Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Pinkwart, die Digitalpolitik der Landesregierung steckt im Stau, das wissen wir alle. Ganz viel wurde angekündigt, ganz viel wurde nicht weiter vorangetrieben, und bei vielen Dingen – wir haben im letzten Ausschuss nach der Digitalstrategie gefragt – weiß man auch gar nicht, wo man gerade steht.
Woran liegt das? Aus unserer Sicht hat das ganz viel mit der Haltung der Landesregierung, aber auch der regierungstragenden Fraktionen zum Thema „Digitalisierung“ zu tun. Wer in einem Antrag schreibt, dass alles, was digitalisiert werden könne, auch digitalisiert werden müsse, der macht damit deutlich, dass er Digitalisierung nicht verstanden hat und dass er das Thema eben nicht von den Menschen aus denkt, sondern dass er das Thema technologisch und ökonomisch getrieben denkt. Das ist der große Fehler dieser Landesregierung.
Deshalb haben wir Anfang dieses Jahres eine Digitalisierungstour durch Nordrhein-Westfalen gemacht. Wir haben mit Menschen in der Pflege, mit den Beschäftigten in der Industrie, mit Lehrerinnen und Lehrern gesprochen und sie gefragt, welche Erwartungen sie eigentlich an die Politik haben, wenn wir über den digitalen Wandel sprechen.
Daraus haben wir den Antrag entwickelt, der Ihnen allen vorliegt und der drei Schwerpunkte hat: digitale Bildung, die Zukunft der Arbeit und digitale Teilhabe. Wir wissen, das sind drei wesentliche Schwerpunkte, die die Menschen in diesem Land interessieren, für die wir politische Maßnahmen entwickeln müssen, damit der digitale Wandel am Ende zu einem Erfolg für alle wird.
Was bedeutet das? Wir erinnern uns an das Wahlkampfplakat der FDP: „Das Digitalste in der Schule dürfen nicht die Pausen sein“. Wenn wir uns die Schulen heute anschauen, dann stellen wir fest, dass es leider immer noch die Pausen sind, dass sich da ganz wenig getan hat.
Es musste erst ein Sozialdemokrat Bundesfinanzminister werden, damit ein wirklicher Meilenstein in der digitalen Bildung erreicht wurde. Mit dem DigitalPakt haben wir einen wichtigen Fortschritt geschaffen. Die FDP-Schulministerin hat dazu leider noch nicht viel auf den Weg gebracht.
Wir sind froh, dass es jetzt endlich die Plattform LOGINEO geben soll. Aber ich sage Ihnen: An den Schulen, an denen wir waren, haben wir festgestellt, dass ganz viele schon längst mit anderen Plattformen arbeiten, weil sie nicht warten wollten. Und sie haben ganz klar gesagt: Wir sind auch nicht bereit zu wechseln. – Das heißt, es ist schön, dass die Plattform jetzt da ist, aber ob sie überhaupt genutzt wird, steht auf einem anderen Stern.
Wir bitten aber auch, die Datenschutzbedenken bei dem Thema ernst zu nehmen. Dafür braucht es eine angemessene Ausstattung der Lehrerinnen und Lehrer. So viel zumindest sollte das der Landesregierung doch wert sein. Da muss noch einiges getan werden.
Gleiches gilt für das Thema „digitale Infrastruktur“. Florian Braun hat mich letztes Mal korrigiert und gesagt, es stimme gar nicht, dass nur 21 % der Schulen an das Glasfasernetz angeschlossen seien. Ich habe es noch einmal nachgeschaut: Es steht leider in Ihren eigenen Unterlagen. Sie haben gesagt, wir seien bei 40 %. In der Gigabit-Strategie und in den aktuellen Zahlen von Oktober 2019 ist aber von 21 % die Rede. Mir fehlt, ehrlich gesagt, die Fantasie, wie so tatsächlich eine erfolgreiche digitale Bildung an den Schulen weiterentwickelt werden soll.
Das zweite große Thema für uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Zukunft der Arbeit. – Ich weiß, lieber Herr Minister Pinkwart, Sie können nicht alles in dieser Landesregierung machen. Aber es wäre schon erfreulich, wenn Minister Laumann aus seinem digitalen Winterschlaf erwachen und irgendetwas dazu anstoßen würde.
Denn wir wissen, die Beschäftigten in den Betrieben warten auf Antworten. Sie warten auf Lösungen, weil viele Angst haben, ihren Job zu verlieren, weil viele wissen, sie werden in Zukunft mit einer künstlichen Intelligenz oder mit einem Roboter zusammenarbeiten müssen. Dafür braucht es politische Maßnahmen.
Es gibt unglaublich viele Chancen, gerade in der Arbeitswelt – egal, ob wir über mobiles Arbeiten, über Qualifikationen oder auch über ganz neue Formen des Zusammenarbeitens sprechen. Wann wird Herr Laumann da endlich tätig? Es ist schön, dass er unserem Beispiel gefolgt ist und auch eine Digitalisierungstour durch unser Land gemacht hat. Die Konsequenzen und die Folgen daraus stehen aber weiterhin aus. Wir erwarten als SPD, dass Herr Laumann da endlich tätig wird und aus dem Winterschlaf erwacht, damit es kein Albtraum für uns alle wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns liegt ein drittes Thema sehr am Herzen – bei der Landesregierung sehe ich dieses Thema, ehrlich gesagt, noch überhaupt nicht angepackt –, nämlich das Thema „digitale Teilhabe“. Viele Menschen haben gerade das Gefühl, dass sie beim Tempo des digitalen Wandels
Ich finde, dass es unsere Verantwortung als Politik ist, dafür zu sorgen, dass niemand auf dem Weg in die digitale Gesellschaft, auf dem wir uns befinden, zurückgelassen wird.
Deshalb müssen wir jetzt darauf achten, wenn wir die Verwaltung digitalisieren, dass die Menschen, die vielleicht noch nicht so digitalaffin sind, weiterhin analoge Angebote vorfinden. Vor allem müssen wir flächendeckende Angebote vorhalten, um auch alle fit für diese digitale Zukunft zu machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in Ostwestfalen-Lippe ein richtiges tolles Projekt. Dieses Projekt mit dem Namen „Smart Country Side“ kann ich der Landesregierung nur zur Nachahmung empfehlen. Denn es zeigt, dass gerade in den ländlichen Gebieten viele Menschen die Chancen des digitalen Wandels wunderbar nutzen können, wenn sie auch eingebunden werden. Da gibt es Dorfkonferenzen, bei denen sich alle treffen und dann gemeinsam überlegen: Wo liegen eigentlich die Chancen für uns im ländlichen Raum? Wie können wir Mobilität neu organisieren? Wie können wir Nachbarschafts-Chats einrichten? Wie können wir vielleicht auch einmal einen Facebook-Gottesdienst für diejenigen organisieren, die selber nicht mehr so mobil sind?
Es gibt unglaublich viele Chancen. Wir sollten sie aber auch nutzen. Für uns bedeutet das, dass wir die digitale Bildung vorantreiben müssen, dass wir die Zukunft der Arbeit im Sinne der Beschäftigten gestalten müssen und dass wir uns vor allem um das Thema „digitale Teilhabe“ kümmern müssen, damit kein Mensch auf diesem Weg zurückgelassen wird.
Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie diesem Beispiel folgen und unserem Antrag am Ende auch zustimmen würden. – Ganz herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU-Fraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Braun das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Christina Kampmann, ich bin schon verwundert, weil Sie jetzt mehrfach den Vorwurf erhoben haben, wir würden behaupten, alles, was digitalisiert werden könne, müsse digitalisiert werden. Das ist tatsächlich einfach falsch zitiert. Wir sagen: Wir stellen fest, dass das, was digitalisiert werden kann, digitalisiert wird.
Das ist erst einmal eine Sachstandsbeschreibung dessen, dass technologischer Fortschritt stattfindet. Damit müssen wir uns politisch auseinandersetzen.
Erster Punkt im Antrag – gerade in der Rede nicht groß berührt –: Breitbandausbau. Die SPD erhebt den Vorwurf, es sei nicht viel passiert. Seien wir einmal ehrlich: Erst vor Kurzem ist die Fördersystematik auf reine Glasfaseranschlüsse geändert worden. Zuvor gab es jahrelang genau ein Ziel: 50 Mbit/s. Für diese bis dato zaghafte Förderung, vielleicht auch für eine schuldhafte Verzögerung des Gigabit-Ausbaus, können wir uns gemeinsam bei den Kollegen in Berlin bedanken – sprich: bei CDU und SPD.
Genauso können wir positiv attestieren, dass die Kollegen in Berlin zuletzt den Mut hatten, die Förderung auf Glasfaser zu fokussieren. Wenn Sie jetzt aber Fehler bei der Landesregierung suchen, stehen Sie in diesem Punkt auf verlorenem Posten.
Wir können das auch gerne anhand von Zahlen genauer betrachten. Schauen wir uns die Entwicklung der Hausanschlüsse mit mehr als 50 MBit/s an. In rotgrüner Regierungszeit ist die Versorgungsquote im Jahresschnitt um 3,5 % gewachsen. Seit die NRWKoalition übernommen hat, liegen wir bei knapp 5 % Wachstum pro Jahr. 3,5 % Wachstum bei Rot-Grün, 5 % Wachstum bei CDU und FDP! So viel zu dem Vorwurf, die Landesregierung gehe zu langsam voran.
Was die Landesregierung tut, sehen wir auch, wenn wir uns konkret Schulen und Gewerbegebiete anschauen. Natürlich ist unser Anspruch, Schulen und Gewerbegebiete gigabitfähig zu machen. Immerhin haben wir, die NRW-Koalition, mit Regierungsübernahme erstmals diesen Anspruch formuliert und arbeiten tatkräftig daran. Ich will sagen: Das geht voran. Aber lassen Sie uns gleichzeitig auch keine Augenwischerei betreiben. Man darf nicht denken, dass das übermorgen abgeschlossen wäre.
Sie wollen stolz auf das sein, was Rot-Grün uns hinterlassen hat. Dann machen Sie sich zumindest einmal bewusst, dass bei Regierungswechsel über 52 % aller Schulen bereits mit über 100 Mbit/s versorgt waren und sogar 86 % mit über 50 Mbit/s. Ähnliches gilt für Gewerbegebiete. Seitdem zieht sich das Versorgungsnetz immer enger, und die Anschlussqualitäten steigen peu à peu.
Gerade haben Sie gesagt, ich hätte irgendeine Zahl in den Raum gestellt. Sie haben jedenfalls eben von 21 % der Schulen gesprochen, die ans Gigabitnetz angeschlossen sind. In Ihrem eigenen Antrag, den Sie vor zwei Wochen hier eingereicht haben, sprechen Sie noch von 17 %. Wenn wir in diesem Land offenbar eine Steigerung um 4 Prozentpunkte innerhalb von zwei Wochen hinbekommen haben, ist mir,
ehrlich gesagt, nicht bange darum, dass es in der näheren Zukunft ebenfalls schnell vorangeht. Dann sind wir tatsächlich auf einem guten Weg und haben ein gutes Tempo drauf.
Ich glaube jedenfalls, dass wir mit den von uns geschaffenen Netzwerken von Gigabit-Geschäftsstellen in jedem Regierungsbezirk, mit den Gigabit-Koordinatoren in den Kommunen und mit den Bemühungen der ausbauenden Unternehmen – dank der Landesregierung konnten mittlerweile 900 Millionen Euro Fördergelder akquiriert werden – einen guten Weg beschreiten.
Liebe SPD, wenn Sie einen Beitrag zu einem noch zügigeren Ausbau im Land leisten wollen, sprechen Sie doch bitte mit Ihren Bürgermeistern, um Baugenehmigungen für entsprechende Vorhaben zu beschleunigen, oder laden Sie uns gerne in Ihre Wahlkreise ein, damit wir gemeinsam an den grauen Flecken arbeiten können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie thematisieren in diesem Antrag die Bedeutung von digitaler Bildung. Kollege Jochen Ott wird dazu auch gleich noch in die Bütt gehen; so ist es zumindest angekündigt. Wahrscheinlich wird er in seinem Wortbeitrag mal wieder selbstkritisch betonen, dass die SPD digitale Bildung in ihrer Regierungszeit verschlafen habe, man aber jetzt endlich handeln müsse.
„Das Erlernen digitaler Kompetenzen ist für die Schülerinnen und Schüler unseres Landes von elementarer Bedeutung.“
Das trage ich voll und ganz mit. Deshalb begrüße ich den DigitalPakt mit über 1 Milliarde Euro für Nordrhein-Westfalen. Deshalb begrüße ich die Modernisierungsmittel für die Ausstattung der Klassenzimmer. Deshalb begrüße ich die Überarbeitung der Lehrpläne und des Medienkompetenzrahmens. Deshalb begrüße ich die Pläne der NRW-Koalition für die Lehrerfortbildung. Deshalb begrüße ich auch die Ankündigung der Bildungsministerin vom 19. November dieses Jahres zur Einführung des Schulfachs Informatik in allen Schulformen.
Die niedergeschriebene Forderung des Antrags ist damit obsolet. Der Vorwurf, man wolle Informatik nur an Gymnasien einführen, ist sogar schlicht falsch.
Dass der Kölner Schul-IT-Betrieb lobend erwähnt wird, freut mich als Kölner natürlich. Ich teile diese Ansicht. Andere Kommunen können sich da sicherlich manches abgucken. Ihre Fantasie bezüglich einer neuen Landesbehörde teile ich jedoch nicht.
Die SPD stellt im Antrag wieder die These in den Raum, durch die Digitalisierung würden Arbeitsplätze wegfallen. Auch hier lautet mein klarer Appell, liebe SPD, nicht weiter Ängste zu schüren und sich ehrlich mit den Fakten auseinanderzusetzen. Bisherige Entwicklungen und wissenschaftliche Prognosen sagen ganz deutlich aus, dass sich zwar Aufgabenbereiche ändern, aber insgesamt mehr Jobs entstehen werden. Ich würde mich freuen, wenn Sie auch das einmal zur Kenntnis nähmen und darin vielleicht sogar eine Chance sähen.
Das Erstaunlichste ist in diesem Zusammenhang aber aus meiner Sicht Folgendes: Die SPD fabuliert in ihrem Antrag weitreichend über Bildung, Arbeit und Teilhabe. Nach Lesen des Antrags habe ich mir aber verwundert die Augen gerieben und festgestellt, dass im Antrag kein Wort zur Weiterbildung steht. Dabei ist gerade dies das relevante Stichwort, wenn man sich mit einer sich ändernden Arbeitswelt und deren Auswirkungen auseinandersetzen will.
Nun ja. Vielleicht hat es damit zu tun, liebe Christina Kampmann, dass die SPD bereits letzte Woche eine Kampagne zu dem Antrag gefahren hat. Es gab tolle bunte Posts und sogar einen Talk mit einem Bundesminister. Ein Schelm, wer denkt, dass dieser doch eher unkreative Antrag nur für die Buzzword Publicity gestellt wurde!
In Ihrer Pressemitteilung zu der Veranstaltung haben Sie die Weiterbildung sogar als Schlüssel genannt. Im Antrag und auch in Ihrer Rede haben Sie aber kein Wort darüber verloren.