Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

(Lebhafter Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank. – Für die AfD hat nun der Abgeordnete Herr Seifen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Anträge der SPD kreisen seit zwei Jahren immer um dieselben Themen: die Gleichheit bei der Lehrerbesoldung, die Erweiterung und Konzeptualisierung von Schulsozialarbeit, den Ganztag sowie den Lehrermangel.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Genau!)

In allen drei Bereichen hätte die Vorgängerregierung – also unter SPD-Führung – ihre Arbeit machen müssen; denn der Lehrermangel ist zum Beispiel wohl die Folge einer langfristig falschen Personalpolitik.

(Zuruf: Falsch!)

Die eigentlichen Ursachen des schlechten Abschneidens von Schülern aus NRW bei den zentralen Lernstandserhebungen sprechen die SPD-Anträge allerdings nie an. Es ist aber offensichtlich auch gar nicht die Absicht der SPD-Anträge, in der Schule etwas zu verbessern. Die eigentliche Absicht linker Schulpolitik besteht in dem Weitertreiben ihrer bisherigen Agenda, nämlich der Zerstörung traditioneller Bildungsstrukturen.

(Zurufe: Oh!)

Wirft man dann noch einen Blick auf den im Antrag erwähnten „Dortmunder Denkzettel“, wird das noch einmal sehr deutlich. In der Pressemitteilung zum „Dortmunder Denkzettel“ redet man wieder mit den

gleichen Schlagworten wie vor 40 Jahren: Chancengleichheit herstellen, Schulen des Gemeinsamen Lernens stärken.

Oder im Zusammenhang mit dem Jubiläum der Gesamtschule heißt es dann – Zitat –:

„50 Jahre Gesamtschule NRW – Schluss mit der Benachteiligung der Gesamtschulen in NRW! Von der unsinnigen Vielfalt der Schulformen zur Schule der Vielfalt!“

Auch hier eine uralte ideologische Forderung linker Schulpolitik, die traditionell mit Freiheit und Ungleichheit nichts anfangen kann, sondern im Unterschied sofort die Diskriminierung vermutet. Die Linksideologen fordern die Vielfalt, aber sie dulden lediglich die Einfalt.

Die Klage einer Grundschulrektorin über die unhaltbare Arbeitsbelastung von Grundschullehrkräften wegen kindgerechter Gestaltung des Ganztags, der Entwicklung einer inklusiven Schule, des besonderen Unterstützungsbedarfs geflüchteter Kinder und einer umfassenden Sprachbildung nimmt man nicht etwa zum Anlass, diesen Zustand als Folge der eigenen verfehlten Schulpolitik anzuerkennen. Nein, man sieht sich nicht etwa als Verursacher dieser Misere, sondern man erstellt daraus die Forderung, eine Besoldungsanpassung vorzunehmen und damit die Unterschiede der Lehrämter aufzuheben. Das ist der einzige Grund, den Sie haben.

Es sind traditionelle Strukturen, die Linksideologen stets bekämpfen, auch wenn diese sich bewährt haben. Bedeutete früher der Begriff Reform eine Sache, die zu entgleiten drohte, wieder in ihre ursprüngliche Form zu bringen – Luther als großes Beispiel, der die Kirche reformieren wollte –, sie also zu befreien von allem zerstörerischen Beiwerk, das mit der Zeit die eigentliche Struktur deformiert hat, so verlegt sich der Reformbegriff der Gegenwart vordergründig auf das Neue und vor allem auf die angebliche Zukunft. Wenn Linksideologen diesen Begriff verwenden, dann meinen sie als Stoßrichtung ihrer Reformvorhaben die Destabilisierung institutioneller Rahmenbedingungen, gleichgültig wie recht und schlecht sie auch immer funktioniert haben.

Dass also nach den meisten Bildungsreformen die daran Beteiligten oder die davon Betroffenen stets den Eindruck haben – sofern ihr Urteilsvermögen nicht ganz getrübt ist –, nun einem Chaos ausgesetzt zu sein, in dem sinnvolle Arbeit immer schwieriger wird, indiziert die eigentliche Absicht: Das vorgeschobene Reformziel ist nicht das, was mit den Reformen erreicht werden soll. Vielmehr soll grundsätzlich der Abbau sinnvoller Strukturen erreicht werden.

So offenbart die Klage der Grundschulrektorin genau das, was ich gerade beschrieben habe. Die Beseitigung des AO-SF-Verfahrens in der Grundschule und das Verbot, Kinder mit besonderem Förderbedarf an

Förderschulen abzugeben, war zum Beispiel solch eine Strukturreform, die für Chaos an den Schulen gesorgt hat.

Man überlegt jetzt natürlich nicht, dieses Chaos zu beseitigen. Richtige Linksideologen bestechen dann vielmehr die so Geschädigten mit Geld.

Sie glauben also wirklich, meine sehr verehrten Kollegen der SPD, es würden sich mehr Personen dafür entscheiden, Grundschullehrer zu werden, wenn die Besoldung angehoben würde? Glauben Sie mir, es wären nur wenige, welche sich deshalb auf den Lehrerberuf an den Grundschulen einließen. Denn 65,5 % der durch den Verband Bildung und Erziehung befragten Lehrkräfte fühlen sich gerade von der Aufgabe, inklusiven Unterricht zu leisten, herausgefordert oder überfordert.

Aber auch das Gerechtigkeitsproblem ist damit nicht beseitigt. Über die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder von Lehrkräften an unterschiedlichen Schulformen haben wir hier bereits mehrfach gesprochen. International gesehen liegen die Lehrergehälter in Deutschland nicht schlecht. Im Jahre 2018 betrug der Durchschnitt der monatlichen Bruttolöhne bzw. Bruttogehälter je Arbeitnehmer in Deutschland 2.948 Euro, der Nettoverdienst je Arbeitnehmer etwa 1.945 Euro. Wenn wir uns das durchschnittliche Jahresgehalt in US-Dollar von Lehrern in Europa anschauen, belegt Deutschland beispielsweise nach einer OECDStudie – allerdings aus dem Jahr 2006 – mit rund 51.500 Euro Jahresgehalt die Spitzenposition.

Gerechtigkeit wird also nicht erzeugt. Die Arbeit wird auch nicht attraktiver. Aber man hat endlich wieder eine bewährte Struktur zerstört und die sinnvolle Unterscheidung der Lehrkräfte nach ihren Tätigkeitsfeldern eliminiert.

Nun zeigt sich, dass die Zerstörung der althergebrachten Strukturen der Lehrerausbildung im Rahmen des Bologna-Prozesses eine der größten Sünden war, die bildungspolitisch begangen werden konnten, wie der Bologna-Prozess überhaupt. Daran allerdings haben alle hier sitzenden Parteien mitgewirkt – außer der AfD.

(Zuruf von der SPD: Oi!)

Die Auflösung der Pädagogischen Hochschulen und die Aufstellung neuer Hürden für den Abschluss eines Grundschullehrerexamens ist neben der Arbeitsbelastung ein wichtiger Grund, dass wir unter solch einem großen Lehrermangel zu leiden haben. Herr Ott hat gerade darauf hingewiesen, wie viele Studentinnen und Studenten wir im Laufe des Studiums für Grundschullehrer und Grundschullehrerinnen verlieren. Ich hatte schon mehrfach darauf hingewiesen: Dieser Zwang zu der Kombination Deutsch/Mathematik und dazu noch Hürden in das Mathematikstudium einzubauen, die für manche nicht überwindbar sind, ist ein ganz maßgeblicher Grund dafür, dass

das Studium von Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern bei einigen leider Gottes nicht gelingt.

Das sind aber nur die Rahmenstrukturen, die man geändert hat.

Mindestens gleich wichtig sind die Zerstörungen, die bei den Unterrichts- und Erziehungsstrukturen angerichtet worden sind. Zu denen werde ich gleich noch etwas ausführen. Die Ausweitung des offenen Unterrichts, wie sie jetzt immer noch wieder gefordert wird, ist ein Hauptübel, das dazu beiträgt, dass die Lernerfolge eben nicht so sind, wie wir uns das wünschen.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Für die Landesregierung spricht nun die Ministerin Frau Gebauer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn kurz zu der Überschrift dieser Aktuellen Stunde: „Keine Geschenke der Schulministerin zum 100. Geburtstag der Grundschulen“ etwas sagen.

Das Wohl der Grundschulen darf nicht von einmaligen Geschenken zu besonderen Anlässen abhängen, sondern muss durch verlässliche Unterstützungsstrukturen gewährleistet werden, die im Dialog mit den Beteiligten erarbeitet werden müssen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Genau das tut diese Landesregierung. Wer mich kennt und meine Arbeit verfolgt, der weiß, dass mir die Grundschulen ganz besonders am Herzen liegen, auch wenn die Opposition etwas anderes behauptet. Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass in der Grundschule das Fundament gelegt wird, nämlich das Fundament für eine erfolgreiche Bildungskarriere unserer jungen Menschen.

Für diese erfolgreiche Bildungskarriere sind unsere Grundschullehrerinnen und -lehrer tagtäglich im Einsatz. Aufgrund der vielen unterschiedlichen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, leisten sie gestern, heute, aber auch morgen mehr als sie leisten müssten und als sie leisten können.

Unsere Aufgabe ist es, sie tagtäglich bei dieser herausragenden Leistung zu unterstützen. An dieser Unterstützung arbeite ich mit Hochdruck zusammen mit meinem Ministerium und unterschiedlichen Bildungspartnern. Wie das genau aussieht, würde ich Ihnen gern einmal darlegen.

Ich habe die Beiträge der Opposition sehr aufmerksam verfolgt und kann mich an der einen oder anderen Stelle nur wundern. Ich wundere mich darüber, dass sich die Fraktionen von SPD und Bündnis

90/Die Grünen heute als Robin Hood der Grundschulen aufspielen, obwohl sie die Hilfeschreie der wahrlich gebeutelten Grundschullehrerinnen und -lehrer über Jahre sehr wohl vernommen haben – ja, das haben sie –, aber erstens in ihrer Regierungsverantwortung nicht aus der Deckung gekommen sind und zweitens überhaupt nicht verantwortungsvoll gehandelt haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich das am Beispiel der Studienplätze darlegen. Sie haben es zugelassen, meine Damen und Herren von Rot-Grün, dass im vergangenen Jahrzehnt zwei von drei Bewerberinnen und Bewerbern für das Grundschullehramt von den Universitäten abgelehnt wurden, weil mit den Hochschulen keine Absprachen über neue Studienplätze erfolgt sind.

(Zuruf von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Diese Absprachen wären jedoch dringend geboten gewesen, um Studienplätze, die bereits vor Jahren zwingend notwendig waren, einzurichten. Das Ergebnis Ihrer Politik war, dass man mitunter leichter einen Medizinstudienplatz bekommen hat als einen Grundschullehramtsstudienplatz. Das ist rot-grüne Bildungspolitik des vergangenen Jahrzehnts.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Neben den fehlenden Studienplätzen gibt es aber auch noch andere Gründe, zum Beispiel die gestiegene Geburtenrate und die Pensionierungswelle. Die Zahlen hierzu finden ihren Niederschlag in einer Statistik, auch hier bei uns in Nordrhein-Westfalen, und können jederzeit abgefragt werden.

Meine grüne Amtsvorgängerin war aber leider nicht an Zahlen, Daten und Fakten interessiert. Sie war eher an einer gefühlten Realität interessiert, wie sie es auch selbst einmal zum Ausdruck gebracht hat. Mit einer gefühlten Realität kann man als Ministerin jedoch weder eine vernünftige noch eine langfristig angelegte geschweige denn eine proaktive Personalplanung betreiben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ein Schulsystem mit 6.000 Schulen, 200.000 Lehrkräften und 2,5 Millionen Schülerinnen und Schülern kann man nicht mit Gefühl voranbringen. Gefühl und Empathie sind wichtig, auch in der Bildungspolitik, aber wir brauchen hier harte Zahlen, mit denen wir verlässlich arbeiten können. Mithilfe dieser harten Zahlen haben wir jetzt entschlossen gehandelt und eine Kabinettsvorlage entwickelt, um weitere Studienplätze einzurichten.

Diese Fahrlässigkeit, diese Nachlässigkeit und das damit verbundene Fehlverhalten von Rot-Grün in der Vergangenheit hat zu dem heutigen, eklatanten Missverhältnis zwischen den vorhandenen Stellen

an den Grundschulen und den nicht vorhandenen Köpfen für das Grundschullehramt geführt. Das ist das Ergebnis siebenjähriger rot-grüner Personalpolitik.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Lieber Herr Ott, Sie haben die Schulpauschale angesprochen und gesagt – ich habe sehr aufmerksam zugehört –, dass Sie diese Erhöhung der Schulpauschale, die wir vorgenommen haben, als Standard ansähen.