Protokoll der Sitzung vom 15.09.2017

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

In der „Aachener Zeitung“ vom 2. September 2017 ist zu lesen:

„Der neue NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sieht Chancen, das Klimaziel der rot-grünen Vorgängerregierung sogar zu übertreffen.

Es sei möglich, bis 2020 im Vergleich zu 1990 die CO2-Emissionen um mehr als 25 % zu reduzieren, sagte Pinkwart gestern. Dazu beitragen könne bei flankierenden Hilfen von EU und Bund eine Verringerung der Braunkohlekapazitäten über das bisher beschlossene Maß hinaus. Er könne sich vorstellen, noch mehr als nur fünf Kraftwerksblöcke herauszunehmen, sagte Pinkwart.“

Lieber Kollege Brockes – Wo ist er denn? Da hinten! –, ist das jetzt der entfesselte Ausstiegsethos der FDP? Herr Brockes, seit wann ist das Ihre Position? Mir war das eine völlig neue Positionierung der Freien Demokraten in dieser Frage. Sie haben gleich Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.

(Beifall von der SPD)

Ich will die Zeit auch nutzen, um zu unserer Position etwas zu sagen. Wir brauchen jetzt keine Debatte um ein neues Kohleausstiegsdatum. Die Wahrheit ist, dass wir jetzt fünf Blöcke in die Sicherheitsbereitschaft geben, die dann sukzessive abgeschaltet werden; das bedeutet 15 % CO2-Einsparungen im Rheinischen Revier.

Hinzu kommt, dass der Tagebau Inden und das Kraftwerk Weisweiler bei Karl Schultheis vor der Tür abgeschaltet werden. Wenn man darunter einen Strich zieht, werden wir bis zum Jahr 2030 im Rheinischen Revier 40 % bis 50 % CO2-Reduktionen in der Braunkohle haben. Zeigen Sie mir einen anderen Sektor oder zeigen Sie mir bei der Mobilität, bei der Wärme, beim Wohnen oder bei der Landwirtschaft

einen anderen Bereich, der solche CO2

Einsparungen liefert. Das gibt es nicht.

Wir haben an dieser Stelle eine klare Vorleistung, die erbracht wird. Ich denke, es ist richtig, zu sagen:

Lasst uns mal im Jahr 2030 schauen, wie weit wir dann mit dem weiteren Aufwuchs erneuerbarer Energien sind.

Lasst uns mal schauen, wie weit wir dann mit der Speichertechnologie sind, die in großen Teilen noch entwickelt werden muss.

Lasst uns schauen, wie weit wir mit dem Netzausbau sind, und lasst uns schauen, wie viel Kohle wir dann noch für die Stromerzeugung oder vielleicht auch für intelligentere Dinge benötigen – ich sage nur: stoffliche Nutzung von Braunkohle als Rohstoff für die chemische Industrie.

Das ist viel intelligenter, als diese Themen jetzt mit immer neuen Ausstiegsforderungen anzugehen.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Die CDU-Position ist eine andere. Ich weiß nicht, wer von Ihnen das Sommerinterview der Bundeskanzlerin im ZDF angeschaut hat.

(Zuruf: Gute Güte, nein!)

Frau Merkel hat zur Feststellung, dass sie möglicherweise das 40-%-Ziel 2020, bezogen auf 1990, nicht einhalten könne, erklärt, man könne dann ja in der kommenden Wahlperiode über ein Kohleausstiegsdatum sprechen. Frau Plonsker, war das eine Einladungskarte an künftige Koalitionspartner? So viel zur Standhaftigkeit der CDU an dieser Stelle.

Da muss man klar Kante zeigen. Man muss deutlich machen, dass man den Reduktionsplan, der beschlossen ist und der bedeutet, dass 1.500 Arbeitsplätze hoffentlich sozialverträglich abgebaut werden, nicht mit immer neuen nationalen Klimaschutzzielen konterkariert. In Wirklichkeit stimmt unser Braunkohlefahrplan sehr gut mit den nationalen Klimaschutzzielen überein.

Was nicht zusammenpasst – da hat Frau Kollegin Plonsker völlig recht – sind die nationalen Klimaschutzziele und das europäische Handelssystem, weil der Kohleausstieg an dieser Stelle quasi zu einer Doppelregulierung führen würde. Wir würden mit jeder Kohlemenge, die wir mit nationalen Maßnahmen zusätzlich einsparen, dafür sorgen, dass Erzeugung und Emissionen in andere europäische Nachbarländer verschoben werden.

Wir würden außerdem – das wird wenig betrachtet – auch einen Preiseffekt auslösen, weil wir einen dämpfenden Effekt auf den CO2- Preis künstlich erwirken. Ich finde das doppelt kontraproduktiv und – ich muss es auch einmal so sagen – außerdem antieuropäisch, weil Sie hier bewusst europäische Steuerungsmechanismen hintertreiben.

Wir fordern deshalb klar: Ende Gelände für ideologische Symbolpolitik auf Kosten von Beschäftigten und deren Familien, die in Wahrheit gar nichts für den Klimaschutz bewirken. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege van den Berg. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Brockes das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr van den Berg hatte beklagt, dass vorhin nicht auf den Ministerpräsidenten eingegangen wurde. Ich mache das gerne.

Ministerpräsident Armin Laschet hat in seiner Regierungserklärung deutlich gemacht, dass unser Land in den kommenden fünf Jahren vor einer enormen Anzahl von Herausforderungen steht. Viele davon liegen gerade auch im Energiebereich. Hierzu gehören der Ausstieg aus der Steinkohleförderung im kommenden Jahr und die Beendigung der friedlichen Nutzung der Kernkraft im Jahr 2022. Diese Liste lässt sich nach Belieben verlängern; denn die Große Koalition und insbesondere die SPD-Ministerinnen Frau Zypries und Frau Hendricks hinterlassen in dieser Legislaturperiode leider viele offene Baustellen in der Energiepolitik.

Es ist deswegen nur folgerichtig, dass sich der Landtag des Energielandes Nummer eins intensiv mit den aktuellen Herausforderungen in der Energie- und Klimapolitik beschäftigt. Hierzu gehören auch Fragen zur Zukunft der Kohleverstromung und wie gewährleistet werden kann, dass die Versorgung der Bürger und der Unternehmen mit Strom zu jeder Tages- und Nachtzeit gesichert bleibt.

Auf eine solche Debatte, Frau Kollegin Brems, hätte ich mich, ehrlich gesagt, gefreut. Den Grünen – das zeigte auch Ihr Redebeitrag eben – geht es aber um etwas anderes. Sie wollen hier eine Woche vor der Wahl Wahlkampf-Effekthascherei betreiben. Das ist der eigentliche Grund Ihres Antrags; deshalb auch die direkte Abstimmung.

Die Ein-Themen-Partei Bündnis 90/Die Grünen

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Oh!)

greift eine Woche vor der Bundestagswahl zu ihrem letzten Strohhalm.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Matthi Bolte-Richter [GRÜNE])

Eine Woche vor der Bundestagswahl wollen Sie erneut versuchen, was Ihnen schon kurz vor der Landtagswahl nicht gelungen ist. Dort haben Sie mit Ihrem leider nicht anwesenden ehemaligen Umweltminister

den damaligen Sechs-Punkte-Plan für den Kohleausstieg aus der Mottenkiste geholt und um ein paar Absurditäten bereichert.

Bemerkenswert dabei ist: Das haben Sie gemacht, obwohl Sie selbst – in Regierungsverantwortung – die Leitentscheidung für den Braunkohletagebau Garzweiler beschlossen und gleichzeitig die richtige Feststellung getroffen haben, dass der Braunkohleabbau energiewirtschaftlich erforderlich ist. Ja, Frau Kollegin Brems, so schnell ändert sich alles: Sie stehen heute schon nicht mehr zu dem stehen, was Sie früher beschlossen haben.

(Beifall von der FDP)

Heute wollen Sie das alles über den Haufen werfen: sofort 20 Kohlekraftwerke abschalten, davon zehn in Nordrhein-Westfalen, alles nach dem Motto: Was schert mich mein Geschwätz von gestern, wenn es mir Wählerstimmen bringt?

Sie haben auch keine Antwort auf die Frage, wie wir zukünftig mit Strom versorgt werden sollen, wenn die Kohlekraftwerke abgeschaltet sind.

(Wibke Brems [GRÜNE]: Quatsch!)

Wenn man mal die Szenarien aus den elf Eckpunkten von Agora Energiewende für einen angeblichen Kohlekonsens zugrunde legt – diesen sogenannten Kohlekonsens fordern Sie ja auch –, dann müssten demnach bis zum Jahr 2050 bundesweit 20 GW an Gaskraftwerken zugebaut werden. Das ist eine Entwicklung, die vollkommen illusorisch ist. Keiner wird Gaskraftwerke bauen, solange die mit Milliardenbeträgen über das EEG geförderten erneuerbaren Energien den Börsenpreis in den Keller treiben, weil sich der Betrieb eben nicht rechnet. Wie unglaubwürdig wollen Sie sich in der Energiepolitik eigentlich noch machen, meine Damen und Herren von den Grünen?

Darüber hinaus schrecken Sie wieder einmal nicht davor zurück, die Menschen in Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit Schwefeldioxid- und Quecksilberemissionen in Angst und Schrecken zu versetzen und dies zu instrumentalisieren. Mit Angst wollen Sie Politik machen. Das ist ein schlechter Unterstützer.

(Wibke Brems [GRÜNE]: Das ist ein Witz!)

Um es klar zu sagen: Für uns Liberale steht der Gesundheitsschutz an erster Stelle. Quecksilberemissionen sowie Schwefeldioxidemissionen müssen selbstverständlich gesenkt werden, aber doch bitte auf einer fachlichen, seriösen Grundlage.

Das genau ist doch die Streitfrage: Hat die EUKommission fachlich über jeden Zweifel erhabene Grundlagen zurate gezogen, als die neuen Grenzwerte bestimmt wurden? Wenn die Experten sagen, die EU-Kommission habe unausgewogene und feh

lerhafte Daten zugrunde gelegt und die Festlegungen entsprächen nicht dem Gebot fachlicher Richtigkeit, dann muss das meines Erachtens verbindlich geklärt werden – notfalls über den Europäischen Gerichtshof.

Das jetzt anzuprangern, ist aus meiner Sicht scheinheilig, weil es doch Ihr früherer Umweltminister Remmel war, der mit einem Gutachten zur Quecksilberminimierung genau diese Grenzwerte gehoben hat, obwohl dem Gutachten nach seiner Veröffentlichung von der Fachwelt sofort die erforderliche fachliche Eignung aberkannt wurde.

Sie schreiben in Ihrem Antrag, das NRW-Gutachten sei zu dem Ergebnis gekommen, dass mit relativ einfachen und günstigen Mitteln die Quecksilberemissionen um 80 % bis 85 % reduziert werden können. Die Kosten würden den Strompreis um weniger als 1 % erhöhen. Um weniger als 1 % – irgendwoher kenne ich diese Debatte aus dem Energiebereich. Sie kommt mir bekannt vor.

Sie können das gerne so häufig wiederholen, wie Sie wollen, aber durch wird es auch nicht richtig. Ich verweise hier zum Beispiel auf das detaillierte Gutachten von Herrn Prof. Dr. Carter. Er belegt plausibel, dass nicht nur die Kosten systematisch unterschätzt wurden, sondern auch, dass die amerikanischen Grenzwerte nicht korrekt umgerechnet wurden.

Für CDU und FDP gilt: Selbstverständlich sind die fossilen Energieträger in der Pflicht, die steigenden Anforderungen des Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutzes zu erfüllen. Deshalb haben wir dies in unseren Koalitionsvertrag geschrieben. Dafür werden wir sorgen, aber auf einer sachlichen und ideologiefreien Grundlage. Deswegen werden wir Ihren Antrag heute auch ablehnen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Als nächster Redner erhält für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Dr. Blex das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.