Protokoll der Sitzung vom 13.07.2018

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Glocke des Präsidenten)

Wir setzen unsere Sitzung fort. Ich rufe auf:

2 Urlaubssemester für Gründerinnen und Grün

der

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/3020

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU dem Abgeordneten Braun das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nach der Unterbrechung des Plenums kommen wir nun zur Unterbrechung des Studiums. Ich muss zugeben: Ich hatte damals in meinem Studium keinen Mut – möglicherweise ist das auch daran gescheitert, dass ich keine gescheite Idee hatte, mit der es sich gelohnt hätte, das Gründen zu wagen.

Abseits meiner Person ist Deutschland bekannt für seinen Erfindergeist. Ich bewundere diejenigen, die kreativ sind, die mutig sind. Wir brauchen diese Männer und Frauen, weil sie unser Land mit ihren Innovationen nach vorne bringen und Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen. Manchmal scheitern sie auch – das ist okay. Die Mühen und der Mut gehören gesellschaftlich anerkannt und politisch unterstützt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir tragen dafür Sorge, dass die Mutigen und die Macher die Möglichkeit haben, ihr innovatives Potenzial zu realisieren. Als NRW-Koalition arbeiten wir Stück für Stück an einer neuen Gründerkultur. Es macht mir persönlich Freude, zu sehen, dass wir es schaffen, in

diesem Land etwas zu bewegen. Durch unseren Einsatz für Gründerinnen und Gründer schaffen wir es, NRW einen neuen Gründergeist einzuhauchen.

Damit haben wir bereits im letzten Jahr begonnen, und zwar mit dem Entfesselungspaket I und der Möglichkeit zur elektronischen Gewerbeanmeldung. Im Juli 2018 wurde das Gründerstipendium NRW „1.000 mal 1.000“ gestartet. Damit unterstützen wir all diejenigen, die gerade in der Pre-Seed- und Seed-Phase auf wackligen Beinen stehen. 1.000 Gründungsaktivisten werden zwölf Monate lang 1.000 € im Monat erhalten und davon profitieren. Ich bin sicher: Das ist ein Vorbildprojekt für die ganze Nation.

(Beifall von der CDU)

Nun starten wir in die nächste Bauphase: die Bereitstellung von Zeit, um eine Gründung zu initiieren. Das klingt trivial, ist es aber nicht. Viele Gründungen entstehen während eines Studiums. Man stößt auf Sachverhalte, man diskutiert und entwickelt zusammen mit Kommilitonen Ideen, man forscht und will praktisch umsetzen – aber kann oder will man dafür sein Studium unterbrechen?

Die Frage aber ist: Kann oder will man bis zum Abschluss seines Studiums warten? Oder ist die Idee dann vielleicht schon von jemand anderem realisiert oder durch die digitale Entwicklung überholt worden? Wir wollen den Studentinnen und Studenten die Entscheidung erleichtern und ihnen die Möglichkeit eines bzw. zweier Urlaubssemester schaffen.

Probiert euch aus! – Das rufen wir den Gründerinnen und Gründern in NRW zu.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ausgründungen und der Wissenstransfer von Hochschulen haben großes Potenzial, und das sollten wir als Land mit Anspruch nicht ganz uneigennützig fördern.

Die derzeitige Situation hat mitunter Studienabbrüche oder schlechte universitäre Leistungen zur Folge. Die Gründerinnen und Gründer sehen sich mit einem finanziellen Risiko und einer immensen Arbeitsbelastung konfrontiert und sind bürokratischen Pflichten ausgesetzt – trotz aller Bemühungen unsererseits, diese zu reduzieren.

Sie sollten sich in der Phase einer Unternehmensgründung nicht auch noch mit Studienplänen und Klausuren befassen müssen. Urlaubssemester sind schon heute für Praktika und Auslandsaufenthalte möglich, wieso nicht auch für eine Unternehmensgründung, sozusagen als Intensivpraktikum? Die Beurlaubungsgründe sollten vielfältig sein. Das können ein Businessplan, erste Produktergebnisse oder ein Gründerstipendium wie unser neues Programm „1.000 mal 1.000“ sein.

Das ist keine Initiative, die viel Geld kostet, die aber Wirkung bei denen zeigen kann, die zwischen Mut

und Zurückhaltung hin und her gerissen sind. Das wird sicherlich auch dem Finanzminister gefallen, der gleich für die Landesregierung reden wird. Das ist eine Initiative, die auch dem Bundesverband Deutsche Startups gefällt, weil sie ganz offensichtlich die Bedürfnisse der Betroffenen trifft.

Die Erfahrungen, die man dabei sammelt, sollten auch für das Studium nicht vergebens sein. Wer Veranstaltungen und Kurse zu Gründungskonzepten, zu Businessplänen oder Ähnlichem besucht, der sollte sich das auch in Credit Points anrechnen lassen können.

Meiner persönlichen Erfahrung nach sollte es mehr von diesen Kursen an den Universitäten und Fachhochschulen geben. Vielleicht hätte mir das damals während meines BWL-Studiums den entscheidenden Schub gegeben. Wenn es auch in meinem Fall nicht für eine Unternehmensgründung gereicht hat, so freue ich mich nun zumindest, als Teil der NRWKoalition Mitgründer des Chancenlandes NRW für Gründungswillige zu sein.

Deshalb, liebe Gründerinnen und Gründer: Werdet mutig! Seid mutig! Nehmt euch die Zeit! Die NRWKoalition steht an eurer Seite. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Braun. – Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Körner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Silicon Valley wäre ohne die Universität von Stanford nicht denkbar. Ich will jetzt keinen Vergleich zu einem „Rheinland Valley“ ziehen – unser Ziel ist es jedoch Nordrhein-Westfalen zu einem Gründerland zu machen. Hierfür sind Hochschulen und ihr Umfeld gute Nährböden – dort entstehen Ideen für Forschungsprojekte und neue Geschäftsmodelle.

Möglicherweise schlummert in jedem unserer 750.000 Studierenden in Nordrhein-Westfalen ein potenzieller Gründer mit großartigen neuen Geschäftsideen. Außer dem Geld, das wir als NRWKoalition mit dem Gründerstipendium bereitstellen, braucht man zum Gründen auch Zeit; der Kollege Braun hat es schon erwähnt. Deswegen ist ein Gründersemester, ein Urlaubssemester für Gründer, eine gute Idee.

Das ist gut für die Studierenden, weil ihnen auf diese Weise mehr Flexibilität ermöglicht wird. Wenn jemand sein Studium abbricht und erfolgreich ein Unternehmen gründet, dann ist der Studienabbruch nicht so schlimm. Startups ist jedoch zu eigen, dass sie ein Geschäftsmodell zunächst einmal ausprobieren, und häufig scheitert das auch. Das soll aber nicht als Makel gelten.

Für solche Fälle wollen wir es durch das Gründersemester ermöglichen, sein Studium einfach wieder aufnehmen zu können. So lassen sich ein Studienabbruch oder eine Überschreitung der Regelstudienzeit vermeiden, die man in seinem Lebenslauf immer erklären müsste. Das Ganze ist also gut für Studierende.

Wenn Studierende Förderungen aus dem EXISTProgramm – das ist die große deutschen StartupFörderung – erhalten wollen, müssen sie auch heute schon nachweisen, dass sie Vollzeit an einem Projekt arbeiten. Sie müssen insofern ihr Studium abbrechen oder sich beurlauben lassen. Dies wird von den Gründercentern an den Hochschulen unterstützt, ist aber rechtlich durchaus schwierig.

Wir schaffen dadurch Klarheit und machen die Sache vor Ort einfacher.

An Hochschulen, die in diesem Bereich besonders aktiv sind, heißt es in den Fachbereichen: Beschäftigt unsere Leute nicht ständig mit diesen Gründungsideen, weil sie sonst nicht bei uns zu Ende studieren und wir dann Probleme haben. – Wir senden daher an die Hochschulen das klare Signal: Unterstützt eure Studierenden, das macht es uns in rechtlicher Hinsicht einfacher. Das bestätigen mir auch Gründerzentren, mit denen ich an verschiedenen Hochschulen gesprochen habe.

Sicher könnte man an Gegenargumente denken, zum Beispiel den Mitnahmeeffekt: Jemand schreibt sich ein, um die günstigen Bedingungen für Studierende mitzunehmen. Ich habe das daraufhin geprüft: BAföG-Leistungen gibt es nicht, wenn man ein Urlaubssemester einlegt, also kann man das schon mal nicht mitnehmen.

Die studentische Krankenversicherung ist besonders günstig und könnte vielleicht ein Mitnahmeeffekt sein. Man wird aber entweder angestellt oder arbeitet selbstständig, und dann gilt die studentische Krankenversicherung sowieso nicht mehr. Das heißt, auch hierbei entfällt der Mitnahmeeffekt als Gegenargument.

Diese Idee bietet unseren gründungswilligen Studierenden gute Möglichkeiten und stellt NordrheinWestfalen stärker auf. Wir setzen damit als Land ein klares Zeichen: Unsere Hochschulen lehren und forschen nicht nur begeistert, sondern sie unterstützen auch das Gründen. Sie sollen Hingabe und Eigeninitiative wecken und das Unternehmertum als Leitbild neben einer angestellten Tätigkeit etablieren. Vor allem sollen sie ein erfinderfreundliches Klima schaffen und die Freude am Neuen fördern. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Körner. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Bell.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion begrüßt die Initiative der Regierungskoalition ausdrücklich, zu überprüfen, ob es sinnvoll ist und ob die Möglichkeit besteht, Urlaubssemester für Unternehmensgründer und Start-ups einzurichten.

In den letzten Jahren verzeichnen wir an den Hochschulen die Entwicklung, dass Start-ups von Studierenden deutlich an Bedeutung gewonnen haben. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Professorinnen und Professoren häufig kein Interesse an Unternehmensgründungen haben und die frühzeitige Ideenvermarktung erfolgreicher über Studierende implementiert werden kann.

Diese Erfahrung korrespondiert mit der Tatsache, dass eine Vielzahl von Gründerzentrenten an den Hochschulen eingerichtet wurde. Hier will ich nur die Universität zu Köln nennen, die gerade für 20 Millionen € ein sehr großes Projekt auf den Weg gebracht hat, nachdem sie über Jahre hinweg ihre erfolgreichen kleineren Projekte in Köln begleitet und ausgewertet hat.

An den Hochschulen finden wirklich tolle Sachen statt. Wenn ein solches Gründersemester dabei hilft, die Rahmenbedingungen zu verbessern, werden wir uns in keinem Fall in den Weg stellen.

Wie Sie aber schon gesagt haben: Es klingt trivial, ist es aber nicht. Wir hätten uns deswegen heute eine Überweisung in den Fachausschuss gewünscht,

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

weil wir finden, dass es sich lohnt, darüber zu diskutieren. Ich will die Argumentation jetzt einmal umkehren, lieber Moritz Körner. Ich fände es sinnvoll, beispielsweise darüber zu diskutieren, wie das BAföG gestaltet werden kann, damit eine Unterbrechung des Studiums nicht zu einer Finalisierung von BAföG führt. In diesem Zusammenhang müssen wir auch über andere Fragen intensiv diskutieren.

Es wäre wünschenswert gewesen, zunächst mit den Hochschulen, die eine gleiche Interessenlage haben, in einen Dialog zu treten, bevor der Ball wieder ans Ministerium zurückgespielt wird. In Form von Expertengespräch hätten wir ausloten können, wie die Rahmenbedingungen im Hochschulgesetz aus ihrer Sicht ausgestaltet sein könnten, um einen möglichst guten Weg für alle zu finden.

Wir werden uns deshalb bei diesem Antrag enthalten, begrüßen dessen Intention aber ausdrücklich. Wie gesagt, wir hätten uns einen Dialog im Fachausschuss gewünscht. Das wäre dem Anliegen ein Stück weit gerechter geworden. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Abgeordneter Bell. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Bolte-Richter.