Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

Erstens. Die AfD geht von falschen Voraussetzungen aus, indem sie Folgendes übersieht, bewusst ausblendet oder unterschlägt: Bereits 2013, also vor fünf Jahren, wurde eine NRW-Studie unter dem Titel „Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte“ der Universität Kiel vorgelegt. 18.443 Polizisten hatten sich an der Studie beteiligt; das war fast die Hälfte aller Polizisten in NRW.

Knapp 80 % der Polizisten mit Bürgerkontakt schilderten dabei Gewalterfahrungen im untersuchten Zeitraum. Der untersuchte Zeitraum war das Jahr 2011. Die geschilderten Angriffe reichten dabei von Pöbeleien bis zu tätlichen Angriffen in Form von Attacken mit Fäusten und Messern bis hin zu immer wiederkehrenden Beleidigungen und Provokationen.

Hierzu zitiere ich eine Zahl aus der Studie von 2018, Seite 68. Dort heißt es: Das Tätermerkmal eines Migrationshintergrundes wurde 2011 in 38,1 % bei körperlichen Übergriffen angegeben, 2017 in 41,9 %. – Der Vergleich zwischen den beiden Studien zeigt also eine Steigerung in diesem Bereich von 3,8 %.

Die Flüchtlinge aber haben wir erst ab dem Jahr 2015 aufgenommen; denn aufgrund des Dublin-Abkommens kamen vor 2015 kaum Flüchtlinge nach Deutschland. Und nun frage ich Sie, Herr Wagner: Wo ist da der Zusammenhang zwischen Migranten bzw. Flüchtlingen und der vermehrten Gewaltbereitschaft gegen Einsatzkräfte? – Ich meine, es gibt da keinen. Sie versuchen aber mit dem Antrag, eine Notwendigkeit des Handelns mit – und ich zitiere Ihre eigenen Worte – „umfangreicher Einwanderung“ zu begründen. Dieser Begriff befindet sich unter II, zweiter Absatz, am Ende Ihres eigenen Antrags. Diese Schlussfolgerung ist falsch.

Der Antrag ist aber auch aus einem zweiten Grunde abzulehnen. Nach dem deutschen Strafrecht unter

scheiden wir bei der Definition des Täters nicht zwischen Tätern mit Migrationshintergrund und ohne Migrationshintergrund. Aus diesem Grund gibt es auch keine – ich zitiere wieder Ihre eigenen Worte – „interkulturelle Nachsicht bei Straftaten“, die der Antrag aber offensichtlich unterstellt. Hierbei verweise ich auf den zweiten Punkt Ihres Antrages unter III. Diese Annahme ist ebenso falsch und nicht korrekt.

Damit bin ich bei dem entscheidenden dritten Grund, der ebenfalls gegen Ihren Antrag spricht. Die NRWKoalition von CDU und FDP hat sich der Aufgabe der Bekämpfung der verbalen und nonverbalen Gewalt gegen Einsatzkräfte bereits seit Langem angenommen.

(Beifall von der FDP)

Mit Ihrem Antrag 17/2150 aber sollte – ich zitiere wieder Ihre eigenen Worte – einer Nichtthematisierung vorgebeugt werden. Das steht unter II in der dritten Zeile des dritten Absatzes. Auch diese Annahme der angeblichen Nichtthematisierung ist falsch.

Es gibt die Kriminalitätsstatistik der Polizei NRW aus dem Jahr 2018, die Anfang März vorgestellt wurde. Darin ist die Entwicklung der Zahl nichtdeutscher Tatverdächtiger an der Gesamtzahl von Tatverdächtigen genau abzulesen. Richtig ist, dass die Anzahl nichtdeutscher Tatverdächtiger generell überdurchschnittlich hoch ist. Richtig ist aber auch, dass unter den tatverdächtigen Zuwanderern der größte Rückgang zu verzeichnen ist. Das ist also belegt. Sie aber fordern eine weitere Statistik und noch eine empirische Untersuchung.

Außerdem wurde von der Landesregierung bei der Ruhr-Universität Bochum eine Studie in Auftrag gegeben mit dem Ziel, Gewalt gegen Einsatzkräfte wissenschaftlich aufzuklären. Auf diese Studie berufen Sie sich jetzt in Ihrem Antrag und kommen dabei zu einseitigen Feststellungen.

Ein wichtiges Ergebnis der Studie und Workshops, die zwischenzeitlich stattgefunden haben, besagt, dass es keine generelle Lösung des Gewaltproblems gibt. Das macht die Aufgabe, vor der wir stehen, nicht leichter, zeigt aber auch deutlich, dass es keine einfachen Lösungen bei der Klärung dieser Frage gibt.

Ihr Antrag geht aber nicht den unterschiedlichen Fragestellungen nach, sondern legt den Schwerpunkt einseitig nur auf einen einzigen Aspekt. Das ist ebenso falsch. Ihr Punkt ist: Es sollen die Migranten sein. – Ich zitiere dabei aus der Studie:

„Bewertungen durch die befragten Einsatzkräfte, ob ein Migrationshintergrund des Täters vorgelegen hat, können lediglich aufgrund äußerlich in Erscheinung tretender Merkmale vorgenommen werden.“

Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es keine monokausalen Ursachen für Gewalt gegen Rettungskräfte gibt. Wenn man sich vertieft mit der Studie beschäftigt – das setzt natürlich voraus, dass es einem wirklich um die Sache geht und nicht um reine Stimmungsmache gegen Ausländer –, dann ist Folgendes auffällig:

Zu gewaltsamen Übergriffen kommt es besonders häufig in Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern wie Düsseldorf, Köln oder Essen, bei Fällen der körperlichen Gewalt mit über 50 % in sozial-problematischen Wohngebieten und mit über 40 % in bürgerlichen Wohngebieten. In fast drei Viertel dieser Fälle ging die Gewalt von den Personen selber aus. Über die Hälfte der von körperlicher Gewalt betroffenen Einsatzkräfte berichteten von einer Alkoholintoxikation des Täters. Im Jahre 2011 lag die Zahl bei 48,9 %, 2018 bei 55,2 %. Das hat nichts mit Migration zu tun.

Insgesamt ergibt sich daraus, dass es sich um ein allgemeingesellschaftliches Problem handelt. Genau an diesem allgemeingesellschaftlichen Problem des Werteverfalls arbeitet unsere Koalition. Noch einmal: Es geht um Respekt und um unsere Werte. Deren Achtung können wir von allen in unserem Land verlangen – übrigens auch von den 61 % Nichtmigranten, also Deutschen, die in der Statistik ebenfalls genannt werden. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Pfeil. Bleiben Sie bitte am Pult. Es gibt eine angemeldete Kurzintervention des Fraktionsvorsitzenden der AfD, Herrn Wagner. Jetzt beginnen die 1 Minute 30 Sekunden für Sie, Herr Wagner.

Herr Kollege Pfeil, zunächst einmal – das steht im Gegensatz zu Herrn Bialas – danke für Ihren kontroversen, aber sachlich gehaltenen Beitrag.

(Beifall von der AfD)

Ich muss Ihnen aber trotzdem widersprechen. Sie haben ausgeführt, dass diese Entwicklungen bereits 2011 festgestellt worden seien und es somit keinerlei Bezug zu 2015 gebe. Natürlich gibt es diesen Bezug. Diesen Bezug gibt es deswegen, weil eine unkontrollierte Massenzuwanderung leider das Problem on top verschärft.

Ein weiterer Punkt: Ganz im Gegensatz zu dem, was ich teilweise von Ihnen hörte, glaube ich, dass die Wahrnehmung derer, die an der Basis arbeiten, eine andere ist. Dazu will ich aus zwei Artikeln der „Neuen Westfälischen“ vom 14. März und vom 19. März dieses Jahres zitieren.

Unter der Überschrift „Gewaltbereite Patienten verbreiten Angst und Schrecken in Bielefelder Klinik“ heißt es unter anderem:

„23. Januar, 23:30 Uhr: Franziskus-Hospital:“„

im Übrigen in Bielefeld, also nicht einmal in Essen, Köln oder Dortmund –

„Mehrere Streifenwagen eilen zur Kiskerstraße, weil dort zwölf Mitglieder einer kurdischen Familie nach dem Tod ihres Angehörigen (83) das Personal bedrohen. ‚Unser Pfleger ist sehr robust und erfahren‘, erklärt der Franziskus-Chef. „Wenn der die Polizei ruft, dann war es sehr brenzlig.“

Ich zitiere aus der „Neuen Westfälischen“ vom 19. März. Unter der Überschrift „Bei der Wiederbelebung bespuckt“:

„Eine junge Krankenschwester (alle berichten anonym) –“

das ist schon bezeichnend –

Herr Wagner, ich muss Sie leider darauf hinweisen, dass die 1:30 herum sind. Kommen Sie bitte zum Ende.

Okay, ich komme zum Ende.

„– berichtet, dass die Zunahme der verbalen und körperlichen Gewalt schon lange spürbar sei. Beleidigung seien mittlerweile an der Tagesordnung, gerade von südländischen Patienten und Angehörigen.“

Ich bitte Sie, das doch mal zur Kenntnis zu nehmen.

Herr Dr. Pfeil, Sie haben das Wort. Sie haben 1:30 Minuten Zeit.

Herr Wagner, dass es da kein Problem gibt, habe ich nicht behauptet. Ich habe die Zahlen aus dem Jahr 2011 vorgetragen, und damals lag die Zahl auch schon bei 38,1 %. Die Zahlen für 2017 weisen eine Steigerung um 3,9 % aus.

Ihre Schlussfolgerung ist, dass die Migranten und die Flüchtlinge, die hierhergekommen sind, zu einer erheblichen – Sie haben gesagt – „On-top-Verschärfung“ geführt haben. Das ist aber nicht der Fall. Wir haben vielmehr ein allgemeingesellschaftliches Problem, nämlich den mangelnden Respekt gegenüber unseren Einsatzkräften – egal in welchen Bereichen: Polizei, Feuerwehr, Rettungswesen. Dem müssen wir entgegenwirken. Das ist eine andere Sichtweisen als das, was Sie mit Ihrem Antrag bezwecken. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Pfeil – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Schäffer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn feststellen, dass jedes Gewaltdelikt und jeder Angriff auf eine Person völlig inakzeptabel und zu verurteilen ist.

Mit den Angriffen auf Polizeibeamtinnen und -beamte, auf Rettungskräfte und Feuerwehrleute werden ausgerechnet diejenigen angegriffen, die sich für unser Gemeinwohl einsetzen. Das ist genau das, was uns alle so entsetzt, dass ausgerechnet diejenigen attackiert werden, die für unsere Sicherheit sorgen, die Menschen retten und die Brände löschen. Wir fragen uns, warum gerade diese Personengruppen zu Opfern von Angriffen werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb ist es meines Erachtens so wichtig, dass wir uns als Parlament immer wieder mit diesem Phänomen auseinandersetzen. Das tun wir auch. Wir wollen den Einsatzkräften unsere gemeinsame Unterstützung und unsere Solidarität ausdrücken und ihnen unsere Anerkennung für ihre wichtige Arbeit zeigen.

Um dieses Phänomen zu erforschen, haben wir in der rot-grünen Regierungszeit eine Studie mit dem Titel „Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“ in Auftrag gegeben, aus der auch konkrete Maßnahmen entstanden sind.

Es gibt jetzt eine neue Studie von der Ruhr-Universität Bochum zum Thema „Gewalt gegen Einsatzkräfte der Feuerwehren und Rettungsdienste in NordrheinWestfalen“. Diese Studie ist ein weiterer wichtiger und guter Baustein zur Untersuchung dieses Phänomens und dient dazu, es besser zu verstehen.

Die Landesregierung hat durch Herrn Reul im Innenausschuss bereits angekündigt, dass man jetzt weitere Konsequenzen ziehen und diskutieren will. Es geht darum, nach einem bestmöglichen Schutz der Einsatzkräfte von Polizei, Rettungsdiensten und Feuerwehren zu suchen. Diese Maßnahmen werden wir diskutieren.

Ich freue mich als Mitglied der grünen Fraktion darauf, diese Debatten zu führen. Wir brauchen Bausteine wie zum Beispiel gute Ausbildung und gute Fortbildung. Wir müssen darüber sprechen, was eine notwendige, eine sinnvolle Ausrüstung ausmacht. Ja, ich weiß, darüber werden wir sicher auch kontrovers diskutieren, aber es ist eine Diskussion, die wir führen müssen. Wir brauchen auch die Diskussion darüber, welche guten Angebote wir für die Nachsorge bei solchen gewalttätigen Angriffen vorhalten wollen; denn wir müssen uns um die Menschen kümmern, die Opfer solcher Angriffe geworden sind.

Herr Golland, ehrlich gesagt hat mich Ihr Redebeitrag schon ziemlich erschreckt. Wir diskutieren hier über ein sehr wichtiges Thema. Dabei ist es geboten, diese Diskussion sachlich und differenziert zu führen, und zwar ohne Unterstellungen. Sie haben wirklich unhaltbare Vorwürfe erhoben, die ich strikt zurückweisen möchte. Ich halte es nicht für angemessen, eine derart wichtige Diskussion in solch einer Art und Weise zu führen, wie Sie es gerade getan haben.

(Beifall von der SPD)

Das finde ich wirklich falsch, und das möchte ich hier ganz deutlich sagen.

(Gregor Golland [CDU]: Wovon reden Sie?)