Protokoll der Sitzung vom 17.10.2001

und anschließend selbst auswerten. Ähnliche Initiativen gibt es unter dem Titel „Kids Voting“ in den USA. Sowohl dort als auch bei dem Modellprojekt in BadenWürttemberg sind die Ergebnisse dieser Initiativen sehr genau evaluiert worden.

Die Evaluation zeigt, dass im Unterschied zur konventionellen Behandlung parlamentarischer Demokratie im Unterricht solche Schülerwahlen das Bewusstsein über die Bedeutung von Wahlen bei jungen Menschen erheblich stärken, zur Teilnahme an Wahlen bei Erreichen der Volljährigkeit motivieren und Verantwortungsgefühl auch für Staat und Gesellschaft wecken. Darüber hinaus lernen die Jugendlichen, selbst Informationsquellen zu suchen und Möglichkeiten zu entdecken, sich mit Politik auseinander zu setzen.

Überdies hat das den jungen Leuten – das ist in den Evaluationen deutlich geworden – so viel Spaß gemacht, dass mit überwältigender Mehrheit von den teilnehmenden Jugendlichen gesagt wurde, sie würden sich eine solche simulierte Wahl jederzeit weiterhin wünschen.

Der Verein wird anlässlich der Bundestagswahl ein solches Projekt wieder anbieten, allerdings nur sehr ausgewählten, selektierten Schulen modellhaft. Wir haben uns als FDP in Rheinland-Pfalz Gedanken gemacht, wie man eine solche Wahl für junge Menschen in RheinlandPfalz auch flächendeckend verwirklichen könnte und allen Schulen ein solches Angebot machen könnte.

Die Schülerwahlen sollen erstmalig zur Bundestagswahl parallel durchgeführt werden. Uns ist es, wie gesagt, besonders wichtig, dass alle Schulen ein Angebot bekommen, deshalb ein eigenes Projekt, das dann vom Pädagogischen Zentrum als Unterrichtsmaterial abgeschlossen und in sich geschlossen vorbereitet werden und dann auch dauerhaft eingeführt werden kann.

Wir hoffen, dass wir damit auch die Schwelle von Schülerinnen und Schülern zur Politik herabsetzen und ihnen Spaß an demokratischer Teilhabe in Rheinland-Pfalz vermitteln. Wir würden uns freuen, wenn Sie alle dieser Initiative zustimmen könnten.

Vielen Dank. (Beifall bei der FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Keller das Wort – Entschuldigung –, Herrn Abgeordneten Lelle natürlich. Schon an der Größe muss man das erkennen.

(Beifall im Hause)

Frau Präsidentin, ich denke, auf die Körperlänge kommt es gelegentlich nicht an.

(Zuruf von der SPD: Das stimmt auch wieder!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hintergrund des FDP-Antrags ist, wie Frau Morsblech eben dargestellt hat, die Wahlbeteiligung, die immer weiter sinkt, insbesondere bei Direktwahlen, bei denen wir gelegentlich eine Wahlbeteiligung von unter 50 % haben. Aber auch bei Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen ist die Wahlbeteiligung sicherlich Besorgnis erregend. Insbesondere ist dabei die Wahlbeteiligung junger Menschen Besorgnis erregend.

Dies ist ohne Zweifel eine große Herausforderung für die Politik. Es stellt sich die berechtigte Frage, was zu tun ist. Die FDP-Fraktion hat nachgedacht. Aber ich meine, sie hat leider offensichtlich nur kurz nachgedacht. Ihr genügt der Griff in die Wundertüte und hervor zaubert sie den Vorschlag „Schülerwahl“, und damit sind alle Probleme gelöst. Damit ist man zu kurz gesprungen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte darauf hinweisen, dass die Sozialkundelehrpläne genau dies beinhalten: Die Aufarbeitung unseres parlamentarischen Systems, die Behandlung und die Erklärung der Wahlen und auch die Projektarbeit im Zusammenhang mit Wahlen. – Meiner Kenntnis nach wird dies auch von den Sozialkundelehrern genutzt und angewandt, insbesondere dann, wenn solche Wahlen anstehen. Ich darf also feststellen, die bestehenden Lehrpläne sichern schon heute die Bedeutung von Wahlen, und man sorgt vor Ort in den Schulen dafür, dass die Schüler auch davon Kenntnis haben.

Mir erschließt sich auch nicht die Sinnhaftigkeit Ihres Vorschlags, die Auszählung erst nach der Wahl vorzunehmen. Was ist reizvoller für die Schülerinnen und Schüler, die Antwort auf die Frage, haben wir richtig vorausgesagt, oder haben wir ähnlich gewählt? Meine Damen und Herren, damit lösen Sie das Problem nicht. Ursachenforschung ist angesagt. Erlauben Sie mir, dass ich auf zwei Aussagen von bekannten Parteikritikern zurückgreife, nämlich dem Kölner Soziologen Scheuch und Herrn von Arnim.

(Zurufe von SPD und FDP)

Dass er nicht der Liebling ist, kann man nachvollziehen, aber was er sagt, ist schon bedenkenswert.

Herr Scheuch stellt fest, es fehlt der Politik an Ernsthaftigkeit. In der Politik gehen Inhalte verloren, Politik wird immer mehr zur Schau, alles wird zum Personalkult, die Entwürfe der Parteien sind zu ähnlich.

Von Arnim sagt: „Wir haben eine Zuschauerdemokratie, weil der Wähler keine Einflussmöglichkeit mehr sieht. Politikern wird immer mehr Kompetenz zugetraut, Probleme zu lösen, und Politik flieht in Ersatzhandlungen.“

Meine Damen und Herren, dies sind gewichtige Vorwürfe. Ich meine, sie werden nicht mit der Schülerwahl aus der Welt geschafft. In den Schulen kann diese Problematik meiner Meinung nach nicht bewältigt werden. Auch wenn man nicht allen Vorwürfen aus der Sicht des Politikers zustimmen kann und manches gewiss auch anders sieht, ist es meiner Meinung nach notwendig,

sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen. Diese Vorwürfe aufzuarbeiten, ist Aufgabe sowohl der Parteien als auch des einzelnen Politikers und der einzelnen Politikerin.

Der Antrag der Fraktion der FDP wird diesem Anliegen offensichtlich in keiner Weise gerecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wichtiger wäre es meiner Meinung nach, dass sich die Politiker zum einen persönlich in den Sozialkundeunterricht einbringen. Ich möchte in dem Zusammenhang auf ein Projekt verweisen, das Kollege Stretz, Thomas Weiner und ich an dem Gymnasium in Pirmasens in der Vergangenheit gepflegt haben. Ich möchte darauf hinweisen, dass auch die Schulbesuche unseres Landtagspräsidenten und der Vizepräsidenten dazu einen wesentlichen Beitrag leisten können.

Des Weiteren meine ich, dass Politik die Anliegen der Jugendlichen ernst nimmt.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

Es gibt die Beispiele der Jugendparlamente. Es nutzt aber nichts, wenn wir Jugendlichen keine eigene Kompetenz und auch entsprechende Haushaltsmittel zuweisen und Jugendliche nicht in Planungsvorhaben entsprechend einbeziehen.

Herr Lelle, Sie müssen zum Schluss kommen.

Frau Präsidentin, letzter Satz.

Ich bin der Meinung, dass wir eine offensive Auseinandersetzung mit diesen Vorwürfen der beiden Parteienkritiker führen müssen. Das ist besser und nachhaltiger, als mit Schülerwahlen viel heiße Luft zu bewegen.

(Beifall bei der CDU)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Frau Präsidentin, verehrter Herr Lelle! Das ist ein beliebtes Mittel, zu sagen: Das ist schön und gut, aber wir müssen weit darüber hinaus gehen. – Ich nenne ganz konkret diese Art und Weise, wie es in Parlamenten zum Teil zugeht, dass reflexartig auf das, was eine Gruppierung vorträgt, beispielsweise die regierungstragende Fraktion, die Opposition sagt: Nein, so geht es nicht. –

Ich bestreite nicht, dass es umgekehrt ab und zu genauso ist.

(Zurufe von der CDU)

Das ist eines der Probleme, für die außen niemand Verständnis hat. Das sind die üblichen Spielchen, die kein Mensch mehr kapiert.

Herr Lelle, mir ist die Sache zu wichtig. Was stattfindet, ist nicht mehr Wahlzurückhaltung, das ist teilweise Wahlboykott.

(Lelle, CDU: Dann müssen wir die Ursachen bekäm pfen!)

Das sind Vorwürfe, die sich an uns alle richten. Wenn Sie jetzt in genau diesem Reflexverhalten sagen, ein guter Vorschlag ist wieder einmal deshalb, weil er von der falschen Partei kommt, abzulehnen, dann ist das wirklich nicht zielführend.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, was Sie sonst ausführen, was man darüber hinaus tun könnte, hat Hand und Fuß. Das heißt doch nicht, dass man das ablehnen muss. So weit, so gut.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Fuhr das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, in der Analyse herrscht Einigkeit. Eine erschreckend niedrige Wahlbeteiligung, gerade bei der jungen Generation, und ein relativ hoher Anteil der Stimmen der jüngeren Generation für rechte Parteien, wie bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen, in Sachsen-Anhalt und bei den diesjährigen Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, schrecken die Wahlforscher und auch natürlich die politische Öffentlichkeit auf.

Das politische Interesse aufseiten der jungen Leute scheint immer weiter zu sinken. Skepsis und Distanz scheinen das Verhältnis vieler junger Leute zur Politik und den Parteien zu prägen. Ich möchte es einmal in einer etwas jugendgemäßeren Sprache sagen: „Die Politik nervt, der offizielle Politikbetrieb nervt.“

Man kann der Politik, der Wissenschaft oder uns nicht vorwerfen, auf diese Fragen nicht zu reagieren. Wir stellen die Fragen: Was will die Jugend? Welche Entscheidungen erwartet sie von der Politik? Welche Erwartungen hat sie an die Politik?

Meine Damen und Herren, ich möchte kurz zur Bedeutung dieses Themas sagen, es ist für unsere Demokratie ein grundlegendes Thema. Nur wenn es der Demokratie gelingt, ein nachhaltiges Vertrauen in der jüngeren Ge

neration zu finden, dann können Demokratie und Parteien auch dauerhaft und nachhaltig bestehen bleiben.