Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 35. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien sowie den Zuschauern an den Bildschirmen.
Für die heutige Sitzung hat sich ein Abgeordneter entschuldigt; der Name wird in das Protokoll aufgenommen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit gestrigem Schreiben den als Tagesordnungspunkt 3 vorgesehenen Antrag „Den gesellschaftlichen Konsens zum Kohleausstieg nicht gefährden – Die Landesregierung muss sich für ein Rodungsmoratorium im Hambacher Wald einsetzen“ zurückgenommen.
Die Behandlung dieses Antrags und die gestellten Entschließungsanträge der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/3685 und der Fraktion der SPD Drucksache 17/3694 sind deshalb erledigt. Die nachfolgenden Tagesordnungspunkte verschieben sich entsprechend.
Die Fraktionen von CDU und FDP haben mit Schreiben vom 17. September gemäß § 95 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die CDU Herrn Kollegen Dr. Nolten das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Stellen Sie sich folgende Situation vor: Wandertag mit der Schule, Picknick: Das Kind mag die Salami, die Onkel Piotr mitgebracht hat, nicht, und schwupp, landet das Brötchen im Gebüsch. – Die Wildschweine fressen es. Sie sind da, die Afrikanische Schweinepest auch – in Belgien, gut 100 km vom Südwesten unseres Landes entfernt.
ASP ist für den Menschen ungefährlich, für Schweine fast immer tödlich. Die Zahl der in der Region Étalle gefundenen Kadaver steigt täglich. Im 63.000 ha großen Sperrbezirk gilt für einen Monat ein Verbot aller jagdlichen Aktivitäten und forstlichen Arbeiten. Allen landwirtschaftlichen Betrieben ist eine Ausfahrt mit Fahrzeugen verboten. Die schweinehaltenden Betriebe werden intensiv beobachtet.
Der Mensch bringt den Virus über die großen Distanzen, die Wildschweine über die kleinen bis in die Ställe hinein. Auch in nordrhein-westfälische? Die Inkubationszeit beträgt in der Regel etwa vier Tage. Die Tiere verenden meist innerhalb einer Woche. Selbst im Verwesungsprozess bleiben die Kadaver über Monate infektiös. Der Erreger kann wochenlang an Schuhsohlen oder Lkw-Reifen haften.
Die Ausbreitung der Seuche – in Osteuropa wurde der Virus bei 1.000 Hausschweinen und 4.000 Wildschweinen nachgewiesen – war Anlass, sich so gut, wie es geht, auf die Einschleppung der ASP vorzubereiten: mit der Neufassung der Schweinepestverordnung, mit Notfallplänen, mit Übungen und mit erhöhten Abschüssen von Wildschweinen.
Die Jagdstrecke hat sich in NRW im letzten Jagdjahr von 40.000 auf 60.000 Stück erhöht. Die Zahl der möglichen Infektionsträger ist nach den milden Wintern der letzten Jahre hoch – zu hoch. Selbst in den reinen Grünlandlagen in meinem Wahlkreis haben wir Bestandsdichten, die sehr weit über der Zielgröße des Nationalparks Eifel – zwei Stück je 100 ha – liegen.
Während wir vor Ort über die Organisation von revierübergreifenden Jagden, über die Zulassung von robusten Weidezäunen aus Baustahlmatten zum Schutz der Wiesen und Weiden diskutiert haben, sind die Bestände unaufhaltsam gewachsen. An alle Jäger daher die Bitte: Lassen Sie nicht nach mit der Bejagung!
Eine weitere Situation: Männertour, zum Schnaps werden aus der Hand dicke Scheiben Salami vom letzten Jagdausflug nach Tschechien geschnitten – lecker. Ups, da fällt eine Scheibe auf den Boden. Macht nichts, hier hast du eine neue.
Schon der Fund von zwei Wildschweinkadavern zog ein chinesisches Einfuhrverbot für Schweinefleisch aus ganz Belgien nach sich. Sind große Erzeugerländer in der EU von derartigen Ausfuhrbeschränkungen betroffen, gibt der Marktpreis deutlich nach. Er beträgt zurzeit ohnehin nur 1,50 Euro je Kilogramm.
Wir haben in NRW noch gut 7.000 Schweinehalter mit etwa 7,2 Millionen Schweinen. Die Produktionskette ist bestens organisiert. Es zählt jeder Cent. Ferkel und Schlachtschweine werden auch aus den
Die uns bestens bekannten Firmen Tönnies und Westfleisch schlachten fast die Hälfte aller Schweine in Deutschland, und damit steigt die Gefahr der Verschleppung über kontaminierte Transport- und Arbeitsgeräte.
Ich habe noch ein Beispiel: Ein langer Tag auf der Autobahn für den osteuropäischen Fahrer. Die Zeit ist knapp, die Mahlzeit an der Raststätte teuer, die mitgebrachte Dauerwurst stillt den Hunger. Der Wurstzipfel wandert über das Fenster oder über die ungesicherte Mülltonne zu den Schwarzkitteln.
Ein infiziertes, ein totes Schwein im Stall. Der Kreisveterinär ist zu informieren, ein Sperrbezirk wird festgelegt und das Beobachtungsgebiet eingerichtet, mindestens 10 km im Umkreis. Menschen in Ganzkörperschutzanzügen erscheinen. Es werden die Kontaminationsschleusen eingerichtet, Betriebe mit Stacheldraht abgeriegelt. Betriebsfremde Personen, auch Nachbarn, dürfen den Hof nur mit Schutzkleidung und mit schriftlicher Genehmigung der zuständigen Behörde betreten. Alle Schweine des betroffenen Betriebs werden gekeult, Großcontainer bis oben hinaus mit Schweinekadavern gefüllt. Polizei sichert das Geschehen.
Ja, die Tierseuchenkasse hilft finanziell. Aber was macht die Seuche mit den Landwirten? Die Agrarsoziologin Karin Jürgens hat nach dem letzten großen Schweinepestausbruch Interviews mit den Landwirten zu den psychosozialen Folgen geführt. Ich zitiere:
Zwischen jedem Finger ein Ferkel, und du trägst sie hinaus. Dann kommt der Strom dran, und dann sind sie weg. Die ganz Kleinen, das war fast noch das Schlimmste.
Die lagen meterhoch, die toten Schweine. Das sah man, wenn man hier aus dem Küchenfenster herausguckte.
Nicht selten blieben nach der großen Stille traumatisierte Landwirte zurück und die Ställe leer. 15 % der Schweinehalter gaben seinerzeit auf, vor allem die kleineren Betriebe.
Unsere Sorglosigkeit, deine Nachlässigkeit, mein Verhalten bringen Tausenden, Zehntausenden Schweinen den sinnlosen Tod und unendliches Leid in die Bauernfamilien. Deswegen ist ASP ein Thema für uns alle. Seien wir achtsam! – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige aktuelle Stunde zur ASP dient der Aufklärung der Menschen in Nordrhein-Westfalen über die Gefahren dieser Seuche. Denn Stand heute haben wir nur ein sehr eingeschränktes Instrumentarium zur Verfügung, um auf einen eventuellen Ausbruch dieser Seuche in Nordrhein-Westfalen zu reagieren.
Deshalb ist es so wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger sensibilisiert sind, welche Folgen unbedachtes Handeln in einer aktuellen Situation hat.
Der Auftritt der ASP in Belgien, der große Sprung aus Osteuropa an die Westgrenze unseres Bundeslandes ist eindeutig die Folge einer Verschleppung des Virus. Der wahrscheinlichste Übertragungsweg sind Lkw-Fahrer oder Urlauber, die kontaminiertes Schweinefleisch aus Osteuropa mitbringen und achtlos wegwerfen. Wildschweine nehmen dieses Fleisch auf, infizierten sich innerhalb kürzester Zeit mit dem Virus und sterben wenige Tage danach qualvoll. Auch über Kleidung, Autoreifen und andere Gegenstände kann die Seuche übertragen werden. Denn die ASP ist besonders aggressiv und wird sehr leicht übertragen.
Ich möchte daher an dieser Stelle eindringlich an alle betroffenen Berufsgruppen, aber auch an die ganze Bevölkerung appellieren, wachsam zu sein. Denn es gibt keine Immunitätsbildung bei den Tieren bei der ASP, es gibt keinen Impfstoff. Auf infizierte Tiere wartet der sichere Tod.
Für die Tiere, aber auch für die Wirtschaft ist ein akuter Seuchenausbruch eine Katastrophe. Die Infizierung eines Schweins in einem Schweinemastbetrieb hat die Tötung und Entsorgung aller Schweine des Betriebs zur Folge. Anschließend muss der Betrieb umfangreich gereinigt werden. Die Schäden gehen nach Schätzungen in den Bereich von 2 Milliarden Euro pro Jahr, und da ist die vor- und nachgelagerte Wirtschaftskette noch gar nicht dabei.
Die Handelsrestriktionen, die auch Belgien sofort getroffen hat, werden den Handel mit Produkten aus Schweinefleisch, auch aus Nordrhein-Westfalen, umgehend zum Erliegen bringen.
Massiv gefährdet sind auch die Bio-Betriebe in Nordrhein-Westfalen. Denn der extrem trockene Sommer hat zu einem regen grenzübergreifenden Handel mit Stroh und Heu geführt, was ein neues gefährliches Einfallstor für die ASP entstehen lässt. Besonders problematisch ist es natürlich auch für die Bio-Landwirte, die ihre Schweine im Freiland halten. Eine langfristige Aufstallung wird aus Platzgründen nicht möglich sein. Zudem droht in einem solchen Fall der Entzug des Bio-Zertifikats, und das wird für Teile der ohnehin oft sehr kleinen Bio-Betriebe definitiv existenzbedrohend sein.
Wir sind uns daher alle ein, dass wir diese Szenarien mit allen Mitteln und aller Kraft verhindern müssen. Ich bin daher dem Umweltministerium, dem LANUV, dem Verkehrsministerium und weiteren staatlichen Stellen sehr dankbar für die Präventionsmaßnahmen, die seit Monaten durchgeführt werden und nach dem Befund bei unserem belgischen Nachbarn umgehend ausgeweitet wurden.
Aber wir müssen an dieser Stelle auch um Verständnis werben für Maßnahmen, die niemand durchführen will, die aber angesichts des Szenarios im Zweifel unausweichlich sind, wenn die ASP NRW erreicht: großflächige Einzäunung von Wildschweinbeständen beim Auftritt eines ASP-Falls und die anschließende vollständige Ausräumung des Bestands. Das werden für uns, für die Bürger, für Tierschützer und natürlich für die Jägerinnen und Jäger, welche diese Wildbestände seit Jahren gehegt und gepflegt haben, schwer erträgliche Bilder. Wichtig ist daher, dass allen die Notwendigkeit solcher Maßnahmen klar ist. Denn die drastischen, aber notwendigen Maßnahmen, die vor allem auch das vor einiger Zeit betroffene Tschechien getroffen hat, zeigen, dass dies der einzige Weg zum Schutz der Wild- und Hausschweine ist.
Danken möchte ich deshalb an dieser Stelle der Jägerschaft, die schon seit den letzten Monaten durch eine massive Erhöhung der Wildschweinstrecke einen massiven Beitrag, einen wichtigen Beitrag zur ASP-Prävention geleistet hat.
Das ist keine Schädlingsbekämpfung, sondern ein wertvoller und unverzichtbarer Beitrag dieser ehrenamtlichen Tier- und Naturschützer aus der Jägerschaft für das Gemeinwohl und für das Tierwohl in Nordrhein-Westfalen. Wir werden diese Leistung auch mit unserem neuen Jagdgesetz, das gestern eingebracht wurde, begrüßen und Rechenschaft tragen, dass das alles geschieht.
Vorsorglich haben wir bereits im letzten Jahr Haushaltsmittel zur ASP-Prävention zur Verfügung gestellt. Es ist absehbar, dass diese Mittel noch deutlich erhöht werden müssen, um die erarbeiteten Notfallpläne im Ernstfall auch durchführen zu können. Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt! – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Ja, Ende Februar haben wir uns hier bereits über die Afrikanische Schweine
pest sehr ausführlich ausgetauscht. Ich kann an dieser Stelle sagen: Ich hätte heute hier lieber über die 7.000 Beschäftigten von Kaufhof und Karstadt gesprochen, statt über …