Ich kann es mal so erklären: Sie haben einen Landesvorsitzenden in Thüringen, Herrn Höcke. Herr Höcke ist ja westdeutscher Oberstudienrat und Geschichtslehrer gewesen. Jetzt sollte man ja eigentlich meinen, dass jemand, der diese Ausbildung genossen hat, niemals fähig sein dürfte, solche Sachen zu sagen, wie er sie sagt, so geschichtsverdrehend und geschichtsvergessen. Er tut es trotzdem.
Jetzt kann man natürlich, Ihrer Argumentation folgend, sagen, das Schulwesen in Deutschland und die Universitäten hätten komplett versagt. Die Frage ist, ob das am Schulwesen liegt oder daran, dass es in der Familie Höcke eine Tradition gibt, die Dinge etwas anders zu sehen als in der öffentlichen Erinnerung. Wenn der Großvater von Herrn Höcke schon leuchtende Augen bekam, als er dem Führer entgegengetreten ist, wenn der Vater schon antisemitische Schriften bezogen hat und der Sohn dann so redet, werden Sie merken, dass öffentliche und private Erinnerung auseinanderfallen können.
Deswegen heilt die Schule nicht alles. Schulische Bildung ist kein Allheilmittel. Es geht auch darum, politisch zu entscheiden, auf welcher Seite man steht. Sie sehen, dass in diesem Fall etwas falsch gelaufen ist.
Auch das ist interessant: Sie behaupten in Ihrem Antrag, an unseren Schulen werde – Zitat – „offenbar unverhohlen die Planwirtschaft verherrlicht“.
Als Beleg wird die Drucksache 17/6462 angegeben. Jetzt muss man gucken, wer hinter dieser Drucksache 17/6462, die als Beleg angeführt wird, steckt.
Das ist die Kleine Anfrage des Abgeordneten Tritschler mit dem etwas seltsamen – ich will nicht sagen verrückten – Titel: „Abiturprüfung in Nordrhein-Westfalen: Karl Marx statt Ludwig Erhard?“ vom 5. Juni
2019. Die wurde übrigens von der Landesregierung längst beantwortet, das ist Drucksache 17/6729. Lesen Sie die mal nach.
Die Anfrage fußt auf einem Kommentar eines Redakteurs der „WirtschaftsWoche“, der seinem Sohn bei der Abiturvorbereitung im Fach Sozialwissenschaften an einem Kölner Gymnasium geholfen hat und über den Prüfungsstoff irritiert war. Deswegen schrieb er einen offenen Brief an die damalige NRWSchulministerin. Das ist der Inhalt. Als Beleg für die Behauptung ist der Hinweis auf die Kleine Anfrage selbstreferenziell und völlig wertlos.
Sie zitieren sich selbst mit Anfragen. Herr Kollege, ich gebe Ihnen einen Rat: Wenn Sie schon Drucksachennummern angeben, müssen Sie damit rechnen, dass man die Drucksachen nachliest. Das nur für die Zukunft.
Ich will zum Schluss noch etwas zum Forderungsteil des Antrags sagen, mein Vorredner hat das auch getan. Ich finde nämlich, das ist an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten. An Scheinheiligkeit kaum zu überbieten ist die Forderung, der Landtag möge sich „für mehr Verständnis und gegenseitige Rücksichtnahme unter den Deutschen aller Bundesländer“ einsetzen und dafür werben, „die auch heute noch bestehenden Narben der deutschen Einigung durch gemeinsame Kraftanstrengungen verheilen zu lassen“.
Das ist deshalb scheinheilig, weil das eine Partei verlangt, die im Grunde weder Verständnis noch gegenseitige Rücksichtnahme kennt. Das verlangt eine Partei, die die Wunden der Einigung immer wieder aufreißt und jeden Tag neue Wunden schlägt. Das verlangt eine Partei, deren Geschäftsmodell das Schüren von Unzufriedenheit und das Gegeneinander-Aufstacheln ist. Ich sage Ihnen: Die AfD will keinen inneren Frieden, sie lebt von Unfrieden.
Deswegen lässt sich mit Ihnen und Ihresgleichen die innere Einheit auch nicht vollenden. Mit Ihnen steht man am Abgrund für Deutschland und nicht für ein einiges Deutschland. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herren! Dieser Antrag ist erneut eine gute Gelegenheit, sich mit der Überwindung der politischen Teilung unseres Landes und unseres Kontinents auseinanderzusetzen. Insbesondere deshalb, weil der Antrag sehr deutlich macht, warum Erinnern, Aufklären und politisch-historische Bildung dringend notwendig sind.
Den Antragstellern sei ebenfalls zugestanden, dass in einem parlamentarischen Antrag natürlich nicht alle ineinandergreifenden Wendepunkte dargestellt werden können. Aber das Dargestellte sollte jedenfalls richtig sein.
Zu den Behauptungen über Johannes Rau im Antrag hat Kollege Dr. Rudolph schon Zutreffendes ausgeführt. Mit derartigen Bemerkungen und Behauptungen wird Unkenntnis bezeugt.
Ich will hinzufügen, dass aufgrund dieser Verdrehung, dieser bewussten Verdrehung von Tatsachen hier die Anfälligkeit für Hetze deutlich angelegt ist.
Der deutsch-deutsche Grundlagenvertrag aus dem Jahr 1972 war unter anderem auch Gegenstand eines verfassungsgerichtlichen Prüfungsverfahrens auf Antrag Bayerns. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil klargestellt, dass die innerdeutsche Grenze nur eine staatsrechtliche Grenze sei wie die Grenzen zwischen den Ländern der Bundesrepublik auch.
Außerdem stellte das Urteil unmissverständlich klar, dass das Staatsangehörigkeitsrecht der Bundesrepublik auch von Bürgern der DDR in Anspruch genommen werden konnte. Deshalb wurde der deutsche Pass – wie es in Ihrem Antrag steht – aber doch nicht aufgezwungen. Es ging eben nicht um die Anerkennung der DDR-Staatsangehörigkeit, sondern um den respektvollen Umgang mit der tatsächlichen Teilung unseres Landes.
Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat bereits im Jahr 1994 darüber diskutiert. Da gehörten wir diesem Parlament wohl alle noch nicht an; gleichwohl lohnt es sich, diese Debatte mal nachzulesen. Ich muss sagen, ich finde es erschreckend, dass es heute immer noch notwendig ist, diese Debatte in dieser Form noch einmal zu führen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich empfehle dringend die Lektüre unseres Grundgesetzes. In der Präambel des Grundgesetzes in der damals gültigen Fassung war das Gebot der Wiedervereinigung ausdrücklich enthalten. Dort hieß es:
„Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgte hieraus ein verfassungsrechtliches alle Staatsorgane – der damaligen Bundesrepublik und nicht der DDR – bindendes Gebot, die Wiedervereinigung anzustreben und auf die Verwirklichung hinzuwirken.
Wie kann man denn auf die Art und Weise die Realitäten verdrehen, wenn in der Präambel unseres Grundgesetzes ausdrücklich diese Verpflichtung stand?
(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD] – Zu- ruf von der SPD: Lass dich doch nicht auf eine Diskussion mit dem ein!)
und vielleicht dazu noch einiger anderer Schriften, die sich mit der Meinungs- und Pressefreiheit und einer demokratischen Streitkultur auseinandersetzen. Dann können wir gerne weiter darüber sprechen.
Aber ich verstehe nicht ganz, wie man an dieser Stelle dieses verfassungsrechtliche Gebot völlig ignorieren kann, dem sich alle – die staatlichen Organe, die Parteien, die Bürgerrechtsbewegungen, die Zivilgesellschaft, die Kirchen und viele andere – verpflichtet fühlten.
Ich finde es bemerkenswert, dass Sie in Ihrem Antrag formulieren, dass der 9. November aufgrund seiner ambivalenten Bedeutung als reiner Feiertag ungeeignet sei. Gleichwohl sollten alle Einrichtungen des Landes das Gedenken an die friedliche Revolution angemessen und würdig begehen.
Da frage ich mich allen Ernstes: Wo waren denn die Anträge – vielleicht kommen sie wenigstens in diesem Jahr – zum 80. Jahrestag der Pogromnacht? Dazu habe ich hier keinen Antrag der AfD festgestellt, mit dem man würdig und angemessen dieses Ereignisses auch am 9. November gedacht hätte.
Gerade ist hier das Verhältnis der AfD-Partei zur DDR angesprochen worden; vielleicht hören wir von der Fraktion noch etwas dazu. Im Wahlkampf in Sachsen und Brandenburg und auch im aktuellen Wahlkampf in Thüringen empfiehlt die AfD, wenn ich richtig informiert bin, bei ihr das Kreuz zu machen, mit dem Hinweis, dies sei wie eine friedliche Revolution mit dem Stimmzettel.
In einem Comic heißt es dann sogar: Wir sind auf dem besten Weg in eine Gesinnungsdiktatur. Früher waren es die Stasischergen, heute machen AntifaBanden Jagd auf politische Abweichler.
Wenn man dann allen Ernstes hergeht, die heutige Bundesrepublik und unsere demokratische Streitkultur mit der damaligen DDR zu vergleichen, ist das ein Zeugnis historischer und politischer Defizite. Deswegen ist es auch völlig nachvollziehbar und völlig zu Recht von den Bürgerrechtlern der DDR als Missbrauch der friedlichen Revolution bezeichnet worden, der wir heute mit dem Antrag der Kollegen der Sozialdemokratie, mit unserem Entschließungsantrag auch gedenken. Deswegen haben die DDRBürgerrechtler diesen Ansatz zu Recht zurückgewiesen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.