Protokoll der Sitzung vom 17.05.2018

Mit dieser Realität müssen wir uns auseinandersetzen – genauso, wie wir uns um die Religionsfreiheit und die Pluralität kümmern müssen. Anträge wie der heute vorliegende lenken von diesen Aufgaben nur ab.

(Zuruf von Gabriele Walger-Demolsky [AfD])

Sie tragen nicht zum Zusammenhalt unserer freiheitlichen Gesellschaft bei. Sie haben das Ziel, sie zu spalten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Als Nächster hat der fraktionslose Abgeordnete Herr Pretzell das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass es in diesem Lande Muslime gibt, die unzweifelhaft zu Nordrhein-Westfalen und zu Deutschland gehören – so weit kann man Ihnen zustimmen. Dass Sie aber ausgerechnet zu einem Prestigeprojekt der DITIB gehen müssen und dort den vermutlich kontroversesten Satz in der deutschen Islamdebatte sagen und damit auch ein Maximum an Aufmerksamkeit auf diese Veranstaltung lenken, ist Ihnen vorzuwerfen. Das will ich auch begründen.

Ich will es einmal so sagen: Das, was Ihnen passiert ist, wäre Herrn Beck oder Herrn Özdemir nicht passiert. Sie sind nämlich gegenüber der DITIB sehr viel klarer. Die DITIB ist eben nicht nur muslimisch, sondern sie ist explizit türkisch-muslimisch. Herr Laschet, würden Sie zu der Eröffnung einer Kirchengemeinde gehen, die sich explizit als deutsch-christlich bezeichnet? Vermutlich nicht! Es wäre auch falsch, wenn Sie das täten.

(Ministerpräsident Armin Laschet: Griechisch- orthodox!)

Sie sollten aber auch zu keiner nationalistisch-türkisch-muslimischen Moscheeeröffnung gehen.

Ich frage Sie, wenn wir über das Thema „Spaltung der Gesellschaft“ reden, wie sich wohl Kurden oder Armenier in diesem Moment gefühlt haben. Wie müssen sich Kurden fühlen, die wahrnehmen müssen, dass deutschlandweit und auch in Nordrhein-Westfalen in DITIB-Moscheen für den Sieg in Afrin gebetet wird? Während dort Tausende vertrieben werden und Zivilisten getötet werden, wird in DITIBMoscheen für den Sieg des großen Heerführers gebetet.

Herr Laschet, Sie wissen ganz genau, dass Sie damit ein politisches Signal gesendet haben. Es ging eben nicht um die vielen Gläubigen. Die Gläubigen hat jedenfalls in der öffentlichen Debatte in diesem Moment niemand wahrgenommen. Wahrgenommen hat man ein Prestigeprojekt der DITIB und einen extrem kontroversen Satz. Dieser Satz ist nun nach den ganzen Debatten, die wir in der Vergangenheit in Deutschland über den Islam geführt haben, als das entlarvt worden, was er von Anfang an war, nämlich als eine Phrase, die völlig inhaltsleer ist. Eine Debatte, die sich am Ende an den Menschen aufhängen muss und nicht am Islam.

Herr Laschet, genau deshalb sind Sie für diesen Besuch zu kritisieren. Das hat nichts mit einer generellen Kritik an allen Muslimen zu tun, sondern es hat mit dem politischen Signal zu tun – gerade nach dem, was die DITIB in den vergangenen Monaten auch hier Nordrhein-Westfalen abgeliefert hat.

Der AfD ist noch Folgendes zu sagen: Zumindest die Überschrift sollte in Zukunft grammatisch korrekt sein.

(Beifall von Frank Neppe [fraktionslos])

Danke, Herr Abgeordneter Pretzell. – Für die Landesregierung spricht nun der Ministerpräsident.

(Ministerpräsident Armin Laschet tritt an das Redepult – Dr. Christian Blex [AfD]: Nach Mekka schauen! – Gegenruf von der CDU: Unverschämtheit! – Berivan Aymaz [GRÜNE]: Gerade Sie müssen das sagen! – Dietmar Bell [SPD]: Rein rassistisch! – Weitere Gegenrufe – Markus Wagner [AfD]: Haben Sie doch ein- mal ein bisschen Humor!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ministerpräsident würde gerne mit seiner Rede beginnen.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, wer gerade den Zwischenruf mit „Mekka“ gemacht hat. Aber …

(Zurufe von der CDU und der SPD: Herr Blex!)

Herr Kollege Blex, wer sich mit dem Großmufti von Herrn Assad trifft, braucht hier in dieser Hinsicht überhaupt nichts zu sagen.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, einiges zum Zusammenleben der Religionen in Nordrhein-Westfalen zu sagen und zu begründen, weshalb wir im Gegensatz zu einem laizistischen Staat wie Frankreich ein anderes Verhältnis zu Religionen haben. Das kann man allein am Ablauf dieser Woche sehen. Den Katholikentag in Münster hat die Landesregierung unterstützt und sogar mit gefördert. Im nächsten Jahr findet in Dortmund der Evangelische Kirchentag statt, wo das Gleiche der Fall sein wird. Wir trennen Religion und Staat also nicht strikt, sondern sagen: Aktivitäten, die dem Zusammenhalt der Gesellschaft dienen, werden auch vom Land unterstützt.

(Beifall von der CDU)

Deshalb war der Bundespräsident bei der Eröffnung in Münster. Deshalb war auch ich selbst bei der Eröffnung des Katholikentages. Deshalb haben auch

viele Mitglieder der Landesregierung und der Opposition an Diskussionen teilgenommen, um dort Präsenz zu zeigen.

Am letzten Montag war das Jubiläum „70 Jahre Israel“. Für viele Juden, die in Nordrhein-Westfalen leben, ist trotz ihrer deutschen Staatsangehörigkeit die Beziehung zu Israel etwas sehr Wichtiges. Deshalb habe ich zu diesem Anlass in die Staatskanzlei eingeladen. Alle lebenden früheren Ministerpräsidenten waren dort und haben über die Parteigrenzen hinweg das Signal gesetzt, dass uns das wichtig ist. Der Landtag hat dazu eine eigene Feierstunde veranstaltet und ebenfalls daran erinnert.

In dieser Woche war der serbische Staatspräsident zu Besuch. Die Serben, die in Nordrhein-Westfalen leben – sie kamen übrigens auch als sogenannte Gastarbeiter –, sind orthodoxen Glaubens. Sie sind serbisch-orthodox, Herr Pretzell. Außerdem gibt es russisch-orthodox und griechisch-orthodox. Auch andere Religionen sind, zum Teil aus historischen Gründen, an eine Nationalität gebunden. Deshalb haben wir uns in diesem Gespräch auch über deren religiöse Bedürfnisse unterhalten.

(Zuruf von Gabriele Walger-Demolsky [AfD])

In Aachen wurde nun ein neues Gotteshaus, nämlich eine neue Moschee, eröffnet. Sie wissen vielleicht nicht, liebe – oder unliebe – Kollegen der AfD,

(Lachen von der AfD – Helmut Seifen [AfD]: Ich habe mich schon gewundert!)

wie das in Aachen war. Zu keiner Zeit hat gegen diese Moschee irgendeiner demonstriert. Zu keinem Zeitpunkt gab es irgendeine kritische Debatte im Stadtrat. Das ist eher ungewöhnlich; denn das gibt es eigentlich überall. In diesem Fall kannte man aber die Akteure.

Der Vorsitzende dieser Moscheegemeinde – er ist Mitglied der Grünen und im kommunalen Stadtrat engagiert – ist mit Sicherheit kein Freund der AKP. Er führt seit 1977 diese Moscheegemeinde von Menschen, die wir angeworben haben. Es ist ja nicht so, dass sie alle aus eigenem Interesse zu uns gekommen wären. Vielmehr sind wir hingegangen und haben gesagt: Wir brauchen euch im Bergbau und in der Stahlindustrie. – Herr Kollege Yetim hat das ja eben beschrieben.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Wir haben sie angeworben und wissen, dass die religiösen Möglichkeiten diesen Menschen wichtig sind. Das ist übrigens CDU-Politik, Herr Fraktionsvorsitzender: zu wissen, wie bedeutsam Religion für einen Menschen ist.

(Markus Wagner [AfD]: Fragen Sie einmal Ihre Partei!)

Deshalb hat der von Ihnen zitierte Konrad Adenauer 1961 das Anwerbeabkommen geschlossen.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Für ein paar Jahre!)

Diese Menschen hatten damals aber keine Möglichkeit, ihre Religion auszuüben. Sie sind in eine Tankstelle gegangen, um zu beten. Gerade als Christdemokrat und Katholik sage ich Ihnen: Es ist unwürdig, in einer Tankstelle sein Gebet absolvieren zu müssen. Deshalb ist es gut, dass man jetzt diesen weiteren Schritt gegangen ist.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Diese Gemeinde – die Gemeinde habe ich besucht; ich habe keinen Verband, sondern diese Gemeinde besucht – ist im Dialog der Religionen aktiv.

Die politischen Parteien überzeugen Sie ja gar nicht. Dass Reiner Priggen, Ulla Schmidt, der Oberbürgermeister, der Polizeipräsident – alle, die in dieser Stadt wirken – da waren, interessiert Sie nicht.

Aber eines sollte Sie vielleicht interessieren, wenn Sie sich auf das christliche Abendland oder Ähnliches berufen: Der emeritierte Bischof von Aachen war da. Der Dompropst war da. Der Regionaldekan war da. Der Superintendent war da. Sie alle waren bei der Feier der Eröffnung dieses Gotteshauses anwesend und haben einen interreligiösen Dialog miteinander geführt. Sogar der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, der sich zu anderen Fragen der Flüchtlingspolitik auch einmal kritisch geäußert hat, war da und hat gesagt, dass ihm dieser Dialog der Religionen wichtig ist.

Ich finde, dass man solche Menschen, die den Islam liberal verstehen, die offen sind und Teil unserer Gesellschaft sein wollen, auch würdigen muss, indem man dort hingeht. Und deshalb war ich da.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zu Herford und Mönchengladbach ist hier Klartext gesprochen worden – übrigens auch von allen Fraktionen. Natürlich geht es nicht, dass Kinder in Uniform zum Hass erzogen werden. Alles das, was wir da erlebt haben, geht nicht. Aber umso mehr muss man den anderen, die sagen, dass sie einen anderen Weg gehen wollen und nicht parteipolitisch sein wollen – das steht sogar in der Presseerklärung zu diesem Tag –, Rückenwind geben, wenn man es ernst meint und nicht Ressentiments gegen Menschen schüren will, wie Sie das tun.

Deshalb glaube ich, dass das dem Zusammenhalt der Religionen dient – ebenso wie das Iftar-Essen, zu dem ich gestern Abend eingeladen habe. Dort waren liberale Muslime, gläubige Muslime, Christen – das Katholische Büro und das Evangelische Büro waren vertreten – und Juden.

Dieser Zusammenhalt der Gesellschaft wird in Nordrhein-Westfalen gelebt. Sie werden ihn auch durch solche Aktuellen Stunden nicht kaputt machen können.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Gestatten Sie mir abschließend noch eine persönliche Bemerkung. Es gibt schon einmal Termine am Rande des Plenums, die ein Ministerpräsident auch wahrnehmen muss. Nach wenigen Tagen im Amt hat der amerikanische Botschafter gesagt, dass er heute nach Nordrhein-Westfalen und jetzt gleich in die Staatskanzlei kommt. Ich werde deshalb nicht bis zum Ende der Debatte im Plenarsaal bleiben. Das ist keine Missachtung des Parlaments.

Sie können sich vorstellen, dass das schwierige Gespräche sind. Dennoch will ich sie jetzt führen. Denn für unsere Stahlindustrie und unsere Aluminiumindustrie hängt viel davon ab, wie sich die USA in den nächsten Tagen entscheiden. Hier ein breites Meinungsbild zu schaffen, ist meine Absicht.

(Beifall von der CDU und der FDP)