Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

schaftlichen Ermittlungen gegen Kassenärztliche Vereini

gungen in Rheinland-Pfalzvon Bedeutung sind?

2. Inwieweit kann die Landesregierung vor dem Hintergrund des Vorvvurfes an die KV Rheinhessen, ihre Überprüfungspflicht betreffend Abrechnungen nicht hinreichend wahrgenommen zu haben, Gewähr dafÜr bieten, dass sie ihre eigenen Aufsichts- und Beratungspflichten hinreichend wahrgenommen hat?

3. Sieht die Landesregierung in den_ gegenwärtigen Staats

anwaltschaftlichen l,Jntersuchungen eine Bestätigung fürdas Eintreten ihres Gesundheitsministers gegen die beste

henden KV-Strukturen als Form ·ärztlicher Selbstverwal

tung und für Hauptamtlichkeit urid Zentralisierung?

4. Steht für die Landesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse die KV-Selbstverwaltung in der gegenwärtigen Form.,auf dem Prüfstand", wie dies Gesund

heitsminister.Gester am 24. Oktober 2000 im Pressedienst der Landesregierung beanspruchte?

Fürdie Landesregierung ant11vortet der Gesundheitsminister.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Zu Frage 1: Nein.

Zu Frage 2: Herr Abgeordneter Dr. Rosenbauer, diese Frage beruht au_f einer Fehleinschätzung ~er Aufgaben der Rechts

aufsieht, die sich immer wieder durch Anfragen und Äuße

rungen Ihrer Fraktion sowie auch Ihrer eigenen Person zieht.

Die Aufgaben der Sozialversicherung wurden in Deutschland

·nicht staatlichen Stellen, sondern selbstständigen rechtsfähi

gen Körperschaften des öffentlichen Rechts übertragen, die ihre Aufgaben in Selbswerwaltung erfüllen. Diese Selbstverwaltung ist, solange es keinen justiziablen Verdacht gibt, von einem hohen und schützenSWE!rten Rang. Die Aufsicht über

·diese rechtlich selbstständigen Körperschaften durch die Lan

desregierung ist auf die Rechtskontrolle beschränkt. Sie dient der Rechtswahrung und der Überwachung der Gesetzmäßig

keit der Verwaltung.

Wenn ein Vertragsarzt sich durch fehlerhafte Abrechnung ei

nen Vorteil verschafft, schädigt er damit die übrigen Kassenärzte seines Bezirks. Dies ist ein Vorgang, der vor allen Din-. gendie Kolleginnen und Kollegen der eigenen_Kassenärztlichen Vereinigung schädigt. Daher obliegt es in erster Linie und zunächst der Kassenärztlichen Vereinigung, Abrechnungsmanipulationen nach Möglichkeit zu vermeiden.

Bei strafrechtlich felevantem. Fehlverhalten eines Vertrags

arztes ist· in besonderer Weise die Strafverfolgungsbehörde gefordert.

Zu-Frage 3: Die Landesregierung hofft, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft möglichst bald zum Abschluss gebracht werden können, damit die strafrechtlichen Vorwürfe positiv wie negativ geklärt 11verden.-Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die Organisationsstruktur der Kassenärztli

chen Vereinigungen mit einem ehrenamtlichen Vorstand, einer ehrenamtlichen Vertreterversammlung und einer haupt

amtlichen Geschäftsführung den schwieriger gewordenen Aufgaben gerecht werden kann.

Im Rahmen der Organisationsreform der Krankenkassen sollte deshalb auch geprüft werden, ob die innere Organisat~on der Kassenärztlichen Vereinigungen ähnlich den Strukturen; wie sie bei den gesetzlichen Krankenkassen gelten, neu geordnet werden soffte. Ein hauptamtlicher Vorstand käme auch nicht in den Verdacht, bei der Aufgabenwahrnehmung eigene kassenärztliche Interessen zu verfolgen.

Zu Frage 4: Ich habe unabhängig von den aktuellen Ereignissen als Gesundheitsminister eine Prüfung der derzeitigen Strukturen der Kassenärztlichen Vereinigungen in die Wege geleitet. Unter anderem werden wir auch ein Rechtsgutachten bekommen, das die Möglichkeit von alternativen Organisationsformen prüfen und Vorsc~läge dazu machen wird. ln erster Linie geht es darum, zuverlässige Abrechnungsverfahren durchzuführen. Das ist das primäre Interesse der Landesregierung, aber auch der Ärzteschaft; denn es werden dort viele hundert Millionen bewegt, und es wird dort auch über die Einkommenssituation von einer Vielzahl freiberuflich täti- · ger Ärztinnen und Ärzte entschieden.

Ein zuverlässiges und wirksames Abrechnungssystem erfordert die o"ptimierung von Strukturen und Kontrollen. Deswe

ge_n wird _auf meine Initiative hin ein landesweites Abrechnungsverfahren vorbereitet. Ich habe den v·ier Kassenärztlichen Vereinigungen eine Abrechnungsgemeinschaft vorgeschlagen, die einerseits die Professionalität der Abrechnung sicherstellt, andererseits aber auch die Transparenz und die

Kontrolle verbessert, weil es ansonsten in vier Kassenärztlichen Vereinigungen und in drei Kassenzahnärztlichen Vereinigungen in Rheinland-Pfalz ungleich schwerer als in anderen Ländern ist, eine entsprechende Transparenz sicherzu

stellen. Mir ist signalisiert: worden, dass noch bis Weihnachten_ von den Kassenärztlichen Vereinigungen Vorschläge gemacht werden, wie sie mit diesem Auftrag, den sie zunächst einmal angenommen haben, umgehen wollen.

Zu einer Zusatzfrage hat Herr Abgeordneter Dr. Enders das Wort.

Herr Minister, darf ich die Antworten auf die Fragen 3 und 4 so verstehen, dass die Landesregierung die aktuellen Entwicklungen zum Anlass nehmen möchte, als Landesregierung neue Forderungen zur Organisationsreform der ärztlichen Selbstverwaltung in Rheinland-Pfalz zu erheben?

Herr Abgeordneter Dr. Enders, im Zuge der Gesundheitsreform 2000, an der ich-nicht ganz unbeteiligt war, gab es den Vorschlag, die Kassenärztlichen Vereinigungen dort, wo es mehrere gibt, auf Landesebene zu vereinigen und zum anderen die Vorstände hauptamtlich zu machen. Dieser Vorschlag, der viel für- sich hat, ist dann am Bundesrat gescheitert. Er hätte die Zustimmung der Länderkammer gebraucht. Deswegen ist er nicht weiter verfolgt worden.

Das GesundheitsministP-rium könnte auch unabhängig davon durch Verwaltungshandeln die Strukturen verändern. Aber ich möchte ganz bewusst eine akute Kris~ nicht dazu benutzen, um jetzt die Strukturen in einem Gewaltakt zu verändern. Vielmehr möchte ich Im Rahmen der geltenden Struktu

ren das Abrecl:mungswe;?n transparent und kontrollierbar machen. we-nn das gelinqt, kann man über-alles andere sehr einvernehmlich sprechen

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schneider.

Herr Minister, will die Landesregierung vor dem Hintergrund des Eintretens des Gesundheitsministers für hauptamtliche und zentralisierte Strukturen in der ärztlichen Selbstverwaltung F~hler, Irrtümer, Streitpunkte oder Vergehen in zentralisierten Hauptamtsstrukturen gegenüber regionalen Selbstverwaltungsstrukturell a!Jsschließen, wie dies Gesundheitsminister Gerster in diesen Tagen in der Presse getan hat?

(Heiterkeit bei der SPD- Heck, Ministerpräsident: Kennen Sie Herrn G_erster, Herr Gerster?)

Es war ein bisschen kompliziert, aber ich ahne, was Sie erneut fragen \/'Jollen.

(Frau Schneider, CDU: Ich kann es noch einmal wiederholen, das ist_ kein Problem!}

Frau Abgeordnete Schneider, ich sage schlicht und ergreifend, es spräche viel tü·r eine hauptamtliche Organisationsform einer-großen Kassenärztlichen Vereinigung. Dies ist aber nur durch bundesgesetzliche Regelung möglich. Diese wird in der laufenden Wahlperiode des Deutschen Bundestages nicht mehr aufgegriffen· werden können. Insofern :stellt sich diese Frage für zwei Jahre nicht mehr.

Ich versuche, im Rahmen der geltenden Struktüren das Abrechnungsverfahren zu optimieren, damit die Anlässe für staatsanwaltschaftliehe Ermittlungen und Strafverfahren möglichst minimiert werden oder im besten Falle gar nicht mehr auftreten.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rosenbau er.

Herr Minister Gerster, wann haben Sie diese Gutachten in Auftrag gegeben? Wann erwarten Sie Ergebnisse? Inwieweit waren Sie in die jetzigen Ermittlungen im Vorfeld eingebunden?

zunächst einmal beantworte ich die zweite Frage, weilsie mir Gelegenheit gibt, die Machtfülle der Landesregierung als Ganzes, aber auch eines Gesundheitsministers gegenüber der Staatsanwaltschaft realistisch darzustellen.

Herr Dr. Rosenbauer, ich lege großen Wert auf die Aussage, dass ich von den staatsanwaltschaftliehen Ermittlungen weder im Vorfeld noch zu dem Zeitpunkt, als sie unmittelbar eingesetzt haben, in irgendeiner Weise informiert worden bin. Es gab überhaupt keinen Kontakt zu dem Gesundheitsministerium. Erst als diese Ermittlungen im Gang waren und wir vor die Frage gestellt wurden, inwieweit das aufsichtsrechtliche Verfahren davon tangiert werden könnte, haben wir Kontakt mit der Staatsanwaltschaft aufgenommenn und dann zum Beispiel die Ihnen bekannten Vorgänge, also BIOSCIENTIA usw., gemeinsam abgestimmt. Alles andere-ist eine abenteuerliche Vorstellung vom Rechtsstaat.

Herr Kollege Mertin wird in eigener Verantwortung die Frage beantworten kennen, ob er gewissermaßen die Staatsanwaltschaft instrumentalisiert hat. Ich vermute, bei den betei-ligten Personen, die auch hier im Hause nicht ganz unbeki:mnt sind- ich nenne den Namen Puderbach -, ist es eine verwegene Vorstellung, sich eine lnstrumentalisierung seitens --der Landesregierung vorzustellen. Dies würde ich ganz gern-_ ausschließen. So weit zur Beantwortung Ihrer Frage.