Ich komme zu einem weiteren Punkt Ihrer Begründung, den sie gerade vorgetragen haben: die Gleichberechtigung der Frau – also zu diesem gigantischen Emanzipationsgedanken, den Sie geäußert haben. Auf Plakaten – „Bunt statt Burka“ – werben Sie mit Frauenbrüsten – das Plakat fokussiert auf Frauenbrüste –
und bei „Bikini statt Burka“ mit Frauenpopos in knappen Bikinis. Also das ist mal ein differenziertes, aufgeklärtes, progressives und nicht instrumentalisierendes Frauenbild! – Chapeau!
In Ihrem Programm wollen Sie wieder die Scheidung nach dem Schuldprinzip und die Gesinnungskontrolle bei Alleinerziehenden. Sie stellen die staatliche Grundversorgung für viele der Ärmsten der Armen, nämlich alleinerziehende Frauen, infrage und wollen gerade diesen Frauen, die viel mehr Hilfe von uns brauchen, im Regen stehen lassen. Sie stellen sich gegen die Genderforschung und machen Propaganda gegen Werbemaßnahmen anlässlich des Equal Pay Day.
Solange Sie diesen Blick auf Frauen haben, sollten Sie nicht über Gleichberechtigung schwadronieren.
Ihre Frauenpolitik, die auch die Vollverschleierten trifft, speist sich aus den Gedankengängen frustrierter alter Männer.
Inhaltlich habe ich jetzt eigentlich alles gesagt. – Ich habe aber noch einen anderen Punkt. Kürzlich rief hier ein Mitglied Ihrer Fraktion zum Ministerpräsidenten, als dieser seine Rede hielt: Sie könnte man auch entsorgen! – Sie maßen sich an, Personen zu benennen, die entsorgt werden können.
Herr Ministerpräsident Laschet ist unser Ministerpräsident. Das kann mir gefallen oder nicht, aber es ist so. Ich werde auf allen demokratischen Wegen dafür kämpfen, dass die SPD bei den nächsten Landtagswahlen wieder stärkste Fraktion wird und er dann kein Ministerpräsident mehr sein kann. Aber eines ist völlig unstrittig: Dem Amt des Ministerpräsidenten gilt es Respekt zu zollen – und der Person auch!
(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN – Andreas Keith [AfD]: Und der Bundeskanzlerin auch!)
Das hat das Amt und das hat die Person verdient! Und das Gleiche gilt übrigens auch für die Bundeskanzlerin. Es ist unerträglich und geschmacklos, was wir hier erleben!
Ich weiß nicht, woraus sich Ihre Grundhaltung im Verhalten speist. Meine Mutter hätte gesagt: Das ist schlechtes Benehmen! – Und ich darf Ihnen sagen: Das ist keine preußische Tradition.
Ich füge hinzu: Es hat etwas mit schlechtem Benehmen zu tun, und es hat etwas mit einem wenig wertschätzen Menschenbild zu tun. Das ist erschreckend!
Deswegen halte ich es hier auch mit Kurt Schumacher: „Mit Ihnen politisiere ich nicht.“ Da fehlt mir das Niveau. – Vielen Dank.
Zwischenrufen ist die parlamentarische Ordnung einzuhalten. Ich erteile Ihnen einen nicht förmlichen Ordnungsruf für den Ausdruck, den Sie eben verwandt haben. So gehen wir hier im Parlament nicht miteinander um, auch bei unterschiedlicher politischer Meinung. Hier herrschen Wort und Widerwort und nicht Beschimpfungen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Gesicht zeigen – das können wir von jedem, der in unserer freiheitlichen Demokratie lebt, verlangen. Gesicht zeigen – richtig, Herr Wagner –, das ist auch eine Redewendung und der Name eines Vereins, der im Jahre 2000 gegründet wurde und sich mit Rechtsextremismusprävention beschäftigt. Beides ist wichtig. Beide Forderungen nach „Gesicht zeigen“ richten sich aber auch an unterschiedliche Adressaten. Beides ist für eine Demokratie lebenswichtig.
Wichtig ist zum einen die Forderung, Gesicht zu zeigen für eine weltoffene Gesellschaft. Diese richtet sich an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Wir fordern von diesen Zivilcourage und richten uns gleichzeitig gegen nationalistische Forderungen und Angriffe.
Wichtig ist zum Zweiten die Forderung, dass die Frauen Gesicht zeigen, die aus islamischen Ländern kommend in unserer Demokratie leben und arbeiten möchten. Denn sie wollen dann zu einem Teil unserer weltoffenen Gesellschaft werden. Dazu sollten sie auch Gesicht zeigen.
Mit Verweis auf die Menschen- und Grundrechte wird zum Teil darauf abgestellt, dass eine freie Gesellschaft einer Frau nicht verbieten dürfe, sich anzuziehen, wie sie wolle, und davon sind Niqab und Burka mit umfasst.
Diese verfassungsrechtliche bzw. auf die Menschenrechte abstellende Diskussion könnte im Grundsatz entschieden sein, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, wie Sie eben auch schon sagten, 2014 und jetzt erneut 2017 entschieden hat, dass ein Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum rechtmäßig sein kann. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte könne ein derartiges Gesetz in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein und dadurch die Rechte aus den Art. 8, 9 und 14 der MRK nicht verletzt werden.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es stellt sich doch auch bei uns in NRW die Frage, ob ein solches Gesetz notwendig ist oder sein könnte oder – was die Alternative wäre – ob es keinem dringenden
sozialen Bedürfnis entspricht und damit unverhältnismäßig ist. Genau diese Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dem Gesetzgeber überlassen und sich nicht festgelegt.
Ist ein solches Verbot also notwendig für unsere demokratische Gesellschaft und für die Integration in NRW, oder besteht hierfür kein soziales Bedürfnis? Wenn es kein soziales Bedürfnis gibt, dann benötigen wir es nicht.
Diese Fragen sind zu klären, und das werden wir im Ausschuss tun. Hierzu, „meine lieben Freunde von der AfD“, genügt ein Plagiat aus Niedersachsen mit Sicherheit nicht, um eine Antwort darauf zu finden.
Abschließend möchte ich noch kurz auf den vorliegenden Gesetzentwurf eingehen. Wir werden ihn ja noch ausführlich in den Fachausschüssen beraten, aber so viel sei bereits jetzt angemerkt: Jedes Detail einer gesetzlichen Regelung muss für sich genommen mit Blick auf die Religionsfreiheit hohen und höchsten Anforderungen genügen und verhältnismäßig sein. Bei dem vorliegenden Regel-AusnahmeKatalog scheint mir dies nicht gewährleistet zu sein.
Einerseits ist er zu eng. Andererseits wird er den integrationspolitischen Notwendigkeiten nicht gerecht. Denn er enthält eine Rückausnahme für sämtliche privaten Einrichtungen und damit zum Beispiel auch für privat betriebene Bildungseinrichtungen und Kitas.
Herr Dr. Pfeil, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Der Kollege Seifen von der AfD würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Ich sage nur noch: Wir stimmen der Überweisung an den Ausschuss zu. – Die Frage kann er mir jetzt stellen.
Recht herzlichen Dank, Herr Dr. Pfeil. – Mich würde interessieren: Inwiefern halten Sie es für ehrenrührig, dass eine Partei – welche auch immer – etwas aufgreift, das eine andere Partei
Ehrenrührig ist das nicht. Ich habe ja nur gesagt, dass es ein Plagiat ist. Es ist abgeschrieben. Mehr habe ich dazu gar nicht gesagt. Die Bewertung überlasse ich Ihnen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Pfeil. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Schäffer.