Protokoll der Sitzung vom 27.08.2020

Die Umstellung auf Wasserstoff wird der nächste große Schritt sein. Hier werfe ich der Landesregierung vor, dass sie keine vernünftige industriepolitische Perspektive für den Stahlbereich und für den Wasserstoffbereich auf den Weg gebracht hat.

(Beifall von der SPD)

Auch nach Ihren Ausführungen hier ist das wieder nicht erkennbar. Denn Sie haben wieder einmal nicht das Ruhrgebiet, nämlich das nördliche Ruhrgebiet von Duisburg bis Dortmund, betrachtet, das ganz klar eine Wasserstoffstrategie hat. Und diese Strategie ist nicht zwei Jahre alt, auch nicht zehn Jahre alt, sondern sie ist 90 Jahre alt. Diese Wasserstoffstrategie für diese Region brauchen wir, weil wir die Infrastruktur, die 90 Jahre alt ist, kräftig erneuern müssen. Das wäre eine klare Botschaft gewesen, die Sie als Vertreter der Landesregierung uns hätten übermitteln können.

Dazu gehört auch, dass Svenja Schulze in Person gesagt hat: Wir wollen eine Wasserstoffstrategie der Bundesregierung auf den Weg bringen. – Hier stellt sich die Frage, wie das Land damit umgeht. Auch um darauf eine Antwort zu bekommen, haben wir diese Aktuelle Stunde auf den Weg gebracht hat. Ich muss

überraschend feststellen, dass von Ihnen nichts dazu kommt. Sie loben allerdings die Bundesregierung dafür, dass sie ein „Handlungskonzept Stahl“ auf den Weg gebracht hat. Das ist ganz prima, dass Sie die Bundesregierung dafür loben. Auch ich finde, dass das ein hervorragendes Konzept ist.

Sie haben dabei auch die richtigen Stichworte genannt: Es geht um EU-Handelsschutzmaßnahmen, die mit den Tarifpartnern und Sozialpartnern abgestimmt worden sind. Es geht um ein entschlossenes Vorgehen gegen WTO-widrige Subventionen und Dumpingpreise. Carbon Leakage haben Sie als Stichwort genannt; ich bin ganz beeindruckt, wenn Sie so ein Stichwort reinrufen und das auch noch richtig runterdeklinieren. Und Sie haben die Umstellung auf eine CO2-arme und langfristig CO2-freie Stahlproduktion erwähnt.

Das ist alles abgestimmt. Das ist die Strategie der Bundesregierung. Aber was ist die Strategie der Landesregierung? Das ist nicht erkennbar.

Wir Sozialdemokraten sind immer diejenigen, die sagen: Wir brauchen diese klare industriepolitische Leitlinie für die Beschäftigung im Ruhrgebiet und in ganz Nordrhein-Westfalen.

45.000 Menschen sind direkt davon abhängig. Daher müssen Sie sich selbstverständlich an die Seite der Menschen stellen, statt darüber zu schwadronieren – so will ich es einmal formulieren – und das von oben herunter abzuleiten. Wir müssen an der Seite der Menschen sein. Die Perspektive der Wasserstoffproduktion ist eine ganz wesentliche. Hier erwarte ich mehr von Ihnen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich möchte noch einen Satz zu der Behauptung sagen, dass in dem Bereich nicht investiert werde.

(Henning Rehbaum [CDU]: Schwere Geburt gerade!)

Wir haben im nördlichen Ruhrgebiet – der Kollege Hovenjürgen steht noch auf der Rednerliste und kann das später bestätigen – mit Evonik, BP und INEOS Unternehmen, die richtig investieren, nämlich über 3,5 Milliarden Euro. Auch das macht deutlich, wie attraktiv dieser Wirtschaftsstandort ist.

Sie investieren vor allen Dingen deshalb, weil zum Beispiel bei BP in London, wo die Unternehmensleitung sitzt, aufgefallen ist, dass wir eine zukunftsfähige Wasserstoffinfrastruktur haben. Evonik, zugegebenermaßen ein echter Ruhrgebietskonzern, investiert aus Essen heraus und sagt: Wir packen das in den Chemiepark. – INEOS, ebenfalls ein Unternehmen in britischer Eigentümerschaft, investiert auch kräftig, und zwar in den Chemiepark – Sie waren dabei; ich war auch dabei – und am Standort in Gladbeck.

Rain, früher Rütgers, in Castrop-Rauxel braucht übrigens den Kohlenstoff, der jetzt im Rahmen einer CO2-freien Stahlproduktion wegfallen soll. Deshalb macht sich Rain auch Gedanken darüber, woher es in Zukunft Kohlenstoff beziehen kann, wenn nur noch mithilfe von Wasserstoff produziert wird. Das Unternehmen braucht den Wasserstoff. Es braucht den sogenannten grauen Wasserstoff, auch aus Duisburg. Und es braucht insbesondere den Kohlenstoff, um seine Produktion auf den Weg zu bringen. Dieses Unternehmen wird aus Indien bzw. von indischen Eigentümern geleitet. Auch sie sagen: Es wird investiert.

Alles, was Sie tun, ist, dass Sie sich das angucken. Aber Sie begleiten es nicht mit einer vernünftigen Strategie. Sie setzen auch gar nicht auf die tollen Initiativen der Bundesregierung auf. Das werfen wir Ihnen weiterhin vor. Wir brauchen eine klare industriepolitische Leitlinie, die für das Thema „Wasserstoff“ und in der Stahlproduktion notwendig wird. Was Sie dazu gesagt haben, hat uns nicht überzeugt.

Wir werden das auch in der Zukunft immer wieder auf die Tagesordnung setzen. Dass wir es immer konstruktiv begleitet haben, kann man auch daran erkennen, dass wir auch bei den Diskussionen zum Thema „Tata“ eine klare Position dieser Landesregierung eingefordert haben. Sie sind uns das damals schuldig geblieben bzw. haben den entsprechenden Tagesordnungspunkt mit Mehrheit abgeändert,

(Henning Rehbaum [CDU]: Was reden Sie denn da?)

weil Sie sich nicht zu diesem Thema äußern wollten.

Sie stellen sich nicht an die Seite der über 45.000 Beschäftigten in der Stahlindustrie. Wir wollen das, und wir fordern Sie ganz herzlich dazu auf. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Hübner. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Sieveke.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Aktuelle Stunde lebt von der Aktualität und dem Austausch, um gegebenenfalls der Landesregierung einen Mehrwert darzustellen. In Ihrem Antrag zu dieser Aktuellen Stunde schreiben Sie ja auch:

„Im Zuge der Aktuellen Stunde soll diskutiert werden, welche akuten Maßnahmen und Schritte in den kommenden Wochen und Monaten die Landesregierung anstoßen sollte, um auf die sich zuspitzende Lage in der nordrhein-westfälischen Stahlindustrie zu reagieren.“

Ich habe Ihrer wirklich staatstragenden Rede gelauscht, Herr Kutschaty. Bis auf eine Teilverstaatlichung und Ihren aktuellen Vorschlag von heute Morgen zu einer Fusion mit Teilverstaatlichung habe ich nichts gehört. Sie sagen lediglich, wir müssten Geld ausgeben.

Das ist in Ordnung, weil Sie der erste Redner waren. Aber dann hört man irgendwann auch von den Rednern der Landesregierung und der regierungstragenden Fraktionen, was alles in den letzten Wochen und Monaten und Jahren gemacht wurde.

Herr Rehbaum beispielsweise ist damit gestartet, dass er gefragt hat, was in den letzten Monaten und Jahren in diesem Bereich geschehen ist, um eine neue Struktur auch für die Stahlindustrie zu ermöglichen und neue Wege zu gehen. Er hat nicht mit dem stereotypen Satz begonnen – das halten Sie uns ja immer vor –, was die alte Landesregierung alles nicht getan hat. Und dann hören Sie ihm noch nicht einmal zu.

Deshalb bleibt einem nichts anderes übrig, als zu sagen: Sie wollten keine Industrie in Nordrhein-Westfalen mehr. Sie wollten den Beschäftigten bei thyssenkrupp keine Zukunftsperspektive geben. Sie und Ihr Koalitionspartner wollten es einfach nicht. Das ist die Wahrheit.

(Zuruf von der SPD: Das glauben Sie doch selber nicht! – Zuruf von Michael Hübner [SPD])

In diesem Zusammenhang empfinde ich Ihren Antrag als billigen Populismus in Wahlkampfzeiten. Das ist ganz billiger Populismus.

(Beifall von der CDU)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: In den letzten Tagen – ich kann es bald nicht mehr hören – sprechen Sie nur noch von notwendigen Strategien und Szenarien. Diese Landesregierung braucht keine Strategien und Szenarien.

(Zurufe von der SPD)

Sie arbeitet daran, den Menschen, den Beschäftigten in diesem Land eine Perspektive auch in Krisenzeiten zu geben.

(Michael Hübner [SPD]: Das ist ja interessant!)

Das galt auch schon vor den Krisenzeiten.

Der Minister hat gerade ausgeführt, was alles getan worden ist. Daraufhin sagen Sie: Ja, ja; dann erwähnen Sie als Minister auch die Bundesregierung. – Das steht übrigens auch in Ihrem Antrag zur Beantragung der Aktuellen Stunde.

(Michael Hübner [SPD]: Das ist doch nicht schlimm! – Christian Dahm [SPD]: Das ist doch nicht falsch!)

Jetzt glauben Sie doch wohl nicht, dass der Bund allein auf alle diese Ideen kommt. Wer arbeitet denn an einem solchen Papier mit? Maßgeblich hat das Land Nordrhein-Westfalen daran mitgewirkt. Das verschweigen Sie.

(Beifall von der CDU)

Ich verschweige nicht, dass es einen großen Sozialdemokraten gab – das meine ich nicht körperlich; ich bin körperlich auch nicht so groß –, der in den letzten Jahren ganz oft etwas zur Stahlindustrie gesagt hat. Er war aktuell auch in China. Es handelt sich um unseren Bundesaußenminister, einen ehemaligen Ministerpräsidenten des Saarlands.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ministerpräsident war er nie!)

Ministerpräsident war er nicht, aber Politiker im Saarland; Entschuldigung.

(Henning Rehbaum [CDU]: Gefühlt! Gefühlt!)

Jedenfalls hat er sich in der Vergangenheit permanent für die Stahlindustrie eingesetzt. Ich habe aktuell nichts dazu gehört, dass er sich während seines Besuchs in China mit den Dumpingpreisen in der Stahlindustrie auseinandergesetzt hat.

Gerade ist mir übrigens ganz stark aufgefallen, dass Sie das Vokabular der AfD hier im Landtag übernehmen. Das fand ich persönlich entsetzlich.

(Beifall von der CDU)

Sonst sind Sie immer der Große, der die Verschwörung sieht und für Abgrenzung plädiert. Sie nehmen aber die gleiche Wortwahl auf, und zwar beim Thema „Leverkusener Brücke“. Sie haben gerade gesagt: Es kann doch nicht sein, dass hier nicht unser Stahl benutzt worden ist, sondern der Billigstahl aus China.

(Michael Hübner [SPD]: Das kann auch nicht sein! Das ist doch richtig! Was ist denn daran falsch?)

Damit haben Sie drei Sachen getan: Erstens. Sie haben eins zu eins das Vokabular der AfD aus der letzten oder vorletzten Plenarsitzung übernommen. Zweitens. Sie waren es doch, die die Ausschreibung gemacht haben. Drittens. Sie haben keine Ahnung von dem Stahl, der bei thyssenkrupp hergestellt wird; Sie haben keine Ahnung von dem, was dort abläuft.

(Beifall von der CDU und der FDP)