Protokoll der Sitzung vom 11.10.2017

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Becker. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der AfD Frau Abgeordnete Dworeck-Danielowski das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eins wissen wir leider seit Jahren: Deutschland wird deindustrialisiert.

Das ist sehr bedauerlich, und es trifft am härtesten die Arbeitnehmer, die nämlich von recht gut bezahlten Industriearbeitsplätzen auf in der Regel ziemlich schlecht bezahlte Dienstleistungsjobs umsatteln müssen.

Wer aber trägt die Verantwortung für dieses Desaster? Tja, das ist natürlich in erster Linie die sogenannte Arbeiterpartei, die SPD, vor allem mit ihren Hochburgen im Ruhrgebiet, und zur Seite hat sie in der Regel die Gewerkschaften als ihre Hilfstruppen.

(Lachen von der SPD)

Sie haben es allesamt zugelassen. Es gibt ja in Ihren eigenen Reihen zahlreiche Gewerkschafter – wir haben gerade einem prominenten Beispiel, Herrn Römer, gelauscht. Man stellt sich allerdings die Frage, wo diese Gewerkschafter und diese Sozialdemokraten waren, als beispielsweise die Energiewende auf den Weg gebracht wurde. Diese hat zu einem Höchstmaß an Unsicherheit bei Industrieinvestitionen geführt, da Sie nie genau wissen, wann und auf wen das EEG ausgeweitet wird.

Besonders ärgert mich, dass Arbeitsplatz nicht gleich Arbeitsplatz zu sein scheint. Als beispielsweise der DGB 2015 im Interesse der IG BCE Unterschriften unter dem Motto „Bezahlbaren Strom und gute Arbeitsplätze“ sammelte – gerade mit Blick auf die Bedeutung der fossilen Energie für die Sicherheit und Planbarkeit vieler Arbeitsplätze im Ruhrgebiet –, hat die IG Metall mit ihren fast 2,3 Millionen Mitgliedern lächerliche 10.000 Unterschriften zusammenbekommen. Und von ver.di will ich in diesem Zusammenhang gar nicht reden. Die haben ihre Kollegen nämlich im Stich gelassen und diese Kampagne nicht einmal beworben, weil sie für erneuerbare Energien sind.

Auch hier wird wieder deutlich: Die Gewerkschaften verkommen zunehmend zu Parteivorfeldorganisationen, und die ideologische Ausrichtung, nämlich der

Glaube an erneuerbare Energien, geht vor die Interessen der Arbeitnehmer.

(Beifall von der AfD – Lachen von der SPD)

Und das, meine Damen und Herren, ist die originäre Aufgabe von Gewerkschaften.

Die Gewerkschaften haben auch ein weiteres Problem. Nicht einmal mehr 20 % aller Vollzeitbeschäftigten sind organisiert. Und bei den atypisch Beschäftigten, die ihnen angeblich besonders am Herzen liegen, sind es noch viel weniger.

Wessen Interessen vertreten denn die Gewerkschaften überhaupt noch? Sie verlieren zunehmend den Bezug zu den Arbeitern und anscheinend auch zur Realität, wenn man die aktuellen Forderungen der IG Metall für die nächste Tarifrunde beäugt: flexiblere Arbeitszeiten mit Rückkehroptionen usw. Damit wird man es den Unternehmen künftig noch leichter machen, dem Standort NRW und am besten gleich ganz Deutschland den Rücken zu kehren.

(Beifall von der AfD)

Auch wir, die AfD, sind für den Erhalt der Mitbestimmung im Sinne der Arbeitnehmerinteressen und nicht im Sinne von Funktionären. Auch wir wollen, dass die Konzernzentrale in Nordrhein-Westfalen bleibt.

Aber die SPD trägt eine so große Mitverantwortung für die aktuelle Situation. Sie haben den Strukturwandel im Ruhrgebiet mit Ihrer Sozialdemokratie maßgeblich mit geprägt, oder besser gesagt: Großartig geprägt wurde er ja gar nicht, sondern in der Regel verschlafen. Es wurde völlig verpennt, im Ruhrgebiet neue mittelständische Industrien anzusiedeln. In anderen Regionen hat das ja funktioniert, zum Beispiel im Siegerland. Da gab es ja auch einen Strukturwandel, im Übrigen einen sehr erfolgreichen.

(Beifall von der AfD)

Es ist bedauerlich, dass wieder die Schwächsten darunter leiden müssen. – Liebe Kollegen, es ist kein Wunder, dass Ihr Engagement für Arbeiter immer mehr als unglaubwürdig wahrgenommen wird, und ich denke, das haben Sie auch beim letzten Wahlergebnis, insbesondere im Ruhrgebiet, zu spüren bekommen. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Es hat nun für die Landesregierung der Ministerpräsident, Herr Kollege Laschet, das Wort. Bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich will nur einige wenige Worte zu dieser Debatte sagen, denn ich denke, der Kollege

Pinkwart hat sehr präzise beschrieben, was die Position der Landesregierung ist. Ihr simpler Versuch, einen Gegensatz zwischen den Kollegen Laumann und Pinkwart und dem Ministerpräsidenten herzustellen, ist misslungen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das, was Karl-Josef Laumann bei den Arbeitern in Bochum gesagt hat, ist die Position der Landesregierung. Das, was Kollege Pinkwart hier zur Zukunft des Stahls gesagt hat, zu unseren Gesprächen mit den Gewerkschaften, ist die Position der Landesregierung. Und ich sage dazu: Wenn ich lese – der Fraktionsvorsitzende Bodo Löttgen hat das eben zitiert –, was die IG Metall am 3. Mai zur Position der Vorgängerlandesregierung gesagt hat, dann ist das ein klareres Bekenntnis zu den Wünschen der Arbeitnehmer, als es die Vorgängerregierung geleistet hat. Das ist heute hier sehr deutlich geworden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist die erste Bemerkung.

Eine zweite Bemerkung will ich hier machen. Wenn die namentliche Abstimmung gleich zu Ende ist, werde ich erneut mit denen, die auf dem Schiff auf dem Rhein waren, zusammenkommen: mit dem stellvertretenden Gesamtbetriebsratsvorsitzenden

von thyssenkrupp Steel, mit dem Vertrauenskörperleiter, mit der IG Metall. Wir haben in den letzten Wochen so viel mit den Gewerkschaften gesprochen, wie das vor dem 14. Mai eben nicht stattgefunden hat.

Ich muss Ihnen sagen: Nach jedem dieser Gespräche mit den Gewerkschaften waren Kollege Pinkwart und ich uns einig. Wir haben sogar noch neue bessere Argumente gefunden, weil eben die Mitbestimmung den Vorteil hat, dass die Arbeitnehmer zwar manches anders sehen, aber oft genauso gut informiert sind. Deshalb waren das bereichernde Gespräche. Wir werden diese schon heute um 13 Uhr fortsetzen; denn das ist Tradition in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich möchte eine Bemerkung zum Redebeitrag der AfD machen. Ja, wir können bedauern, dass die niederländischen Steuerregeln so sind, wie sie sind. Das kann man bedauern. Daraus aber eine Europakritik abzuleiten, ist exakt falsch. Wir brauchen mehr Europa. Mehr Europa bedeutet nämlich …

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Dieses Problem des Dumpings besteht deshalb, weil jeder Nationalstaat seine Steuern selbst festlegt. Das ist genau das Problem.

(Roger Beckamp [AfD]: Das ist Wettbewerb!)

Das ist exakt das Problem. Und deshalb ist beispielsweise der Kollege Pinkwart im Gespräch …

(Christian Loose [AfD]: Sie wollen Sozialis- mus, Herr Laschet! – Lachen von der SPD – Weitere Zurufe von der AfD – Gegenrufe von der CDU)

Hören Sie mal, Sie haben hier eben große Reden gehalten, aber das Problem bei der Steuer ist, dass 27 Staaten ihre Steuersätze selbst festlegen.

Der Kollege Pinkwart hat beispielsweise in der Chemieindustrie – das ist das nächste Thema für uns in Nordrhein-Westfalen – eine Kooperation zwischen den Niederlanden, Flandern und Nordrhein-Westfalen begonnen,

(Zuruf von Marcus Pretzell [fraktionslos])

damit wir uns darüber abstimmen, Standorte nicht durch Steuer- und Sozialdumping, sondern durch Kooperation und mehr europäische Zusammenarbeit zu erhalten. Das ist das Modell dieser Landesregierung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb täten wir gut daran, Herr Kollege Römer, nicht die Tonlage anzuschlagen, in der Sie es heute versucht haben – was gescheitert ist, weil die Menschen noch im Kopf haben, was vor und nach dem 14. Mai geredet wurde –, sondern das parteiübergreifend zu schaffen.

Nun zu dem, was Sie hier zum sogenannten „Marktentfesselungsliberalismus“ gesagt haben. Ich rede im Moment zur Vorbereitung einer neuen Bundesregierung viel mit den Gewerkschaften in NordrheinWestfalen. Was glauben Sie eigentlich: Vor wem hat Herr Vassiliadis mehr Angst? Vor dem Marktentfesselungsliberalismus der FDP oder vor der Frage, ob wir in ganz kurzer Zeit Kohlekraftwerke schließen und aus dem Verbrennungsmotor aussteigen? Was glauben Sie, was die Gewerkschaften im Moment mehr berührt?

Mein Eindruck ist, dass sie mir sagen: Du musst dafür sorgen, dass keine Ausstiegsszenarien inszeniert werden. Sie sagen, dass wir zwar einen Strukturwandel im Rheinischen Revier erleben werden, dieser aber ohne die Ausstiegsdaten, wie sie mancher der potenziellen Koalitionspartner in Berlin im Moment vorträgt, vonstattengehen muss.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es ist bedauerlich, dass wir über diese Fragen zur Zukunft des Stahls nicht mehr gemeinsam miteinander diskutieren können, weil Sie am Abend des 24. September gesagt haben: Wir werden unserer Verantwortung nicht gerecht. – Ich bedaure, dass man nicht einmal reden konnte.

(Widerspruch von der SPD – Sven Wolf [SPD]: Opposition ist auch Verantwortung!)

Deshalb werden wir jetzt mit den Grünen und mit der FDP alles dafür tun, dass in Zukunft Stahl-, Aluminium-, Chemie- und Glasindustrie in NordrheinWestfalen noch möglich bleiben.

(Zuruf von Gordan Dudas [SPD])

Das heißt, für die Arbeitnehmer zu kämpfen, sich nicht zurückzuziehen, sondern Verantwortung zu übernehmen, wenn der Wähler gesprochen hat.