Die als Entlastung vorgesehenen Maßnahmen der letzten Landesregierung verschärften noch den Bildungsabbau und führten zu noch mehr Lernstress, wenn die Schüler den Anforderungen der zentralen Prüfungen gerecht werden wollten. Denn wer auf der einen Seite Hausarbeiten für überflüssig hält und auf der anderen Seite solche Prüfungen verlangt, der muss sich nicht wundern, dass die Kinder diesen Spagat nicht schaffen.
Kinder sind keine Leistungsmaschinen. Sie sind Heranwachsende, deren Aufnahmefähigkeit von der jeweiligen altersspezifischen Entwicklungsstufe abhängt, sodass sie einfach Zeit brauchen, um ihre intellektuellen Fähigkeiten zu entfalten, ihre sozialen Kompetenzen auszubilden und ihre charakterlichen Stärken zu formen.
Dazu gehört auch die gründliche Nach- und Vorbereitung des Unterrichtsstoffes am Nachmittag in der Hausarbeit.
Darüber hinaus brauchen die Schülerinnen und Schüler auch Zeit, außerschulische Bildungs- und Sportangebote anzunehmen sowie sich ehrenamtlich zu engagieren. Dies alles zu erfahren und zu erleben, ist für die Persönlichkeitsbildung junger Menschen unabdingbar.
Ihre Entscheidung zu G8 war pädagogisch, didaktisch, menschlich und gesellschaftlich ein völliger Fehlgriff, ja, eine Katastrophe.
Dass Sie darüber immer noch hinweglächeln, Frau Müller-Rech, zeigt, wie ignorant Sie eigentlich gegenüber den Nöten und Sorgen der Schülerinnen und Schüler sind.
Dieser Fehlgriff zeigt übrigens auch, wie sehr Sie sich von den Bildungstraditionen unseres Landes entfernt haben.
Er zeugt davon, dass Sie von den Voraussetzungen, die das Lernen und die Entfaltung von Begabungen und Persönlichkeiten haben, wenig wissen oder ihnen einfach keine Beachtung schenken.
Dass Sie mit G8 noch mal eben ein Jahr Geschichte und Physik eliminiert haben, hat doch erst richtig deutlich gemacht, dass Ihre Aussagen zum Bildungsstandort Deutschland nicht mit substanziellen Vorstellungen unterfüttert sind.
Sie, die ursächlichen Betreiber dieses undurchdachten und völlig dilettantisch angelegten Experimentes G8, haben nun endlich klein beigegeben und sich offenbar dem Willen der Elterninitiative „G9-jetzt-NRW“ gebeugt und wieder einmal eine Position der AfD übernommen.
Wir haben ja bereits gestern freudig wahrgenommen, dass auch in der Schadstoffdiskussion um den Dieselmotor Herr Löttgen endlich verstanden und akzeptiert hat, was die AfD-Vertreter bereits seit Langem sagen, dass nämlich die Dieseldiskussion Teil eines Wirtschaftskrieges gegen unser Land ist.
Ich hoffe natürlich, dass Sie in gleicher Weise von Ihren verqueren Vorstellungen, die Sie in den Bildungsbereich eingebracht haben, Abstand nehmen. Daran habe ich aber immer noch meine Zweifel. G8
war ein fröhliches Experiment zugunsten der Wirtschaft, ohne Rücksicht auf das Wohl der jungen Menschen. Die Ansätze zu diesem Experiment liegen 27 Jahre zurück, Anfang der 1990er-Jahre. Herr Reul war damals in der CDU federführend in dieser Angelegenheit und hat diesen Antrag gestellt. Jetzt ist er Innenminister. Bleibt nur zu hoffen, dass er in diesem Bereich nicht so viel Unheil anrichtet wie im Schulbereich.
Und Sie, sehr geehrte Ministerin, kommen ja auch aus der freien Wirtschaft, aus der Immobilienbranche, wenn ich richtig informiert bin. Ich habe den Eindruck, dass Sie Elemente aus Ihrem Erfahrungsraum in die Schulen und in das Bildungswesen transferieren wollen, dass Sie von der irrigen Vorstellung nicht ablassen wollen, Schulen seien wenigstens partiell wie Wirtschaftsunternehmen zu führen und zu organisieren.
Denn Sie wollen ja das Experiment G8 minimiert weiterführen, indem Sie einzelnen Schulen die Wahl lassen, G8-Gymnasien zu bleiben. Die Vertreter der kommunalen Verbände haben Ihnen dringend davon abgeraten, aber das interessiert Sie ja alles nicht. Sie schaffen damit ein neues Durcheinander, und zwar in den Städten wie auch bei der Organisation von Schullaufbahnen. Ich könnte Ihnen das jetzt in einer ruhigen Stunde sehr intensiv erklären; leider habe ich nicht genügend Redezeit, die dazu reichen würde.
Bieten Sie den überdurchschnittlich begabten Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, individuell zu springen; das reicht völlig.
Zur künstlichen Verzögerung der Einführung von G9: Wir haben bereits im Juli 2017 einen Antrag eingereicht, diese Einführung sofort vorzunehmen. Wir werden dem Gesetz natürlich zustimmen, aber ich befürchte, wir von der AfD werden noch viel Zeit und Geduld brauchen, um Sie auf den rechten Weg zurückzuführen.
Vielleicht kommt einmal der Zeitpunkt, an dem Sie einsehen, dass die Bologna-Reform gescheitert ist. Dann reden wir wieder über das, was Sie an Chaos angerichtet haben. Ich bin allerdings guter Hoffnung, dass die Macht des Faktischen einmal so stark ist, dass auch Sie hier in diesem parlamentarischen Elfenbeinturm nicht daran vorbeikommen, sich diesen Fakten zu beugen und endlich eine Politik für die Bürger und Menschen in diesem Land zu machen. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die grundsätzliche Entscheidung, zu G9 zurückzukehren, kann man nur begrüßen. Ich glaube, die Debatte hat gezeigt, dass es darüber im Grundsatz auch keinen Dissens gibt.
Aber wenn wir ganz kurz einmal zurückgehen in den Landtagswahlkampf: Da habe ich gerade mit Vertretern der FDP häufiger eine Debatte darüber gehabt, ob man wirklich zurück zu G9 geht oder ob man ein Mischmodell macht. Sie haben damals schon das Mischmodell vertreten und haben das – so wie Frau Müller-Rech eben auch – als Freiheit verkauft.
Ich habe immer gesagt: Meine Damen und Herren, passen Sie auf, dass am Ende der – umzugsbedingt vielleicht notwendige – Übergang von einer Schule zu einer anderen nicht nur zum Problem wird, wenn Sie von Nordrhein-Westfalen in ein anderes Bundesland umziehen müssen, sondern wenn Sie schon in den Nachbarort ziehen. Wenn ein Schüler in Münster G8 besucht hat und dann nach Steinfurt zieht, wo man sich für G9 entschieden hat, bekommt dieser Schüler ein Problem mit der von Ihnen beabsichtigten Reform.
Genau das hat die Frau Ministerin ja auch bestätigt. Sie geht davon aus, dass sich die allermeisten Schulen für G9 entscheiden werden. Das bedeutet, dass diejenigen Schüler, die auf einer Schule sind, die sich für G8 entscheidet, selbst bei einem Umzug in die Nachbargemeinde ein Problem haben. Da werden Sie die nämlich mit Kinderlandverschickung herumtransportieren müssen.
Frau Kollegin Müller-Rech, wenn Sie die Entscheidungsfreiheit von staatlichen Institutionen für Freiheit halten, dann offenbart das einen ziemlich verqueren Freiheitsbegriff.
Es geht bei der Freiheit, wenn überhaupt, um die Freiheiten des Bürgers. – Frau Müller-Rech, hören Sie einmal ganz kurz zu! Sie können gleich reden. Stellen Sie eine Zwischenfrage oder machen Sie sonst irgendetwas. – Aber wenn Sie das für Freiheit halten…
Es geht um die Freiheit von Bürgern und Schülern. Es geht um die Freiheit, wenn überhaupt, der Schüler, sich für die eine oder die andere Form zu entscheiden. Genau diese Freiheit gewährleisten Sie mit Ihrem Entwurf aber nicht. Sie gewährleisten einzig und allein die Freiheit von staatlichen Institutionen, nämlich Schulen und nicht Schülern, sich für die eine oder andere Form zu entscheiden.
Das offenbart einen unglaublich verqueren Freiheitsbegriff, Frau Müller-Rech. Da gehen Sie mal in sich und denken darüber nach, was das eigentlich bedeutet. Das ist leider nicht nur für Sie symptomatisch, sondern auch für Ihre Partei – sehr bedauerlich.
Ich kann an dieser Stelle nur sagen: Das, was Sie tun, ist die Verweigerung der Übernahme von Verantwortung für eine politische Entscheidung, nämlich G8 oder G9. Sie überlassen diese Entscheidung den Schulen, Sie schaffen damit Beliebigkeit, Sie schaffen damit gerade keine Rechtssicherheit, keine Sicherheit für die betroffenen Schüler, keine Sicherheit für die betroffenen Eltern.
Ich möchte auf die Julis eingehen, nämlich auf Herrn Körner, der bei der Podiumsdiskussion vor Kurzem darauf hingewiesen hat, dass er einen liberalen Weg eigentlich sehr sympathisch finde, nämlich ob man nicht gucken kann, was Jugendliche eigentlich brauchen und welchen Weg zum Abitur sie gehen könnten.