Sie von der AfD-Fraktion wissen ja selbst, dass diese Forderung grundsätzlich richtig ist. Denn Sie haben eine Pressemitteilung der SPD-Landtagsfraktion vom 30. Juni dieses Jahres aufgegriffen. Wir freuen uns natürlich, wenn Sie unsere Pressemitteilungen lesen, auch wenn Sie daraus diesen untauglichen Versuch machen, daraus heute einen Antrag ins Plenum einzubringen.
Warum untauglich? Das werde ich Ihnen gern erklären. Ich könnte mich auf rein formelle Gründe zurückziehen. Diese sind dann auch schnell aufgezählt.
Erstens. In Ihren beiden Anträgen schildern Sie weder den Untersuchungszeitraum noch den Untersuchungsgegenstand. Es fehlt an einer Eindeutigkeit, was genau das Ziel unserer parlamentarischen Kontrolle der Exekutive sein soll.
Sofern Sie vorhaben, zu den Komplexen „Bergisch Gladbach“ und „Münster“ seit 2002 Unterlagen zu verlangen, erscheint uns dies wenig praktikabel.
Zweitens. Ihre Anträge werden dem Gebot der Bestimmtheit bei einem solchen Untersuchungsauftrag nicht gerecht. Ihre formulierten Fragestellungen sind entweder so speziell, dass sie andere Möglichkeiten völlig außer Acht lassen, oder aber so offen, dass ich den Eindruck habe, der Untersuchungsausschuss soll eigene Ermittlungen durchführen, als seien wir die Staatsanwaltschaft oder die Polizei; entsprechende Hinweise haben Sie eben auch gegeben.
Damit sind wir schon beim dritten Punkt: Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss ist gerade kein Ausforschungsausschuss. Man muss belegbare Missstände und konkrete Vorwürfe erheben, um diese dann entsprechend zu untersuchen. Diese konkreten Vorwürfe erheben Sie aber nicht. Damit verstoßen Sie gegen das Prinzip der Gewaltenteilung.
Es gibt aber natürlich noch einen Hauptgrund, weshalb wir die Anträge zu diesem Zeitpunkt mit dieser Begründung ablehnen:
Der überaus wichtige Untersuchungsauftrag des PUA IV ist getragen von einem breiten Konsens des Parlaments. Der Einsetzungsantrag wurde von vier der fünf Fraktionen unterzeichnet und am 26. Juni letzten Jahres einstimmig angenommen.
des Vorgehens, die Durchführung der Beweisaufnahme bis hin zur Festlegung von Terminen von einer breiten demokratischen Mehrheit getragen wird.
Wenn es also das Interesse des Parlaments ist, den Untersuchungsauftrag des PUA IV um die Komplexe „Bergisch Gladbach“ und „Münster“ zu erweitern, sollte ein solcher Erweiterungsantrag in einem geordneten Verfahren von einer breiten Mehrheit getragen werden, oder aber diese beiden Komplexe müssen in einem weiteren Untersuchungsausschuss geklärt werden.
In beiden Fällen darf ich Ihnen für die SPD-Fraktion aber nun auch noch den letzten Grund nennen, warum wir Ihre Anträge ablehnen; vielleicht haben Sie dies nicht aufgenommen, weil es nicht in unserer Pressemitteilung stand.
Egal, was dieses Parlament zu dem Behördenhandeln in den Komplexen „Bergisch Gladbach“ und „Münster“ herausbringen bzw. untersuchen soll: Die Zeit wird für alle drei Themenkomplexe bis zum Ende der Legislaturperiode nicht ausreichen.
Wir schulden es allen Opfern und deren Familienangehörigen, aber auch der Öffentlichkeit, dass die Untersuchungen in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt werden, wie wir es auch im Fall Amri getan haben. Diese wichtige politische, moralische und rechtlich nicht bindende Festlegung gehört ebenfalls in einen Erweiterungsantrag.
Wie Sie sehen, gibt es viele Gründe, das eigentlich richtige Ansinnen zur Erweiterung des PUA IV heute abzulehnen.
Zum Schluss muss ich Ihnen aber noch ganz deutlich sagen: Wir empfinden die Missbrauchsfälle als genauso unerträglich wie sicher alle anderen hier auch. Auch wir möchten, dass diese Komplexe umfassend aufgeklärt werden.
Wir lehnen die Anträge dennoch aus den genannten Gründen ab und betonen, dass wir damit nicht generell gegen eine zukünftige parlamentarische Befassung und einen großen Konsens hier im Hause stimmen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Berghahn. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Lürbke das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will vorwegsagen: Die konsequente Bekämpfung von Kindesmissbrauch, die Bekämpfung dieser, wie ich finde, abscheulichsten Verbrechen, die man sich nur vorstellen kann, zählt für mich und uns zu den
Ich glaube, ich kann für alle, die sich damit in den letzten Monaten intensiv befasst haben, sagen: Es hat sich bei uns regelrecht eingebrannt, uns dafür einzusetzen, dass diese schändlichen Taten aufhören.
Ich will, dass jeder dieser Täter zur Rechenschaft gezogen wird. Ich will, dass unsere Kinder und Jugendlichen bestmöglich geschützt werden. Deswegen machen wir das hier.
Wir machen das, damit Nordrhein-Westfalen wirklich optimal im Kampf gegen Kindesmissbrauch aufgestellt ist. Das ist unser Ziel. Ich glaube, da sind wir uns auch alle hier im Hause einig. Die Zeit des jahrzehntelangen Wegschauens ist definitiv vorbei.
Ich spüre aber – das hat auch die Diskussion gezeigt –, dass man unterschiedliche Einschätzungen darüber hat, was der Untersuchungsausschuss leisten kann, um dieses Ziel zu erreichen. Wir müssen wirklich sehr sauber differenzieren, was Aufgabe des Untersuchungsausschusses sein kann.
Wir haben uns hier bereits am 13. Februar 2020 über eine Erweiterung des Untersuchungsauftrages ausgetauscht. Wir haben ihn aus gutem Grund nicht erweitert, wie ich nach wie vor finde.
Ich habe damals gesagt: Ich nehme allen hier im Hause ab, dass sie ein ehrliches Interesse an der Aufklärung und daran haben, am Sachverhalt zu arbeiten. – Das gilt auch weiterhin. Aber wir sind eben nicht die Staatsanwaltschaft. Wir sind auch nicht die besseren Ermittler.
Unsere Rolle als Parlamentarier ist eben eine andere. Wir können gar nicht – so gern wir das vielleicht wollen – jede dieser schrecklichen Taten einzeln ausforschen, sondern unsere Aufgabe muss es doch sein, die strukturellen Defizite, das Handeln, die Fehler von Behörden aufzudecken und abzustellen. Das ist unser Job.
Herr Wagner, die Anträge gehen weit über das hinaus, was der Untersuchungsausschuss leisten kann. Straftaten aufzuklären, Verbindungen zwischen den Straftaten, Tätern, Tatkomplexen aufzudecken – all das ist, sosehr ich mir das auch wünsche, nicht Aufgabe des Untersuchungsausschusses.
Es ist auch nicht unsere Aufgabe zu glauben, wir seien in irgendeiner Form cleverer oder hätten viel mehr Möglichkeiten als Hunderte von Ermittlern bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft, die seit Monaten rund um die Uhr an der Aufklärung arbeiten, um alle Vorgänge vollumfänglich aufzuklären und die Täter dieser schrecklichen Taten zur Rechenschaft zu ziehen. Ich glaube nicht, dass wir mehr Möglichkeiten haben. Unser Job als Parlamentarier ist ein anderer.
Aber ich möchte die Gelegenheit nutzen, einmal allen Beamtinnen und Beamten, die seit Monaten intensiv an der Aufklärung dieser vielen Taten arbeiten, für den sicherlich sehr schwierigen Job zu danken.
Herr Wagner, Sie stellen in Ihren Anträgen zu Recht viele Fragen, die mich auch interessiert. Aber wenn man sich das näher anschaut, muss ich sagen: Die Fragen gehören in den Innenausschuss oder in den Familienausschuss, gegebenenfalls in den Rechtsausschuss.
Wir haben uns ja – ich spreche jetzt einmal für den Innenausschuss – mehrfach mit diesen Themenkomplexen auseinandergesetzt. Wir haben mehrfach zu Bergisch Gladbach oder Münster getagt, darüber beraten und uns darüber ausgetauscht.
Fakt ist: Ein bloßer Sachzusammenhang, so traurig und dramatisch er auch sein mag, reicht nicht aus, um den Untersuchungsauftrag des Untersuchungsausschusses zu erweitern. Dann liefen wir wirklich Gefahr, uns zu verzetteln, weil jeder weitere Missbrauchsfall Gegenstand des PUAs werden könnte.
Ich glaube, das bringt uns nicht weiter. Unsere Aufgabe ist es, schnell Bedingungen, Strukturen und Abläufe so zu verbessern, dass jeder Form des Missbrauchs frühzeitig ein Riegel vorgeschoben wird. Darauf sollten wir uns konzentrieren.
Vieles ist bereits passiert. Das jahrzehntelange Wegschauen ist vorbei. Wir haben schon sehr viel auf den Weg gebracht. Wir haben die Kinderschutzkommission. Wir haben die IMAG. Wir haben uns über Änderungen im Strafrecht unterhalten.
Bei der Polizei machen wir unglaublich viel. Bis 2021 werden alleine 32 Millionen Euro in Technik investiert. Das Personal wird in diesem Bereich vervierfacht. Es passiert also eine Menge.
Nordrhein-Westfalen schaut ganz sicher nicht schulterzuckend zu, sondern wir haben Kindesmissbrauch und Kindesmissbrauchsabbildungen auf allen Ebenen klipp und klar den Kampf angesagt, eben auch im Untersuchungsausschuss.
Eine Erweiterung dieses PUAs – ich befürchte dann Beratungen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag – führt uns eben nicht zu dem Ziel, dass wir effektiver und konsequenter aufgestellt sind. Das bringt uns an der Stelle nicht weiter. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn noch einmal betonen, dass all diese Missbrauchsfälle, über die wir gerade sprechen – Lügde, Münster, aber auch der große Missbrauchskomplex, der von Bergisch Gladbach ausgegangen ist –, furchtbar und schrecklich sind.
Wir wissen aber auch, dass die Dunkelziffer noch viel höher ist. Wir wissen aus Dunkelfeldstudien, dass in jeder Schulklasse durchschnittlich ein bis zwei Kinder von sexualisierter Gewalt betroffen sind.
Die verstärkte Ermittlungsarbeit, die es schon gibt, aber auch die erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit, die wir auch durch die Debatten zu Lügde, Münster, Bergisch Gladbach bekommen haben, führen aus meiner Sicht zu einer stärkeren Sensibilität in der Gesellschaft, wodurch mehr Missbrauchsfälle bekannt werden.
Das ist gut so. Es ist gut, dass diese Missbrauchsfälle bekannt werden, denn wir wollen ja gerade, dass das Dunkelfeld aufgehellt wird und Kinder aus anhaltenden Missbrauchssituationen befreit werden können.
In dem Zusammenhang leisten wir als Untersuchungsausschuss eine wichtige Arbeit, weil wir dazu beitragen können, die Frage eines möglichen Behördenversagens aufzuklären. Ziel ist es, strukturelle Verbesserungen für die Zukunft zu schaffen.
Dafür muss man sich natürlich die Behörde angucken – allerdings nicht nur die Polizeibehörde. Ich weiß, dass das Innenministerium das bereits durch die Stabstelle gemacht hat. Allerdings haben wir als Untersuchungsausschuss auch die Aufgabe, bezogen auf die Jugendämter Aufklärungsarbeit zu leisten, und das machen wir auch.