Protokoll der Sitzung vom 09.10.2019

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Schäffer, Sie haben recht: Wir müssen Extremisten bekämpfen.

Aber wir bekämpfen Extremisten jeglicher Couleur. Ich würde mir wünschen, dass Sie auch so leidenschaftlich argumentierten, wenn es um das Vermummungsverbot auf der linken Seite geht.

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD – Zurufe von Stefan Zimkeit [SPD] und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Weitere Zurufe)

Jetzt beruhigen Sie sich doch.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Nein, tue ich nicht!)

Als Demokraten in diesem Hohen Hause beobachten wir die Entwicklung von bürgerwehrähnlichen, mitunter rechtsextremen Gruppierungen in Nordrhein-Westfalen mit Wachsamkeit und Sorge.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das sehe ich aber anders!)

Als Demokraten verurteilen wir gemeinsam dieses Phänomen, und als Demokraten verteidigen wir unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie aus tiefster Überzeugung mit Konsequenz und Entschlossenheit.

(Beifall von der CDU)

Der Staat ist die einzige demokratisch legitimierte Instanz, die das Gewaltmonopol innehat und ausüben darf. Daran gibt es hier wohl keinen Zweifel. Niemand sonst – weder selbst ernannte Bürgerwehren, Hooligans, Rechtsextremisten, Reichsbürger, gewalttätige Aktivisten, Linksextremisten, kriminelle Fa

milienclans noch religiös verbrämte Scharia-Polizisten – darf über die Regeln unseres Zusammenlebens bestimmen.

Die CDU-Fraktion ist mit der Landesregierung fest entschlossen, derartigen Antidemokraten, Fanatikern, Extremisten und Straftätern mit einer konsequenten Nulltoleranzstrategie entgegenzutreten. Dafür rüsten wir unsere Sicherheitsbehörden seit nunmehr über zwei Jahren mit den notwendigen personellen und materiellen Ressourcen aus.

Wir investieren viel Zeit, Geld und Kraft, um Nordrhein-Westfalen sicherer zu machen. Wir geben mit Gesetzen, Erlassen und Verordnungen Polizei, Verfassungsschutz und Justiz die dringend erforderlichen Befugnisse und Handlungsspielräume. Vor allem aber geben wir ihnen die politische Rückendeckung, die sie so lange schmerzlich vermisst haben.

(Beifall von der CDU, der FDP und Alexander Langguth [fraktionslos])

Zum neuen Stil der Landesregierung gehört das offene und direkte Ansprechen von Problemen und Herausforderungen des Rechtsstaates. Innenminister Herbert Reul nennt die Dinge beim Namen und sucht nach Lösungen, ohne leere Versprechungen zu machen – so auch in diesem Fall. Er hat sich klar geäußert.

Aber nicht nur ihm, sondern uns allen sollte die Entgrenzung dieser Szene Sorge bereiten. Es kommt zu zunehmender Vermischung von vermeintlich normalen Bürgern mit Rechtsextremisten. Eine klare Distanzierung findet nicht statt – übrigens ein Tatbestand, der auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums bei vermeintlichen Aktivisten und Linksextremisten festzustellen ist.

Der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen hat in seinem Bericht 2018 ausführlich über diese gefährliche Mischszene berichtet. Es gibt einen umfangreichen Austausch zwischen den Sicherheitsbehörden über bekannte Personen und Gruppierungen. Die NRW-Polizei greift gemäß ihrer neuen Linie konsequent und entschlossen bei Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ein.

Überall dort, wo jemand meint, eine höhere moralische Legitimation zu haben, womit er sich über das Gesetz stellt, Recht selbst in die Hand nimmt, Straftaten als zivilen Ungehorsam verharmlost, Menschen bedroht und einschüchtert oder Gewalt ausübt, muss der Rechtsstaat umgehend die Rote Karte zeigen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Wehret den Anfängen! Das sind wir den anständigen Bürgerinnen und Bürgern schuldig, die von uns als verantwortlichen Politikern erwarten, Recht und Gesetz einzuhalten und durchzusetzen.

(Unruhe – Glocke)

Neben repressiven Maßnahmen ist es aber auch besonders wichtig, die Menschen zu informieren, aufzuklären und zu warnen, sich nicht vor den Karren spannen zu lassen bzw. sich klar zu distanzieren und diese Gruppen zu ächten und zu meiden. Ebenso bedarf es Aussteigerprogrammen und Hilfen für Menschen, die sich geläutert aus der Szene lösen wollen.

Hier hilft nur ein ganzheitlicher Ansatz, den wir mit unserer Politik klar und deutlich verfolgen. Wir haben die Feinde unserer offenen, demokratischen und freien Gesellschaft fest im Blick, und wir werden sie mit legitimen Mitteln und Methoden entschieden bekämpfen. Dazu leisten Legislative, Exekutive und Judikative jeden Tag ihren Beitrag.

Nordrhein-Westfalen ist ein weltoffenes und liebenswertes Land. Das werden wir uns auch von rechten Bürgerwehren nicht nehmen lassen.

(Beifall von der CDU)

Stehen wir hier zusammen als Demokraten, aufrecht für unser Land und gegen jede Form von Extremismus! Denn jeder Extremist ist Mist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU, der FDP und Alexander Langguth [fraktionslos])

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die SPD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Herr Wolf das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist wirklich ein gutes Zeichen, dass wir als Demokraten heute hier über die Gefahr der rechtsextremen Bürgerwehren sprechen. Ich danke daher den Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen dafür, dass sie diesen Antrag auf eine Aktuelle Stunde eingebracht haben.

Diese Mischszene aus Rechtsextremen, Hooligans und Rockern vernetzt sich zusehends. Bei den Aufmärschen werden demokratiefeindliche und fremdenfeindliche Parolen skandiert. Eine Trennung zwischen der rechtsextremen Szene und den Wutbürgern wird bewusst nicht gezogen, oder diese Vermischung wird sogar in Kauf genommen.

Diese Entgrenzung ist aus meiner Sicht die eine Gefahr. Die zweite große Gefahr ist aber die Gewaltaffinität dieser Gruppen.

Mein Kollege Alexander Vogt hat mir eben noch einmal von dem gestrigen Spaziergang in Herne berichtet. Auch da ist es wieder zu Gewaltübergriffen gekommen.

Sie, Herr Minister, haben die Zahlen auch sehr anschaulich dargestellt. Sie sprechen von einem harten Kern von rund 250 Personen, die aber bereit und in der Lage sind, bis zu 700 Personen zu mobilisieren.

Ich halte die Gefahr, die von diesen rechten Netzwerken ausgeht, für eine der größten Gefahren für die innere Sicherheit in unserem Land.

(Beifall von der SPD und Mehrdad Mostofiza- deh [GRÜNE])

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen handeln. Frau Kollegin Schäffer hat schon einige Anregungen gegeben. Ich will das gerne ergänzen.

Wir dürfen gerade die Kommunen bei diesen Herausforderungen nicht alleine lassen. Dazu haben wir einen sehr klugen Vorschlag gemacht. Wir haben Ihnen, Herr Minister, vorgeschlagen, das Wegweiser-Programm auf alle Extremismusbereiche auszuweiten, damit es Ansprechpartner für die Kommunen vor Ort gibt.

Ich finde es genauso gut, dass der Verfassungsschutz diese Szene sehr genau in den Blick nimmt und beobachtet und uns als Zivilgesellschaft über diese Entwicklungen berichtet.

Wir sollten aber auch etwas Zweites tun. Wir wissen ganz genau, wie die Abläufe sind. Zunächst beginnt es mit der Verrohung im Internet, in den sozialen Netzwerken. Dann startet die Vernetzung in der realen Welt. Genau diesen Punkten müssen wir als Demokraten entschlossen entgegentreten. Unter dem Deckmantel vermeintlicher Wutbürger oder besorgter Bürger tarnen sich Extremisten. Diesen Deckmantel müssen wir lüften, damit niemand auf diese Tricks hereinfällt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Populisten und Extremisten agieren weltweit, europaweit, aber auch in unserem Land immer gleich. Sie greifen berechtigte Sorgen auf. Sie geben einfache Scheinantworten. Sie suchen sich Sündenböcke in der Gesellschaft, am besten kleine Gruppen, denen sie die Schuld in die Schuhe schieben. Das ist besonders gefährlich.

Diese Bürgerwehren machen noch etwas: Sie diffamieren unsere rechtsstaatlichen und demokratischen Institutionen. Damit diffamieren sie uns alle, die wir hier täglich verantwortungsvoll arbeiten, um Lösungen – und keine Scheinantworten – zu bieten.

Die Bürgerwehren glauben, sie seien der wahre Staat. Sie glauben, sie seien die wahre Polizei. Sie wollen eine Paralleljustiz aufbauen. Dem und auch der Unterwanderung unserer demokratischen Institutionen müssen wir entschieden entgegentreten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Masche ist immer die gleiche. Es wird ein aktuelles Thema aufgegriffen. Es werden Bürger zum Gedenken an dieses Ereignis eingeladen. Dabei geht es

den Extremisten aber nicht ernsthaft darum, Sorge und mitfühlende Anteilnahme mit Opfern von Straftaten zu zeigen. Vielmehr wollen sie dieses Leid instrumentalisieren und Bevölkerungsgruppen stigmatisieren. Dann schlägt das wie gestern in Herne zu Gewaltaufrufen und auch tatsächlich zu Gewalttaten um.

Herr Minister Reul, Sie haben in den unterschiedlichen Berichten sehr anschaulich geschildert, wie diese Mischszene inzwischen in Nordrhein-Westfalen agiert. Sie haben das sehr richtig analysiert und dargestellt. Sie haben auch darauf hingewiesen, dass die Rechte, die Identitäre Bewegung und auch Mitglieder der NPD dabei sind und dass es insbesondere diejenigen sind, die hetzen und die Stimmung aufheizen. Besonders gefährlich ist Folgendes: Diese Gruppen agieren sehr schnell und schüren damit den Eindruck, dass es tatsächlich eine große Gruppe ist, die hier versucht, Aufmerksamkeit zu bekommen.

Genau dieses Vernetzungsmanöver enttarnt diese Gruppen aber und zeigt, dass es sich tatsächlich um Teile einer rechtsextremistischen Struktur handelt – und eben nicht um Bürgerinnen und Bürger, die sich ernsthaft um die Sorgen und Nöte vor Ort kümmern wollen.

Es gibt auch viele – Frau Schäffer hat das angesprochen –, die diese Masche durchschauen und dann selbst auf die Straße gehen, ihr demokratisches Recht auf Demonstration nutzen und sich dagegenstellen.

Es muss heute auch der Appell an uns alle sein, dass wir hier gemeinsam ein klares Zeichen setzen, dieses Agieren enttarnen, die Menschen aus der Mischszene herausholen, die dort versehentlich hineingeraten sind, und deutlich machen, mit wem sie da eigentlich mitlaufen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Einzige, der das Gewaltmonopol in unserer Gesellschaft hat, ist der demokratische Rechtsstaat selbst – und niemand anders.

(Beifall von der SPD)

Eine Paralleljustiz oder eine Parallelpolizei lehnen wir ab. Das kann nur gelingen, wenn wir mit rechtsstaatlichen Mitteln diese Akteure in ihre Schranken weisen und heute gemeinsam als Demokraten hier ein klares Zeichen setzen. – Vielen Dank.