zu erstellen. Denn nur so kann bei einem möglichen Fahrverbot ein Verkehrschaos verhindert werden und können zugleich die Ziele des Gesundheits- und Umweltschutzes erreicht werden.
Die für diese wichtige Frage zuständigen Minister, Frau Schulze Föcking und Herr Wüst, haben dazu bisher auch geschwiegen. Sie haben dazu zwar gestern eine Pressemitteilung gemacht, aber das war’s.
Das Problem kann jetzt aber nicht von den Kommunen alleine gelöst werden. Das ist jetzt aus meiner Sicht eine Bewährungsprobe nicht nur für die Landesregierung, sondern insbesondere auch für die Kommunalministerin. Ich hätte jetzt die Frau Ministerin gerne direkt angesprochen, aber Sie werden Ihr das mit Sicherheit ausrichten: Sie muss jetzt dafür sorgen, dass die kommunalen Interessen am Kabinettstisch Gehör finden, und sie muss sich für die kommunalen Interessen im Kabinett einsetzen. Wenn sie das tut, dann kann sie sich auf unsere Unterstützung verlassen.
Es muss jetzt dringend ein über alle Ressorts abgestimmtes Konzept vorgelegt werden. Wir kennen ja Ihre großen Ankündigungen, zum Beispiel: Stauverhinderung. Herr Kollege Wüst, auch davon haben wir bisher außer großen Ankündigungen noch nichts erlebt.
Stillschweigen auch von der Frau Ministerin Schulze Föcking. Ich bin gespannt, was sie nach meiner Rede hier sagen wird.
Aber es geht nicht, dass der Schwarze Peter immer weitergeschoben und weitergereicht wird und nun bei den Kommunen landet. Es sind nämlich insbesondere Kommunen, die selber starke finanzielle Probleme haben, aber dieses Problem jetzt vor Ort lösen müssen.
Selbst die finanzstarken Kommunen wie zum Beispiel unsere Landeshauptstadt Düsseldorf werden die Probleme nicht einfach in den Griff bekommen können. Thomas Geisel hat das gestern sehr deutlich gesagt. Er hat sich beschwert, dass die Probleme bei den Kommunen abgeladen werden. Er hat deutlich gemacht, wie hoch der administrative Aufwand für Kommunen ist, um jetzt die Luftreinhaltepläne nachzusteuern.
Wenn die Kommunen gezwungen werden, tatsächlich auf das Mittel des Fahrverbots zurückzugreifen, dann muss man ihnen auch ein Instrument in die
Hand geben, um Klarheit zu haben. – Herr Kollege Klocke, Sie haben die eindringliche Forderung der kommunalen Spitzenverbände gerade angesprochen: Es muss ein Instrument geben wie etwa die blaue Plakette. Wir fordern an dieser Stelle die Landesregierung auf, sich in den Bundesrat intensiv einzubringen, um überhaupt ein Instrument zu bekommen für den Fall, dass Fahrverbote unausweichlich werden.
Die Liste der massiven Kritik der kommunalen Spitzenverbände ließe sich hier fortsetzen. Ich könnte den Oberbürgermeister von Münster zitieren, der dies beklagt; ich könnte den Hauptgeschäftsführer des Landkreistages zitieren. Aber, auch das konnten Sie der Presse heute entnehmen: Dieselgate ist in den Städten angekommen.
Durch die Manipulationen der Automobilindustrie ist uns eine Suppe eingebrockt worden, die wir jetzt alle gemeinsam auslöffeln müssen. Ich habe so ein bisschen den Eindruck, der Löffel wird die ganze Zeit weitergereicht und von Ihnen, Herr Ministerpräsident, jetzt den Oberbürgermeistern in unserem Land in die Hand gedrückt. Das kann nicht die Lösung sein.